Dritte Liga:Kletterpause

12 03 2019 Fussball 3 Bundesliga 2018 2019 28 Spieltag TSV 1860 München SpVgg Unterhaching

Rauf auf den Zaun: Löwen-Trainer Daniel Bierofka (links) und seine Spieler feiern mit den Fans.

(Foto: Bernd Feil/imago)

Den Aufstieg halten sowohl 1860 München als auch die SpVgg Unterhaching offiziell für unrealistisch. Ein gemeinsames Ziel haben sie aber noch: einen DFB-Pokal-Startplatz.

Von Christoph Leischwitz

Eigentlich hatte Daniel Bierofka sich nur überzeugen lassen, weil alles andere unhöflich gewesen wäre, Lust hatte er überhaupt nicht. "Leider war das Telekom-Interview nahe an der Kurve", erklärte der Trainer des TSV 1860 München, und wenn die Fans einen mal erblicken, dann wollen sie ihn auch auf dem Zaun haben. Also erklomm Bierofka vorsichtig das Gitter und feierte mit den Fans, obwohl er auf dem Weg dorthin auch noch über die Werbebande stolperte, das könnte man ja auch als schlechtes Omen auffassen. "Jetzt habe ich es einmal gemacht, aber bei dem einen Mal bleibt es jetzt erst mal", sagte er später - es sei ja schließlich nicht sein Job. Das letzte Mal gekraxelt war er während der Aufstiegsfeier zur dritten Liga vor fast zehn Monaten, aufs Dach der Ersatzbank. Und noch einmal ein paar Minuten später merkte er an: "Da könnt ihr jetzt lange warten, bis ich das wieder mache."

Weil es sehr lange dauert, ehe 1860 München mal wieder aufsteigt? Oder umgekehrt: weil es in der zweiten Liga keine "Telekom-Interviews" mit Magenta TV nahe der Kurve gibt?

Es ist ja immer so bei 1860: Sorgt der sportliche Erfolg mal für ein wenig Ruhe im Verein, dann sorgt der sportliche Erfolg auch gleich schon wieder für Unruhe, denn ein Aufstieg steht gefühlt unmittelbar bevor. Deshalb galt es am Dienstagabend, nach dem knappen 1:0-Derbysieg gegen die SpVgg Unterhaching, jegliche Aufstiegsdiskussionen im Keim zu ersticken. "Ich will so schnell wie möglich, 45, 46 Punkte", sagte Bierofka, das bedeutet so viel wie: Ligaverbleib. Andere Ziele gebe er jetzt erst einmal nicht aus.

Bei Unterhaching und den Sechzigern könnte es sich um Antipoden handeln

Ganz besonders unromantisch kam die Analyse des Siegtorschützen Nico Karger daher. "Ich hatte jetzt nicht so ein Derbygefühl wie vor den Spielen gegen die Bayern in der Regionalliga", sagte er, "ein Spiel wie jedes andere" sei das gewesen gegen Unterhaching. Und bei seinem Torschuss, da sei er sich ganz sicher gewesen, so dass er gar nicht mehr zugesehen hatte, wie der Ball tatsächlich ins Netz rollte. So einem rational denkenden Fußballer muss man dann ja wohl auch glauben wenn er sagt: "Ich setze mir kein Ziel, Hauptsache, wir schaffen den Klassenerhalt."

Bei Unterhaching und den Sechzigern scheint es sich um Liga-Antipoden zu handeln. Dass es gleichzeitig für beide gut oder für beide schlecht läuft, kam bisher so gut wie nie vor. Vor dem Spiel hatte Hachings Trainer Claus Schromm folgendes Beispiel angeführt: "Wehen Wiesbaden bekommt bei uns einen unberechtigten Elfmeter und geht in Führung. Gegen Sechzig schießt Wehen Wiesbaden ein reguläres Tor und es zählt nicht." Haching verlor, Sechzig gewann, die Ereignisse liegen nur drei Wochen auseinander. Aufgrund solcher Kleinigkeiten kämen dann Serien zustande, schloss Schromm. So wirkte das direkte Aufeinandertreffen wie ein Wendepunkt für die Einschätzung der gesamten Saisonleistung: Die lange so starken Hachinger waren in der Tabelle von den lange mäßigen Löwen überholt worden. Dabei fand Hachings Spielmacher Sascha Bigalke, dass man diesmal die bessere Mannschaft gewesen sei - und die Löwen dafür im Hinspiel, das 1:1 endete.

Meistens finden sich für Erfolg sehr viel einfacher Erklärungen als für Negativserien, so auch diesmal. Während die Hachinger geradezu ratlos wirkten und einen "platzenden Knoten" herbeisehnen (Max Dombrowka), so einfach fielen den Löwen die Erklärungen: "Ein Sieg des Willens. Ein Kampfspiel", sagte Sascha Mölders. Und kämpfen können sie, sollte das heißen. Womöglich liege es ja ein bisschen auch daran, dass sich der Trainer nach seinem abgeschlossenen Lehrgang zum Fußballlehrer nun wieder voll auf die Arbeit vor Ort konzentrieren könne: "Wir sind froh, dass er jetzt da ist, und jetzt punkten wir halt auch", so Mölders.

Selbst das Schneckenrennen ist Haching zu schnell

Gemeinsam haben die Teams, dass sie den Aufstieg nach wie vor unrealistisch finden. Schromm hatte den Wettbewerb um die ersten drei Plätze kürzlich als "Schneckenrennen" tituliert, doch selbst das ist für Haching gerade zu schnell: "Da haben wir uns jetzt selbst rausgenommen", so der Trainer. Ein gemeinsames Interesse, abgesehen vom Ligaverbleib, haben beide aber sehr wohl noch: die Teilnahme an der nächsten DFB-Pokal-Hauptrunde.

Zum einen ist der dafür nötige vierte Platz in der Tabelle für beide durchaus noch realistisch - denn was die vielen knappen Niederlagen respektive Siege kaschieren, ist, dass Unterhaching wie 1860 Teil eines großen, äußerst eng gestaffelten Mittelfeldes sind, das sich über zwei Drittel der Tabelle zieht. Und zweitens "dürfen wir ja heuer vielleicht noch mal nach Giesings Höhen, oder ihr zu uns", sagte Schromm. Beide Mannschaften stehen im April im Halbfinale des Verbandspokals, der Sieger dieses Wettbewerbs kommt im Sommer ebenfalls in die Lostrommel. Sollte es zu diesem Duell im Finale am 25. Mai kommen, ist es gut möglich, dass dann sogar Nico Karger Derbykribbeln verspürt.

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