VfR Aalen:Ja, wo stehen sie denn?

VfR Aalen v MSV Duisburg - 3. Liga

Den Klassenerhalt hat der VfR Aalen geschafft - auch minus der neun Punkte.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Beim VfR Aalen sind mit Schrotthändler Berndt-Ulrich Scholz und Imtech in den vergangenen Jahren zwei große Geldgeber abgesprungen.
  • Vor dem Schiedsgericht treffen der Klub und der DFB als Streitparteien aufeinander.
  • Derzeit ist noch unklar, welchen Tabellenplatz der Drittligist am Ende dieser Saison erreichen wird.

Von Johannes Kirchmeier

Der Fußball-Drittligist VfR Aalen ist derzeit Tabellenfünfter, mit 56 Punkten, dem Relegationsplatz nahe. Zumindest, wenn man sich die Tabelle im Magazin kicker anschaut. Derselbe VfR Aalen ist aber auch Elfter mit 47 Punkten, im Mittelfeld, wenn man sich die Tabelle in der SZ anschaut oder die des Drittligaportals liga3-online.de. Je mehr Drittligatabellen man im weltweiten Netz aufruft, desto sicherer scheint zu sein: Nichts im deutschen Fußball ist derzeit so unklar wie die korrekte Tabellenposition des VfR Aalen. Die Tabelle lügt nicht? Der Wahlspruch aller Fußballer, den sie immer dann kundtun, wenn sie ihre Leistung einordnen sollen, klingt wie ein schlechter Scherz. Denn eine der Tabellen muss ja lügen. Oder?

Hat Aalen 56 Punkte und kann aufsteigen? Oder sind's nur 47?

Holger Hadek und Markus Thiele, die "mit einer Stimme sprechen", wie sie sagen, haben ihre Meinung: "Wir halten uns an den kicker." Sie sind Geschäftsführer beim VfR Aalen, klar, Rang fünf ist ihnen schon lieber. Doch so ganz sicher sind sie selbst nicht, wie sie das anstehende Duell am Samstag einschätzen sollen. Da treffen die Aalener auf den FC Magdeburg, der sowohl in der kicker-Tabelle als auch bei der SZ und überall sonst Dritter ist, mit 57 Punkten. Und in der Woche darauf treffen die Aalener dann wohl auf den Deutschen Fußball-Bund, vor dem Ständigen Schiedsgericht. Die beiden Duelle haben einiges miteinander zu tun, denn spätestens nach diesen Duellen sollte entschieden sein: Kämpft der VfR noch um den Aufstieg - oder nur um einen Mittelfeldrang?

Diese Frage stellt sich inzwischen die halbe Liga. Am meisten beeinträchtigt die Aalener Lage die Magdeburger und den punktgleichen SSV Jahn Regensburg. Der Tabellendritte qualifiziert sich am Ende für die Relegationsspiele zur zweiten Liga, der Vierte immerhin für den DFB-Pokal. Ein VfR Aalen mit nur 47 Punkten bedeutet für Magdeburg und Regensburg also, dass sie einen Konkurrenten weniger haben.

Seit Mitte Februar wirbelt Aalen nun die Tabelle durcheinander, mit noch ungeklärtem Ausgang. Der Verein hatte damals Insolvenz angemeldet. 3,6 Millionen Euro Schulden belasteten ihn, eine Steuernachzahlung von bis zu 500 000 Euro drohte. "Es muss der Öffentlichkeit in aller Deutlichkeit gesagt werden, dass wir zu unserem Vorgehen keine Alternative hatten", sagte Präsidiumssprecher Roland Vogt. Der DFB sah nach seinen Regularien in der Spielordnung ebenfalls keine Alternative - und zog dem Verein neun Punkte ab. In der Stecktabelle an der Otto-Fleck-Schneise in Frankfurt, wo der DFB sitzt, rutschte Aalen in die Abstiegszone. Erst nach mehreren Siegen in Serie wurde der Abstieg auch rechnerisch abgewendet.

