Süddeutsche Zeitung

Dritte Fußball-Liga:Der Bart wächst auch im Gartenstuhl

Der TSV 1860 München siegt 3:1 beim KFC Uerdingen und bleibt damit eines von vier Teams, die sich im Rennen um die Aufstiegsplätze abgesetzt haben. Vor allem der FC Ingolstadt wirkt nach seinem wackligen Auftritt in Magdeburg erreichbar für die Löwen.

Von Johannes Kirchmeier

Die erste Hälfte lief noch, da saß der ansonsten gerne an der Seitenlinie stehende und schreiende Fußball-Trainer Michael Köllner schon mit einem breiten Grinsen zurückgelehnt auf seinem Gartenstuhl des Sportplatzes in Lotte. Wieso sollte der Oberpfälzer dieses Mal auch übellaunig drauflosbrüllen? Die Sonne schien ihm beneidenswert kräftig aufs Haupt, und vor ihm spielte sich eine Drittligapartie mit besonders sehenswerten Toren und einem zufriedenstellenden Ausgang für seinen TSV 1860 München ab. Köllner, im zusätzlich wärmenden schwarzen Pullover im Stadion am Lotter Kreuz, hatte sicher schon schlechtere Karsamstage erlebt als diesen: Am Spätnachmittag stand das 3:1 (3:0) für seine Mannschaft beim KFC Uerdingen fest.

Zwei Sachen waren schon früh in seinem Gesicht zu erkennen: einerseits die Gewissheit, dass schon nichts mehr passieren würde an diesem Tag. "Basst scho", verriet die Mimik auf gut oberpfälzische Art. Und andererseits war da dieser Bart im Gesicht, der gerade einfach immer weiterwächst. Auch wenn es seine Frau nicht möge und auch manche Fans unken, dass ihr Coach mittlerweile 20 Jahre älter aussieht, betonte Köllner zuletzt: So lange sein Team in der dritten Liga im Aufstiegsrennen bleibe, werde nicht gestutzt. "Wer rasiert, verliert", heißt das in den Playoffs der Eishockeyspieler - und an die Playoffs erinnert auch dieser Aufstiegskampf. Und eines ist ja auch klar: Wenn in diesem Verein und seinem Umfeld gerade mal ein Trainerbart - und nicht ein Gesellschafter, Sponsor oder der Etat an sich - die Menschen beschäftigt, dann muss vieles gut laufen.

Toptorjäger Mölders trifft sehenswert per Seitfallzieher

Vier Teams können sich aufgrund der Abstände wohl nach menschlichem Ermessen noch um die zwei direkten Aufstiegsränge und den Relegationsplatz balgen. Am Ende der Kette steht Köllners TSV 1860 München, was bei einem Rückstand von acht Punkten auf den Ersten Dynamo Dresden bei acht verbleibenden Spielen aber noch nicht viel heißt. Und die Löwen haben da auch noch einen Joker: das beste Torverhältnis der Spitzenteams.

Zudem sprechen die vergangenen Wochen im Vergleich zur Konkurrenz für sie: "Sechzig hat die Effektivität einer Spitzenmannschaft gezeigt", sagte Uerdingens Trainer Stefan Krämer. Er selbst zählte drei Chancen, die für die TSV-Tore notwendig waren, Köllner auch nur vier. So oder so, Uerdingen wurde mit einem mittlerweile bewährten Mittel besiegt: mit eiskalter Effizienz aus einer strukturierten Defensive heraus, wie zuletzt auch Dresden beim 1:0 auf Giesings Höhen. Und das, obwohl die Münchner dieses Mal auf den gelbgesperrten Abwehrchef Stephan Salger verzichten mussten. Doch der für ihn ins Team gerückte 18-jährige Niklas Lang sowie Semi Belkahia, 22, den der Geschäftsführer Günther Gorenzel jüngst als einen "der talentiertesten Innenverteidiger der dritten Liga" bezeichnete, machten ihre Sache gut. Und in engen Momenten bekamen sie Hilfe von ihren Vorderleuten: Bezeichnend dafür war etwa ein Eckball in der zweiten Hälfte, den elf Münchner im eigenen Strafraum erwarteten.

Vorne erzielte Belkahia bereits nach zwei Minuten ein Kopfballtor nach einer Ecke von Richard Neudecker. Die Luft in Lotte stand gut für die Löwen, denn auch Sascha Mölders traf per Kopf zum 2:0 (35. Minute), ehe der nimmermüde Liga-Toptorjäger (18 Treffer) mit einem feinen Seitfallzieher in der 38. Minute auch Tor Nummer drei des Tages markierte. KFC-Stürmer Gustav Marcusson traf nur noch zum 1:3 (51.).

So sind es jetzt lediglich sechs Punkte Rückstand für 1860 auf Relegationsrang drei, den der FC Ingolstadt belegt - zu dem die Löwen am letzten Spieltag noch reisen werden. Dass Köllner sich in der Rolle des Jägers gefällt, zeigt sein dickes Grinsen inmitten des Barts in den vergangenen Wochen. Zu Saisonbeginn, als die Sechziger die Tabellenführung verteidigen mussten, wirkte er angespannter im Vergleich dazu.

Wie schnell der Rückstand nun schrumpfen kann, zeigte ja auch schon das Osterwochenende: 0:2 verloren die überraschenderweise chancenlosen Ingolstädter beim vom Abstieg bedrohten 1. FC Magdeburg. "Wir haben nicht das umgesetzt, was uns das Trainerteam mitgegeben hat und was wir die ganze Woche über trainiert haben. Das war ein sehr schlechter Auftritt von uns", sagte der FCI-Kapitän Stefan Kutschke.

Es schien in Magdeburg so, als bekäme seine Mannschaft gerade etwas Angst vor dem erneuten Scheitern: Vor einem Jahr verspielte Ingolstadt den Aufstieg ja erst durch ein Gegentor in der letzten Minute der Relegation gegen den 1. FC Nürnberg. Den hatte Köllner im Mai 2018 noch als Aufstiegstrainer in die Bundesliga geführt - damals übrigens mit einem Zweitagebart.

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