Süddeutsche Zeitung

Dritte Fußball-Liga:Auch der letzte Löwe legt sich hin

Wie die bayerischen Vereine hoffen, die Corona-Krise zu überstehen.

Von Johannes Kirchmeier, Christoph Leischwitz, Sebastian Leisgang und Philipp Schneider

Am Montagabend hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) bekanntgegeben, dass der Betrieb der dritten Liga bis mindestens Ende April ruhen wird. Einen Tag später haben auch die fünf bayerischen Klubs reagiert und mitgeteilt, wie sie sich in der Krise verhalten werden. Ein Überblick.

SpVgg Unterhaching

Ein Minimum an gesellschaftlichem Leben fand am Dienstag noch statt im Unterhachinger Sportpark, aber fast ausschließlich in der Vereinsgaststätte: Ein paar Gäste aus den umliegenden Firmen fanden sich noch ein für den Mittagstisch. Die Geschäftsstelle der Spielvereinigung im ersten Stock ist zurzeit nur vom Führungspersonal besetzt, die Sportplätze überhaupt nicht mehr. Präsident Manfred Schwabl hatte sich in der Drittliga-Videokonferenz am Montag auch dafür eingesetzt, dass der gesamten Liga eine sehr lange Pause verordnet wird. Sein Eindruck von der Konferenz: "Die Liga rückt zusammen, die meisten haben ihre Vereinsbrille abgenommen." So habe eben nicht nur er sich für die Pause bis 30. April ausgesprochen, weil zum Beispiel der Hallesche FC vorher gar nicht trainieren dürfe, ergo bis dahin Wettbewerbsverzerrung herrschen würde. Trainings- und Ligaplan würden jetzt quasi vom Robert Koch-Institut respektive vom Coronavirus festgelegt. Und der Fußball habe sich jetzt bei sich aufdrängenden gesellschaftlichen Fragen sowieso hinten anzustellen, wirtschaftliche Themen wolle er zurzeit überhaupt nicht besprechen. Der einzige Stichtag, der eingehalten werden müsse, sei der 30. Juni für das mögliche Saisonende, weil zu diesem Zeitpunkt Spielerverträge auslaufen.

Der 53-Jährige sagt, er werde in den kommenden Tagen immer mal für einige Stunden ins Büro kommen, um auch "ein paar strategische Dinge zu durchdenken", für die im Liga-Alltag oft nur wenig Zeit ist. So hätte an diesem Donnerstag eigentlich eine außerordentliche Mitgliederversammlung stattfinden sollen. Die SpVgg muss über den mit der Gemeinde ausgehandelten Plan abstimmen, mit dem das Stadion in den Besitz des Vereins übergehen soll. Lange schien es, als würde dieser wichtigste Transfer recht schnell abgewickelt werden können und schon für die kommende Saison greifen - auch das ist aber nun erst einmal in Frage gestellt.

FC Ingolstadt

Der Fußball ruht auch in Ingolstadt. Das lässt sich schon alleine daran erkennen, dass in der Nähe des Sportparks des FC Ingolstadt 04 in diesen Tagen gebaut wird: Es entsteht ein Corona-Diagnosezentrum der Stadt vor dem Stadion. Sportdirektor Michael Henke sprach bei der DFB-Videokonferenz-Tagung von "intensiven Debatten und Diskussionen mit guten und produktiven Beiträgen von allen Seiten", die letztlich auch im Sinne der Ingolstädter endeten. Denn anders als manche Gegner aus den unteren Tabellenregionen wollen die Tabellen-Fünften die Saison unbedingt zu Ende spielen - auch wenn das erst ab 30. April und ohne Zuschauer passiert.

Henke teilte auch mit, dass er froh ist, "eine gewisse Planbarkeit der nächsten Wochen zu haben." Gerade die braucht der Klub nach turbulenten Tagen: Erst vor einer Woche hatte Henke den Trainer Jeff Saibene frei- und dessen Vorgänger Tomas Oral als Nachfolger eingestellt. Oral ist bekannt als großer Motivator, der eine Mannschaft schnell packen und verbessern kann - auch wenn sie dafür durch eine Waschstraße marschieren muss, wie vor ein paar Jahren beim FSV Frankfurt.

Bis Ende April könnte der unmittelbare Effekt des Trainerwechsel aber verpufft sein.

