Es war knapp. Nur 2,8 Prozent Vorsprung, im Rennsport würde man sagen: eine Nasenlänge vorn. Das genügte dem Team von Bundestrainerin Monica Theodorescu zum Sieg mit 229,644 Prozent bei der Dressur-Europameisterschaft in Crozet in Frankreich. Es war Titel Nummer 26 für die Deutschen in diesem Mannschaftschampionat seit seinem Bestehen, und er war härter erkämpft als die meisten zuvor. Denn Briten (226,785) und Dänen (223,385) auf dem Silber- und Bronzeplatz erwiesen sich als hartnäckige Gegner: Erst nach dem Ritt der letzten Britin, der Olympiadritten Charlotte Fry auf dem 14-jährigen Rapphengst Glamourdale, stand der Sieg für das deutsche Team fest.
Glamourdale leistete sich einige Unsicherheiten. Die Schlüssellektion des Grand Prix, die Piaffe, ist nicht seine Stärke, und das konnte er auch diesmal mit seinem bodenverachtenden Galopp nicht ausgleichen. Am Ende reichte es für Charlotte Fry nur zu Platz sechs, noch hinter ihrem Mannschaftskollegen Carl Hester auf Fame, der für seine korrekte, aber etwas langweilige Vorstellung mit 76,087 Punkten bedacht wurde. Gut vorgelegt hatte Betty Moody auf Jagerbomb mit 74,721 Prozent. Der erste britische Reiter war wegen Lahmheit seines Pferdes ausgeschieden.
Die achtfache Olympiasiegerin Isabell Werth auf ihrem Paris-Pferd Wendy vollendete schließlich die Mission für das deutsche Team: mit einem soliden Ritt ohne Fehler, sehr guten Piaffen und Passagen – aber noch Luft nach oben für die kommenden beiden Einzelentscheidungen Grand Prix Special am Freitag und Kür am Sonntag. „Ich habe nicht auf Sparflamme geritten, sondern schon was riskiert, ohne zu überdrehen. Das gehört sich auch so, wenn man für die Mannschaft reitet und jeder Punkt zählt“, sagte sie. Mit 79,224 Punkten wurde sie Zweite hinter der Dänin Cathrine Laudrup-Dufour auf Freestyle (80,823).
Ebenfalls eine solide Vorstellung, aber mit kleinen Unebenheiten, lieferte Frederic Wandres, Mannschaftsolympiasieger von Paris, auf dem eleganten Oldenburger Bluetooth. Wandres zeigte sich zufrieden mit seinem Ritt. „Bluetooth ist kein Pferd, das Neunen und Zehnen einsammelt, also Höchstnoten, aber eben auch keine Sechsen. Da waren ein paar Sachen, die können wir noch besser.“ Das will er Freitag und Sonntag zeigen.
Katharina Hemmer auf Denoix ist neu im Dressurteam – und gewinnt gleich Gold
Einen sehr gelungenen Einstand ins deutsche Dressurteam hatte bereits am Mittwoch Katharina Hemmer auf Denoix gegeben. So konzentriert sah man den energischen Fuchs nicht immer, mit 75,699 kam sie auf Platz sieben. Ingrid Klimke als erste Teamreiterin konnte das nicht von ihrem Pferd sagen: Der Hengst Vayron, ein Riese von 1,86 Meter Schulterhöhe, scheute mehrfach und baute einige Fehler ein. Auf Platz 28 (69,348 Punkte hat er sich für den Grand Prix Special qualifiziert – dann beginnen alle dreißig Reiter wieder bei null.
Der deutsche Sieg ist unter anderem deswegen bemerkenswert, weil er ohne die Olympiasiegerin Jessica von Bredow-Werndl, eine sichere Punktesammlerin, errungen wurde, während die Briten mit ihrem kompletten Pariser Silberteam antraten. „Wir dürfen uns aber auf dieser Medaille nicht ausruhen“, mahnte Isabell Werth und forderte eine intensive Förderung der Nachwuchsreiter. Denn in den nachrückenden Reihen deutscher Dressurtalente sieht es eher dünn aus.
Das dänische Bronzeteam hatte ebenfalls zwei Neulinge im Team, aber auch zwei altbekannte Namen. So ritt erstmals wieder Andreas Helgstrand für sein Land, der aufgrund eines Videos, das seine Angestellten bei brutalen Trainingsszenen zeigt, für anderthalb Jahre vom dänischen Verband suspendiert worden war. Mit 71,335 Punkten kam er auf Platz 17.
Herausragende Dänin war aber Cathrine Laudrup-Dufour auf der 16-jährigen Freestyle, die mit 80,823 Prozent den Grand Prix gewann und nun als Favoritin für die beiden Einzeltitel gilt. Die Stute wurde früher von Charlotte Dujardin, der Olympiasiegerin 2012 und 2016, geritten, und nach Dänemark verkauft, noch bevor Dujardin wegen eines Videos, auf dem sie ein Pferd verprügelt, für ein Jahr gesperrt wurde. Losgelassen, aufmerksam und vertrauensvoll auch in den schwierigsten Lektionen – keinem Pferd sah man in Crozet lieber zu als Freestyle. Sie habe die letzten Monate nur wenige Turniere geritten, sagte Laudrup-Dufour, auch das CHIO Aachen ließ sie ausfallen. Aus gutem Grund: Ihre Ehefrau Rasmine Laudrup brachte kurz danach ihr erstes Kind zu Welt. Das wollte sie nicht verpassen. Aachen will sie nachholen, nächstes Jahr bei der Weltmeisterschaft.
