Dressurreiten:Blut auf weißem Handschuh

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"Ich bin am Boden zerstört": Charlotte Dujardin auf Freestyle beim folgenreichen Ritt in Rotterdam. (Foto: Dean Mouhtaropoulos/Getty Images for FEI)
  • Olympiasiegerin Charlotte Dujardin wird bei der Dressur-EM in Rotterdam disqualifiziert.
  • Ihr Pferd wies Blutspuren auf, was den sofortigen Ausschluss bedeutete.
  • "Ich bin am Boden zerstört", klagt Dujardin: "Die Gesundheit und das Wohlergehen meines Pferdes haben stets oberste Priorität."

Von Gabriele Pochhammer, Rotterdam

Sie war die Einzige, die den Deutschen noch hätte gefährlich werden können. Aber Blutspuren am Sporn und eine Risswunde an der Flanke ihres Pferdes Freestyle machten Charlotte Dujardins Chancen zunichte, den Durchmarsch der deutschen Dressurreiter bei der Europameisterschaft in Rotterdam wenigstens teilweise aufzuhalten. Für die dreimalige Olympiasiegerin war die EM nach der ersten Prüfung, dem Grand Prix, zu Ende.

Zunächst hatte es gut ausgesehen für Dujardin und ihre Stute. Zweiter Platz hinter Isabell Werth auf Bella Rose, vor den drei anderen Deutschen. Das ist so gut wie ein Sieg anderswo. Aber die Fernsehkameras warteten vergebens auf ein Interview mit der Reiterin. Plötzlich verschwand Dujardins Name von der Anzeigetafel, die Briten standen nicht mehr auf dem Silberplatz in der Mannschaftswertung, sondern waren nur noch Vierte, Reiter und Teamführung wie vom Erdboden verschluckt. Die Deutschen gewannen ihre 24. EM-Goldmedaille und belegten die Plätze eins (Isabell Werth auf Bella Rose), zwei (Dorothee Schneider auf Showtime), drei (Sönke Rothenberger auf Cosmo) und neun (Jessica von Bredow-Werndl auf Dalera).

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Erst eine halbe Stunde später wurde bekannt, warum Dujardin aus der Wertung gestrichen war. Der Sporn hatte die Stute verletzt, eine deutliche circa drei Zentimeter lange Wunde war an der linken Flanke zu erkennen. Blutspuren zeigten sich auch an den Sporen selbst. Offene Wunden am Maul oder an der Seite des Pferdes, dort wo der Reiter einwirkt, bedeuten nach den Regeln des Weltreiterverbandes sofortigen Ausschluss. Alle Pferde werden nach dem Ritt routinemäßig von einem Steward überprüft. Mit einem weißen Handschuh streicht er über das Fell, kontrolliert auch die Sporen des Reiters auf Blutspuren und macht Fotos. Der deutsche technische Delegierte Gotthilf Riexinger, der selbst auf dem Abreiteplatz der Kontrolle beiwohnte, zeigt ein Handyfoto: "Das ist deutlich."

Es spielt keine Rolle, wie stark das Pferd blutet

Dujardin ist nicht die Erste, aber die Prominenteste, bei der die "Blutregel" angewendet wird. In Kentucky bei den Weltreiterspielen 2010 wurde die niederländische Mitfavoritin Adelinde Cornelissen eliminiert, weil ihr Pferd Parsival aus dem Maul blutete. In Rotterdam schied vor Dujardin bereits die Französin Charlotte Chalvignac wegen einer Wunde an der Seite ihres Pferdes aus, zwei weitere Pferde wurden wegen Lahmheit aus dem Wettkampf genommen. Öffentlicher Druck hat den Weltreiterverband FEI sensibilisiert, keine Kompromisse einzugehen, wenn es um das Wohl des Pferdes geht. Ausschlüsse gemäß Artikel 430.7.6.2 des Dressurreglements unterstellen keine Absicht, sie dienten lediglich dazu, das Wohlbefinden aller Pferde im Wettkampf sicherzustellen, ließ der Verband in Rotterdam verlauten.

Wäre es ein normales Turnier, könnte Dujardin nach einer weiteren tierärztlichen Untersuchung sogar in den nächsten Prüfungen starten. Beim Championat ist allerdings der in der Wertung beendete Grand Prix die Voraussetzung für einen Auftritt in der Einzelwertung. Es spielt im übrigen keine Rolle, wie stark das Pferd blutet. "Wir können nicht anfangen, Schnitttiefen zu messen", sagt Stephan Ellenbruch, ein internationaler Springrichter.

Die britische Teamführung verzichtete nach Rücksprache mit dem Mannschaftstierarzt auf einen Protest. Charlotte Dujardin äußerte sich in den sozialen Medien. Sie entschuldigte sich bei den Fans und zeigte sich bestürzt: "Ich bin am Boden zerstört", schreibt sie, nie sei ihr Ähnliches passiert: "Die Gesundheit und das Wohlergehen meines Pferdes haben stets oberste Priorität, aber natürlich akzeptiere ich die Entscheidung." Dujardin ist die größte Hoffnung der Briten für die olympische Dressur in Tokio 2020. Nach der Pensionierung ihres Goldmedaillenpferd Valegro war es stiller um sie geworden, mit Freestyle hat sie wieder ein Pferd, mit dem sie ins Geschehen eingreifen kann.

Reiterlich ist sie mit Multi-Championesse Isabell Werth auf Augenhöhe. Einige Dinge macht Freestyle schon jetzt besser als Werths Starpferd Bella Rose, zum Beispiel den starken Trab, wenn sie wie mit Siebenmeilenstiefeln übers Viereck fliegt. Aber in der Piaffe, einer Schlüssellektion, reicht sie an die Fuchsstute noch nicht heran. Auch die Pirouetten im Galopp sind noch mühsam, und womöglich ist bei Dujardins Bemühen, ihr Pferd "auf dem Teller" zu drehen, die verhängnisvolle Verletzung passiert. Fragt sich, warum ein erfahrener Profi wie sie überhaupt Sporen mit Rädchen verwendet. Es gibt längst abgerundete, stumpfe Versionen, bei denen solche Verletzungen zwar nicht ausgeschlossen, aber viel unwahrscheinlicher sind. Vielleicht muss erst eine neue Regel her, die Rädchen am Sporen verbietet.

© SZ vom 22.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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