Im Grunde sind sie sich sehr ähnlich: Isabell Werth, 54, und Ingrid Klimke, 56, beide seit fast einem halben Jahrhundert im Sattel zu Hause, zusammen elf Olympiagoldmedaillen schwer. Zwei große Namen im Pferdesport, der eine in der Dressur, der andere bisher vor allem in der Vielseitigkeit. Beide Frauen schreiben Bücher, drehen Filme, sind gefragte Trainerinnen und Interview-Partnerinnen.
Sie haben vielfach Können und Nervenstärke bewiesen und gezeigt, dass sie Druck standhalten können. Sie wissen, wie man sich auf Instagram positioniert und was man den Journalisten erzählt: immer positiv, nie eine unfreundliche Bemerkung über die Konkurrenz, immer voll des Lobes fürs eigene Pferd. Beim CHIO Aachen an diesem Wochenende sind Werth und Klimke Konkurrentinnen um eine Zulassung für Olympia in Paris. Es gibt drei Plätze, die Nummer vier kommt nur zum Einsatz, wenn einer der anderen krank oder verletzt ausfällt. Für Werth geht es um Goldmedaille Nummer acht, für Klimke darum, es ihrem Vater gleichzutun, der ebenfalls in beiden olympischen Disziplinen startete.
Klimkes Hengst strotzt vor Selbstbewusstsein
Die Nummer eins kann sich den Endspurt in Ruhe ansehen: Jessica von Bredow-Werndl ist gesetzt, darf ihre 17-jährige Dalera für Paris schonen. Nach glänzenden Auftritten bei den deutschen Meisterschaften in Balve muss die Stute nur gesund und munter bleiben, nichts mehr beweisen. Dahinter beginnt der Kampf um die Plätze. Frederic Wandres, der einzige Mann im Team, konnte sich nach Balve als sichere Nummer zwei wähnen, ob das so bleibt, weiß er erst Sonntagabend. Im Grand Prix in Aachen blieb er hinter den Frauen zurück.
Das Ergebnis des Dressur-Nationenpreises konnte Bundestrainerin Monica Theodorescu dennoch beruhigen: Platz eins, zwei und drei für Werth, Klimke und Wandres, und damit Teamsieg, erfochten allerdings gegen nicht allzu starke Konkurrenz. Die war wie so oft vor Olympischen Spielen zu Hause geblieben oder versteckte sich in der kleinen Grand Prix Tour und vermied so den direkten Vergleich. So wie die amtierende Weltmeisterin aus Großbritannien, Charlotte Fry mit dem imponierenden Rapphengst Glamourdale. Sie bekam 80,978 Prozentpunkte, mehr als die Siegerin Werth im Nationenpreis (76,5). Fry und das starke britische Team gilt es in Paris zu schlagen.

Die Pferde, mit denen Klimke und Werth ihr olympisches Glück versuchen, sind bildschöne Musterexemplare der Marke Dressurpferd, aber das ist es schon an Gemeinsamkeiten. Der 16-jährige Hengst Franziskus deckt fünf Monate im Jahr täglich mindestens eine Stute und wird nur zum Training auf Klimkes Reitanlage gefahren. Er strotzt vor Selbstbewusstsein, ließ in seiner Jugend schon mal die Sau raus, wenn ihm etwas nicht passte, hat sich aber in den vergangenen Jahren zum loyalen Mitarbeiter entwickelt. Er und Klimke arbeiten seit elf Jahren zusammen, gemeinsam sind sie in den Dressursport gewachsen. Klimke ist sich sicher, dass „Franz“ sich inzwischen auf jeden Auftritt im Viereck freut.
Wendy, die Stute von Isabell Werth, hat sich von Mal zu Mal gesteigert
Die zehnjährige Wendy ist erst seit Januar bei Isabell Werth im Stall. Sie kommt vom Luxuspferdehändler Andreas Helgstrand, der wegen tierschutzwidriger TV-Aufnahmen in seinem Stall aus dem dänischen Nationalkader flog und deswegen Paris verpasst. Auch wenn Helgstrand selbst auf den Videos nicht zu sehen ist und öffentlich die Trainingsmethode ablehnte, musste sich Isabell Werth doch unbequeme Fragen anhören, warum sie ausgerechnet von diesem Trainer ein Pferd übernahm. Werth hat Helgstrand immer verteidigt. Vieles werde vermutet, aber nur wenig bewiesen. Immer wieder, auch in Aachen, betonte sie, wie gut die Stute ausgebildet sei, „sonst hätte ich“, so Werth, „damit nicht sofort losreiten können“.
Nur einige Tage vor Aachen wurde Wendy statt Quantaz in die CHIO-Mannschaft getauscht. „So haben wir den direkten Vergleich, das Paar ist ja noch neu“, sagt Bundestrainerin Monica Theodorescu. Es ist erst das fünfte Turnier der beiden und auch Kritiker müssen zugeben, dass Wendy nicht nur besser geht als unter ihrem früheren Reiter, sondern sich von Mal zu Mal steigert. Insofern hat die Stute mit dem Reiterwechsel das große Los gezogen. In Aachen unterliefen kleine Fehler, da ist noch Luft nach oben. Monica Theodorescu lobt besonders Wendys goldenen Charakter. „Das Pferd hat eine tolle Einstellung“, sagt sie, „sie ist so bemüht, so ehrlich und scheut vor nichts.“ Reiterin und Pferd wüchsen immer mehr zusammen. Das ist wichtig, denn bis zum Grand Prix von Paris sind es nur noch 30 Tage.
Nach dem Grand Prix Special (der in Paris über die Mannschaftsmedaillen entscheidet) am Samstag und der Musikkür am Sonntag in Aachen hoffen die Bundestrainerin und der Dressurausschuss zu wissen, wen sie nehmen, um das Dressurgold zu sichern. Denn allein darum geht es doch am Ende.
