Dritte Liga:Mit sentimentaler Anhänglichkeit

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Temperamentvoll als Spieler und auch als Trainer: Claus-Dieter Wollitz.

(Foto: Matthias Koch/imago)

Am Freitag kehrt ein alter Bekannter ins Grünwalder Stadion zurück: Claus-Dieter Wollitz ist mit Energie Cottbus beachtlich in die Saison gestartet.

Von Javier Cáceres

Die Ambition des FC Energie Cottbus ist noch intakt; es bürgt dafür ein Mann, den sie Pele nennen, obwohl er mit bürgerlichem Namen Claus-Dieter Wollitz heißt. "Wir wollen am Freitag gewinnen. Das ist klar unser Ziel", sagte der Trainer des FC Energie, der am Freitagabend (19 Uhr) im Grünwalder Stadion beim TSV 1860 München gastiert. Der FC Energie hat als Neuling mit acht Punkten aus fünf Spielen in der dritten Liga einen beachtlichen Start hingelegt; hätte der SV Meppen am vergangenen Sonntag nicht noch in letzter Sekunde zum 1:1 ausgeglichen, wäre Energie mit dem besten Drittliga-Saisonstart eines Aufsteigers überhaupt nach München gereist. "Das hätte mich stolz gemacht", sagte Wollitz voller Bedauern. Doch was ihn noch mehr umtreibt, ist der Blick in die mittelfristige Zukunft eines Vereins, der vor einem Jahrzehnt noch der fußballerische Stolz des Ostens war.

Wenn man über die Gegenwart von Energie spricht, muss die Vergangenheit mitbedacht werden

Auch wenn sie lange zurückliegt: Diese Vergangenheit muss man wohl auch mitdenken, wenn man über Energies Gegenwart spricht. "Ich habe das Gefühl, dass viele an einen Durchmarsch glauben", sagte Wollitz. Das Ziel des 53-Jährigen ist der Klassenerhalt, nichts anderes. Noch viel entscheidender aber ist, dass sich aus der wirtschaftlichen Lage eine Dringlichkeit zu entwickeln scheint, die Wollitz für deplatziert hält. Grundsätzlich halte er es für möglich, dass Energie einen Platz in der zweiten Liga anvisieren könnte. Sein Problem sei, dass ihm zu Ohren kommt, der Aufstieg sollte oder müsste schnellstmöglich kommen: "Mit dem Wort müsste habe ich ein Problem".

Ein bisschen ist Wollitz ein Opfer seines eigenen Erfolges. 2016 kehrte er nach Cottbus zurück, er baute eine Mannschaft zusammen, die begeisterte und schließlich in der abgelaufenen Saison mit sagenhaften 89 Punkten aufstieg. Eine solche Dominanz hatte es in der Geschichte der Regionalliga nie gegeben. Die Mannschaft, die sich in der Viertklassigkeit so unangreifbar gemacht hatte, ist weitgehend zusammengeblieben. Doch im Kader fehlt Profi-Erfahrung. Nur ein gutes Dutzend Spieler hat in der dritten Liga, gerade einmal fünf haben in der zweiten Liga gespielt - und ein einziger in der Bundesliga. Was seine Mannschaft tun müsse, um in München zu punkten? Wieder an die drei Auftaktspiele anknüpfen, als sie eine extreme Laufbereitschaft zeigte, nie weniger als 118, einmal sogar 127 Kilometer abspulte. Beim letzten Spiel gegen Meppen, bei dem Energie in der letzten Minute noch den Sieg aus der Hand gab, kamen die Energie-Profis nur noch auf 101 Kilometer.

Vor ein paar Wochen klang Wollitz noch so, als würde er den Kader nicht mehr aufbessern wollen, nun hört er sich doch vernehmlich anders an. "Stabilität erhöhen Sie mit Qualität", sagte er dieser Tage. Doch Qualität erhält man auch in der dritten Liga nur gegen Geld, das der FC Energie nicht hat. Vor Saisonbeginn musste Wollitz gar auf ein Trainingslager verzichten, mit Mittelfeldspieler Daniel Stanese (vormals VfR Aalen) und Angreifer Abdulkadir Beyazit (SV Babelsberg 03) kamen gerade zwei Zugänge. Das Transferfenster ist noch bis zum Freitag geöffnet, aber für die Cottbuser ist das Stichdatum uninteressant. "Energie Cottbus kann wirtschaftlich, Stand jetzt, keinen Spieler verpflichten. Ist damit nicht alles gesagt?", fragte Wollitz in einer Pressekonferenz.

Dass Wollitz in solcher Art mahnend den Zeigefinger hebt, ist in den vergangenen Tagen und Wochen häufiger vorgekommen. Zuletzt hatte das vor allem mit dem einzigen Stürmer zu tun, der ihm aktuell zur Verfügung steht: Streli Mamba, 24, der in fünf Spielen drei Tore selbst schoss und drei weitere vorbereitete, mithin an zwei Drittel der Energie-Saisontreffer direkt beteiligt war. Seit Wochen kursieren Gerüchte über Zweitligainteressenten, vor einer Woche erklärte das Präsidium den Angreifer offiziell für "unverkäuflich" - und Wollitz war perlex: Ein unverkäuflicher Spieler in einem Klub, der dringend Geld erlösen muss? "Wenn einer morgen für Mamba eine Million Euro auf den Tisch legt, wird er verkauft", sagte Wollitz.

Claus-Dieter Wollitz wirkt beseelt von der Idee, mit Energie Cottbus etwas Bleibendes zu schaffen

Nicht, dass der einstige Erst- und Zweitligaprofi gern auf Mamba verzichten wollen würde. Aber im Sommer 2019 laufen knapp 20 Verträge von Energie-Profis aus, eben auch jener von Mamba, und das wiederum bedeutet: Er könnte ablösefrei wechseln. Im Fall von Malte Karbenstein, einem 20-jährigen Abwehrtalent, konnte immerhin eine angeblich sechsstellige Ablösesumme generiert werden, er verabschiedete sich zur zweiten Mannschaft von Werder Bremen. Ein Ersatz ist ad hoc nicht zu beschaffen, mit Rücksicht auf die Stabilisierung der Vereinsfinanzen, zum Verdruss von Wollitz. "Ich gehe jede Konsolidierung mit. Aber Konsolidierung auf Dauer kann den Verein sportlich ins Bodenlose stürzen", warnt er.

Klingt nach Defätismus, nach Resignation? Ein wenig, womöglich. Vor allem aber klingt es nach sentimentaler Anhänglichkeit. Er sei "stolz", Trainer des FC Energie zu sein, sagte er nach dem Aufstieg, und er wirkte beseelt von der Idee, etwas Bleibendes zu schaffen: "Ich weiß nicht, ob das auf Dauer gut geht. Aber ich wünsche es dem Klub, den Fans, der Mannschaft."

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