Dressurreiter beim CHIO in Aachen:Audienz im Park mit der Queen

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Nicht zu schlagen: Isabell Werth mit Bella Rose gewinnt den Grand Prix. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Das deutsche Team führt wieder einmal die Wertung in Aachen an - doch der Auftritt der Briten zeigt, dass bei Olympia in Tokio 2020 starke Konkurrenz zu erwarten ist.

Von Gabriele Pochhammer, Aachen

Wer immer gewinnt, langweilt seine Zuschauer irgendwann. Dieser Gefahr entgehen auch die deutschen Dressurreiter nicht, für die das CHIO Aachen traditionell ein Heimspiel ist. Nicht überraschend liegen sie nach dem Grand Prix mit 242,392 Prozentpunkten in Führung, gefolgt von Dänemark und den USA. Isabell Werth mit Bella Rose gewann zwei Tage vor ihrem 50. Geburtstag den Grand Prix (82,783). Aber nicht ungefährdet: Showtime von Dorothee Schneider (80,609) war nach mehreren Verletzungspausen wieder das Pferd, das man vom Olympiagold in Rio in Erinnerung hat: kraftvoll, strahlend und in vielen Dingen noch besser als Bella Rose. Jessica von Bredow-Werndl mit Dalera (79,000) gelangen die besten Piaffen des Tages. Wackelig hingegen ist die Position der Weltcupzweiten Helen Langehanenberg. Ihr Hengst Damsey piaffierte so lustlos, als ob er sich die Hufe auf einer heißen Herdplatte vertreten müsste. "Er hat sie regelrecht verhungern lassen", sagte Bundestrainerin Monica Theodorescu.

Seltener Gast in Aachen ist die dreifache Olympiasiegerin Charlotte Dujardin, die mit Erlentanz in die Soers gereist ist. Sie geht nicht oft mit ihren Pferden ins Ausland, zeigt sich am liebsten auf ihrer Insel und heimst dort hohe Punkte ein, von denen die anderen dann im Internet lesen. Eine nicht ungeschickte Strategie. Auch Erlentanz hat schon zweimal mehr als 80 Prozent bekommen, das sind die Regionen, in denen die Medaillen verteilt werden. Dabei ist Erlentanz nur Dujardins zweites Pferd hinter der schon bei der WM erfolgreichen Stute Freestyle. Der hübsche Trakehner gehört einem jungen Briten, der nach einem schweren Unfall, bei dem seine Beine mehrfach gebrochen waren, jahrelang brauchte, bis er wieder reiten konnte. Während seiner Rekonvaleszenz bildete Dujardin den eleganten Braunen bis zur Grand Prix-Klasse aus. Auch in Aachen zog das Paar die Blicke auf sich. Nicht nur, weil eine Olympiasiegerin ein anderer Nimbus umweht als einen Newcomer, sondern weil Erlentanz seinem Namen tatsächlich alle Ehre machte. Die meisten Dinge gelangen spielerisch und leichtfüßig, die Passagen, der spritzige Trab und die Pirouetten auf kleinem Kreis.

"Charlotte ist eine gnadenlose Prüfungsreiterin", sagt der britische Mannschafts-Olympiasieger von 2012, Carl Hester: "In den vergangenen Jahren stand sie mit ihrem Olympiapferd Valegro immer unter großem Erwartungsdruck, jetzt kann sie ganz locker und entspannt reiten und nur genießen." Das Beste, so Hester: "Sie kann mit jedem Pferd umgehen." Mit 79,152 Punkten lag Dujardin am Ende auf Platz drei. Das nur aus drei Reitern bestehende Team auf Rang fünf. Und da ist noch Luft nach oben, denn Carl Hester war diesmal nur als Trainer dabei. Valegro ist inzwischen in Rente, im Mai hatte er eine Privataudienz bei der Queen. Sie wolle ihn kennenlernen, hatte sie über ihre Hofdame wissen lassen, und fuhr dann im Landrover höchstpersönlich zum Treffen unter Bäumen im Windsor Park vor, um dem Olympiahelden den Hals zu tätscheln.

In den vergangenen beiden Jahren hatte den Briten eine starke dritte Kraft gefehlt, diese aber, so erscheint es, wächst nun heran in der 21-jährigen Charlotte Fry. Mit dem Rapphengst Dark Legend, mit dem sie vor einigen Wochen Europameisterin in der Altersklasse U25 geworden war, überzeugte sie auch in Aachen. 74,435 Punkte gab es für die Premiere. Auch sie lernte ihr Handwerk bei Carl Hester, mit ihrer Mutter Laura Fry hatte der heute 52-Jährige einst in einer Mannschaft geritten. Als diese vor sechs Jahren ihrem Krebsleiden erlag, war Charlotte 16 Jahre alt und fand zunächst bei Hester einen neuen Förderer. Doch der musste ihr sagen: "Ich habe schon eine Charlotte, und die wird immer die ersten Pferde bekommen." Er vermittelte sie in den Stall der niederländischen Olympiareiterin Anne van Holst. Da ist sie die Nummer eins im Team und Ersatztochter zugleich mit allen Chancen auf eine große Karriere.

Die Deutschen reiten wie immer zwar miteinander, aber auch gegeneinander. Zur Europameisterschaft im August in Rotterdam dürfen nur vier Reiter, nach Olympia im nächsten Jahr sogar nur drei. In Aachen versuchte Sönke Rothenberger die Frauen-Quadriga zu knacken. Da sein Cosmo bei der deutschen Meisterschaft wegen einer sich ankündigenden Kolik nicht starten konnte, gehört er nicht zum Team, sondern muss durch die zweite Grand Prix-Tour auf sich aufmerksam machen, was ihm durch einen lässigen Sieg gelang. Noch immer verfolgen ihn Albträume von den Bildern des fürchterlichen Brandes in seiner Reitanlage bei Bad Homburg, bei dem sechs Pferde starben und Cosmo nur deswegen überlebte, weil er seinem Reiter ohne Halfter aus dem Stall folgte und ihm nicht von der Seite wich, auch nicht, als zwei seiner Stallgenossen zurück in die tödliche Glut galoppierten. Ein Vertrauensbeweis für seinen Reiter, schöner als jeder Grand Prix-Sieg. Die Entscheidung darüber, wer zur Europameisterschaft darf, fällt am Samstag nach dem Grand Prix Special. Dann werden die Karten neu gemischt.

© SZ vom 19.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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