Dritte Liga:Die Zornigen rutschen ab

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„Das ist brutal.“ – Waldhof-Trainer Bernhard Trares (links) war unzufrieden mit Schiedsrichter Robert Kempter, der zeigte ihm die rote Karte.

(Foto: Heiko Becker/Imago)

Siebter statt Zweiter: Mannheim ist ein Beispiel für die stark veränderte Drittliga-Tabelle.

Von Johannes Kirchmeier, Ingolstadt/München

"So ein Beschiss!", schrie Bernhard Trares, als er die Stufen des Sportparks in Ingolstadt hinaufmarschierte. Gerade hatte der Trainer des SV Waldhof Mannheim im Drittliga-Spiel beim FC Ingolstadt am Mittwochabend die rote Karte gesehen, nachdem er aus Wut einen Ball weggeschlagen hatte. Der Grund seines Furors: das vermeintliche 1:0 für seine Mannschaft durch Kevin Koffi, das wegen einer angeblichen Abseitsstellung zurückgenommen wurde. Linienrichter Marcel Schütz hatte Schiedsrichter Robert Kempter, der das Tor zunächst gegeben hatte, wieder umgestimmt.

Auch anderthalb Stunden später, nach dem 0:2 (0:1) seines Teams, war Trares noch in Rage: "Wer das Spiel gesehen hat, weiß, wer es entschieden hat. Die Leistung von den Unparteiischen heute war parteiisch", sagte er beim Sender Magenta Sport: "Das ist brutal." Er sprach da nicht nur Koffis Treffer an, sondern auch die zweite strittige Szene des Abends: Per Elfmeter war Ingolstadt nach 40 Minuten in Führung gegangen. Doch der FCI-Stürmer Fatih Kaya wurde zuvor von Florian Flicks hohem Bein nicht getroffen - was also eigentlich nur einen indirekten Freistoß im Strafraum wegen gefährlichen Spiels nach sich gezogen hätte. Die Mannheimer Abwehrchance wäre ungleich höher gewesen.

Nun aber steht für den SV Waldhof die dritte Niederlage in den vergangenen fünf Spielen zu Buche. Das Team, das als Tabellen-Zweiter aus der virusbedingten Pause in den Spielbetrieb zurückgekehrt war, ist nur noch Siebter. Drei Punkte fehlen auf den Relegationsplatz, den nun Ingolstadt auf Rang vier belegt, da Tabellenführer Bayern II nicht aufsteigen darf. Es war also ein wegweisendes Spiel, nur der Sieger blieb vorne drin. Vielleicht ließ sich Trares auch deshalb zu gewagten Mutmaßungen hinreißen: "Heute wurde für uns die Meisterschaft abgeschrieben", sagte er. "Ich weiß nicht immer, ob so was mit dem DFB zu tun hat. Weil wir natürlich da auch immer klagen - und der Koch (DFB-Vizepräsident Rainer Koch; Anm. d. Red.) hier aus Bayern ist und so was."

Diese Spekulationen haben eine lange Vorgeschichte: Mannheim lieferte sich in den vergangenen Jahren eine Fehde mit dem Deutschen Fußball-Bund wegen des Spielabbruchs beim Relegationsspiel 2018 gegen den KFC Uerdingen, erst kürzlich einigten sich die Parteien auf einen Vergleich. Zudem waren die Mannheimer in der Corona-Pause einer der lautesten Fortsetzungs-Gegner der Liga - und damit des DFB, der auf die Geisterspiele pochte. Waldhof-Geschäftsführer Markus Kompp warb für ein sofortiges Saisonende, der damalige Erste Duisburg sowie Mannheim sollten demnach aufsteigen. Doch in einer Abstimmung unter den 20 Ligaklubs unterlag dieses Modell knapp mit 8:10 Stimmen. Bis kurz vor Neustart Ende Mai provozierte Kompp, er reichte beim Verband etwa Rechnungen über 79 000 Euro für Waldhofs Quarantäne-Hotel sowie für Corona-Testkosten ein. Das alles mag auch bei der galligen Formulierung jener Mitteilung eine Rolle gespielt haben, die Waldhof am Donnerstagabend auf Facebook bekannt machte. Man habe beim DFB Beschwerde gegen Schiedsrichter Kempter eingereicht und zudem gefordert, "Herrn Kempter nicht mehr bei unseren Spielen einzusetzen. Nicht nur die klaren Fehlentscheidungen, sondern auch die Aussagen und das Auftreten des Schiedsrichters gegenüber unseren Spielern und Funktionären lassen den Schluss zu, dass es zwar ein guter Tag für Herrn Kempter, aber ein schlechter Tag für das vielzitierte Fairplay war", ließ sich Geschäftsführer Kompp zitieren. Vor allem sind es schlechte Tage für Mannheim. Als ob sie es seinerzeit schon insgeheim befürchtet hätten, sind sie nun auch ein Beispiel dafür, wie sehr die Pause den Wettbewerb in der Liga verändert hat. Die Tabelle hat sich oben komplett gedreht: Duisburg, das monatelang Spitzenreiter war, ist nun sogar hinter Ingolstadt aus den Aufstiegsrängen gerutscht. Mannheim hat nur noch Restchancen - und der vormalige Dritte Unterhaching ist als Zehnter quasi schon ohne Aufstiegschance. Während in den Bundesligen die Hierarchien durch die Geisterspielzeit meist bestätigt wurden, sind die Drittligisten physisch noch stärker belastet. Sie spielen alle drei bis vier Tage, um elf Spieltage durchzubringen. Deshalb setzt sich nun im Zweifel der breitere Kader durch - wie der des neuen Tabellenführers Bayern II (Siebter im März) mit dem unerschöpflichen Talentereservoir; oder der üppige Kader des neuen Zweiten Eintracht Braunschweig (zuvor Neunter). Mannheim hingegen drohen die Spieler auszugehen, in Ingolstadt fehlten sieben verletzt oder gesperrt, unter anderem die vier besten Torschützen.

Am Tag nach der Rage sagte Trainer Trares: "Ich muss wohl mit einer Strafe rechnen, aber ich kann ja nicht alles immer für mich behalten." Die Zeitung Mannheimer Morgen fragte ihre Webseitenleser, ob es auch in der dritten Liga einen Videobeweis geben sollte. Spontan waren fast 70 Prozent dafür.

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