TSV 1860 München

Am Dienstag um 18 Uhr hat auch der letzte Löwe in München seine Tür zugesperrt. Das klingt vielleicht etwas pathetisch. Aber so hat es Benedikt Lankes selbst gedichtet auf seinem Facebook-Kanal. Zuvor hatten bereits die Geschäftsstelle und auch der Fanshop an der Grünwalder Straße dicht gemacht, also schrieb Lankes, der Wirt des Löwenstüberls: "Als letzter Löwe werden auch wir am Mittwoch in der 114 unsere Tür auf unbestimmte Zeit schließen." Wie es nun grundsätzlich weitergeht beim TSV 1860 München, das verrieten die Geschäftsführer am Dienstag: Shutdown an der Grünwalder Straße. Der Löwe wird runtergefahren. Beziehungsweise, um ein schiefes Bild zu vermeiden: Der Löwe legt sich hin.

Bis auf Weiteres wird bei 1860 kein Training stattfinden. Die Plätze und Fitnesseinrichtungen dürften aufgrund von behördlichen Anordnungen des Freistaates Bayern und der Stadt München nicht genutzt werden, sagt Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel.

Finanz-Geschäftsführer Michael Scharold appellierte an die "gesamte Löwen-Familie", sich "möglichst wenig im öffentlichen Raum aufzuhalten", um die Verbreitung des Coronavirus zu bremsen. Und er versprach, "mit hoher Intensität an Maßnahmen" zu arbeiten, "damit die wirtschaftlichen Schäden für den TSV 1860 München keinen existenzbedrohenden Umfang annehmen." Scharold sagt: "Nur wenn Behörden, Verbände und Vereine vertrauensvoll zusammen an Lösungen arbeiten, wird die dritte Liga diese Krise überstehen." Sollten die Liga und auch 1860 diese Krise überstehen, dann läuft alles so weiter wie vorher, verspricht zumindest Lankes, der Stüberlwirt: "Wir sind gewappnet um nach dieser Zeit so richtig mit euch Vollgas zu geben", schreibt er.

FC Bayern II

Sarpreet Singh war der einzige Spieler des FC Bayern München II, der am Dienstag noch auf dem Campus wohnte. Der neuseeländische Mittelfeldspieler kann nicht mal eben nach Hause fliegen, wenn das Training ausgesetzt ist. Und in der Kantine des Nachwuchs-Leistungszentrums trifft er auch nur noch wenige Juniorenspieler an, denen es ähnlich ergeht. Die zuletzt so erfolgreiche zweite Mannschaft der Bayern hat das gemeinsame Training erst einmal bis zum kommenden Sonntag ausgesetzt. In der Diskussion, wie lange die Aussetzung des Ligabetriebes dauern soll, hielten sich die Bayern-Verantwortlichen zurück. Die U23 des Rekordmeisters ist die einzige Zweitvertretung der Liga, man bezieht keine TV-Gelder und kann auch nicht aufsteigen, vor allem geht es weder für die Spieler noch für deren Umfeld um existenzielle Probleme.

FC Würzburger Kickers

Wer am Sonntagnachmittag über die Alte Mainbrücke in Würzburg lief, der konnte meinen, es sei ein gewöhnlicher Frühlingstag, der das Ende des Winters besiegelt und die Vorfreude auf den Sommer steigen lässt. Die Leute standen auf der Brücke beieinander, sie lachten, blinzelten in die Sonne und tranken Wein. Auch die Promenade am Mainufer, die Cafés ein paar Straßen weiter, alles derart gut besucht, dass man kaum einen Platz bekommen hätte, wenn man auf der Suche gewesen wäre.

All das sei ein Dokument, dass "der Ernst der Lage noch nicht von allen erkannt wurde", sagte am Dienstag Sebastian Schuppan, der die Mannschaft der Würzburger Kickers als Kapitän anführt und den Sonntagnachmittag weder an der Promenade noch in einem Café in der Innenstadt verbracht hatte. Schuppan betonte: "Jeder würde die Saison gerne beenden, doch darum geht es aktuell nicht." Die Kickers begrüßen es deshalb, dass der Spielbetrieb frühestens im Mai fortgeführt wird, um der raschen Verbreitung des Coronavirus entgegenzutreten. Gleichzeitig appellierten die Kickers am Dienstag in Person des Vorstandsvorsitzenden Daniel Sauer an ihre Konkurrenten, den Solidaritätsgedanken groß zu schreiben. Sauer wertete es als "klare Botschaft", dass der DFB jenen Vereinen seine Hilfe zugesagt hat, die durch die gut siebenwöchige Spielpause in finanzielle Not geraten.

Den Trainingsbetrieb haben die Kickers auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, allerdings halten sie es sich offen, wie Hertha BSC und Union Berlin eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen, um die Trainingsplätze wieder nutzen zu dürfen.

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Quelle:
SZ vom 22.03.2020
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