Süddeutsche Zeitung

Dritte Liga:Absicherung einer Baustelle

Weil bei Türkgücü vor allem offensiv noch wenig zusammenpasst, konzentriert sich das Team gegen Duisburg auf die Torverhinderung - mit Erfolg.

Von Christoph Leischwitz

Ganz zum Schluss wurde der Gästetrainer gefragt, ob er nicht lieber im Olympiastadion gespielt hätte. Pavel Dotchev, zurzeit Chefcoach beim MSV Duisburg, war dort einmal mit dem Hamburger SV aufgelaufen gegen den FC Bayern, 1992 war das. Das Stadion sei natürlich etwas Besonderes, befand er. Am Montag aber waren die Zebras die vorerst letzten Gäste Türkgücüs im Grünwalder Stadion vor deren Umzug unters historische Zeltdach. Er lade ihn gerne mal zu einem Spiel ein, bot Türkgücüs Trainer Petr Ruman Dotchev an. Worauf dieser etwas kryptisch antwortete, dass er womöglich bald ja auch mehr Zeit habe, mal vorbeizuschauen.

So wurde am späten Montagabend deutlich: Es gibt nach dem knappen Münchner 1:0-Erfolg Vereine - oder genauer: Trainer -, die größere Sorgen haben, Dotchev jedenfalls scheint um seinen Job zu bangen. Türkgücü hingegen hat nach zwei deutlichen Niederlagen wichtige Punkte geholt und so den Anschluss an die Tabellenspitze gewahrt. Trotzdem: Ruman sah hernach vor allem im Offensivspiel "einige Baustellen".

Im Prinzip sind sich die Verantwortlichen einig: Dieser Drittliga-Kader ist richtig stark. Der sportliche Leiter Roman Plesche befand, dass gemessen daran spielerisch zurzeit viel zu wenig zusammengehe. Trainer Ruman sagte: "Die Jungs haben die Qualität", um Spiele mit einzelnen Aktionen zu entscheiden. Es klappte diesmal ja auch, Albion Vrenezi erzielte nach perfektem Zuspiel von Moritz Römling und dank seiner perfekten Ballmitnahme das Siegtor. Allerdings erst in der 81. Minute. Gegen einen etwas selbstbewusster auftretenden Gegner wäre Türkgücü da längst in Rückstand gelegen.

Dank des Zu-null-Erfolgs nach zwei 0:3-Niederlagen in der Liga konnte der 44-jährige Ruman mal die Defensivleistung loben. Wie sehr diesmal der Fokus auf Torverhinderung lag, wurde in der 75. Minute besonders deutlich. Da leuchtete auf der Anzeigetafel des vierten Offiziellen die Nummer zehn in Rot auf: Sercan Sararer wurde ausgewechselt. Jener Spielmacher, der vergangene Saison zu den Allerbesten der Liga gehörte. Bei Türkgücü sind sie immens stolz darauf, dass es nach einem Streit vor dem Arbeitsgericht gelungen war, mit dem 31-Jährigen zu verlängern. "In einigen Szenen war ich nicht zufrieden, wie er umgeschaltet hat", erklärte Ruman nun. Über Sararers Seite sei Duisburg zu gefährlichen Flanken genommen, das sei der Hauptgrund für die Auswechslung gewesen.

Ruman nimmt den Edeltechniker auch in Schutz. Er habe im Toto-Pokal gegen Türk Augsburg (4:0) einen Schlag auf die Wade bekommen, und man kenne Sararer in der dritten Liga nun eben auch gut; alle Gegner seien "extra motiviert gegen ihn". Doch stellvertretend für die Unterschiede zur spektakulären Hinrunde Türkgücüs vor einem Jahr steht nun eben Sararers aktuelle Offensivleistung, die kaum noch vorhanden ist: Einen Freistoß schießt er meterweit übers Tor, den letzten Pässen fehlt meist die Genauigkeit, allen Pässen das einst so berüchtigte Überraschungsmoment, und er verliert Laufduelle. Die Mannschaft hat bislang noch keine Lösungen gefunden, wenn Sararer mal nicht funktioniert. Die Abstimmung, das richtige Timing, Bewegungen, um Räume zu öffnen, besser den Ball laufen lassen - das alles fällt Ruman auf die Frage ein, was offensiv besser werden muss. Nach acht Spielen sind der Mannschaft erst zehn Tore gelungen.

Ruman hofft auch auf verstärkten Konkurrenzkampf im Sturmzentrum, auch wenn der neueste Zugang Törles Knöll in seinem dritten Spiel für Türkgücü nur bedingt überzeugen konnte: Er habe "teamdienlich gearbeitet", sagt der Trainer über den 24-jährigen ehemaligen Junioren-Nationalspieler. Er habe sich aber offensiv "nicht so in Szene" setzen können und "immer wieder Bälle verloren". Petar Sliskovic, vergangenes Jahr mit Sararer als Traumduo gefeiert, blieb nach seiner Einwechslung ebenfalls blass, was freilich daran lag, dass vorne nicht viele Bälle ankamen. Insofern haben Türkgücüs Angreifer gerade nicht viele Chancen, sich im Konkurrenzkampf zu bewähren.

Doch natürlich gilt auf Baustellen überall in der Arbeitswelt: Bei guter Stimmung geht die Arbeit leichter von der Hand - oder vom Fuß. Ruman hofft, schon am Samstag in Saarbrücken nachlegen zu können, danach geht es ins Olympiastadion - das nun auch keine Baustelle mehr ist, sondern Türkgücüs neue, vermutlich dauerhafte Heimat.

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