In Aalen stecken sie jedoch eine andere Tabelle als beim DFB. Minus neun Punkte, das wollen sie nicht akzeptieren. Tatsächlich haben sie einen Passus entdeckt, durch den der DFB vom Punktabzug absehen könnte - "wenn gegen den Hauptsponsor oder einen anderen vergleichbaren Finanzgeber des Vereins zuvor ein Insolvenzverfahren eröffnet (...) wurde" (aus der DFB-Spielordnung, Paragraf 6, Punkt 6). In der Praxis ist damit der aktuelle Hauptsponsor gemeint, doch das Wort "aktuelle" fehlt in den Statuten.

Beim VfR sind in den vergangenen Jahren zwei größere Geldgeber abgesprungen. Der eine, Schrotthändler Berndt-Ulrich Scholz, war von 2003 bis 2016 Präsident, "ein Mini-Hopp" raunte man auf der Ostalb immer wieder. Scholz stopfte das ein oder andere finanzielle Loch, bis er sich nach einem Konflikt zurückzog. Der andere Geldgeber war Imtech, bis 2013 Trikotsponsor, 2015 insolvent. "Das hat für uns Auswirkungen bis heute", sagt Thiele.

Eine Entscheidung soll in den kommenden Woche fallen

Also sahen die Aalener den Passus als erfüllt an. Inzwischen hat die Auseinandersetzung die vierte Gerichtsinstanz erreicht, das Ständige Schiedsgericht des DFB. Seit der ersten Klage hat sich einiges getan, zum Beispiel, dass der VfR nicht mehr absteigen kann. "Und wir sind auch zufrieden damit, dass wir den Spielbetrieb ohne Probleme aufrecht erhalten konnten", sagt Thiele. Auch wirtschaftlich steht der Klub besser da, die Gläubiger haben dem Insolvenzplan zugestimmt, der VfR setzt nun auf eine breitere Sponsorenbasis. Komplett gesichert ist die neue Saison noch nicht: "Wir müssen wie jedes Jahr unsere Hausaufgaben machen, stehen hierbei aber deutlich besser da als im Vorjahr."

Warum klagen sie da eigentlich noch weiter? Ganz einfach: Weil sie sich im Recht sehen. "Und von Instanz zu Instanz wird es ein neutraleres Verfahren", sagt Hadek. Vor dem Schiedsgericht treffen der DFB und der VfR als Streitparteien aufeinander. Würde der Klub erneut verlieren, könnte er vor das Oberlandesgericht Frankfurt ziehen; auch der SV Wilhelmshaven und Bayern Hof hatten früher in anderen Fällen Zivilgerichte angerufen. Beide gewannen am Ende. Auch nach Hadeks Rechnung würden die Chancen steigen: "Bisher haben wir das aber nicht diskutiert. Da müssen wir auch eine Kosten-/Nutzen-Rechnung im Blick haben." Klingt eher nach einem Nein.

Ein Sieg gegen Magdeburg und dann ein Sieg vor Gericht

Die Aalener hoffen nun, dass das Ständige Schiedsgericht ob der fortgeschrittenen Saison seine Entscheidung bereits in der nächsten Woche trifft. Sonst könnte die Tabelle am Ende der Spielzeit tatsächlich eingefroren werden, und zwar nach dem Stand, den das letzte DFB-Gericht bestätigte. Aalen hätte dann 47 Punkte, stünde auf einem Mittelfeldplatz. Viel lieber wären ihnen natürlich ein Sieg gegen Magdeburg und dann ein Sieg vor Gericht, dass "wir am besten unseren VfR noch zwei Plätze nach vorne stecken können", sagt Thiele und lacht. Erfolg dürften die Aalener jedoch auch nach einer Niederlage vor Gericht haben - und wenn der nur darin besteht, dass der DFB das Wort "aktuelle" in die Spielordnung einfügt. Man darf davon ausgehen, dass das auch die beiden Geschäftsführer des VfR Aalen begrüßen dürften.

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