Süddeutsche Zeitung

DOSB-Präsident Thomas Weikert:Der Mann, der den deutschen Sport befrieden soll

Mit einem überzeugenden Ergebnis rückt Thomas Weikert an die Spitze des DOSB. Er präsentiert sich als Mann des Ausgleichs. Zugleich fällt er mit einer scharfen Formulierung an die Adresse der Politik auf - und muss mit einer pikanten Personalie in seinem Präsidium umgehen.

Von Johannes Aumüller, Weimar

Bisweilen klemmte die Choreografie an diesem Tag, der für den deutschen Sport den großen Neuanfang darstellen sollte. Zum Beispiel, als die Sitzungsleiterin Christa Thiel, früher Chefin des Schwimmverbandes, zum wichtigsten Tagesordnungspunkt kam: der Neuwahl des Präsidenten. "Gibt es Vorschläge?", fragte sie in den Saal des Weimarer Kongresszentrums - und dann war erst einmal Stille. Bis sich Ingo Weiss, Basketball-Chef und Sprecher der Spitzenverbände, erbarmen musste und dafür etwas machte, was es so noch nie gegeben haben dürfte bei der Präsidentenwahl eines Vereins: Er schlug im Namen der Spitzenverbände gleich zwei Kandidaten vor, Thomas Weikert und Claudia Bokel.

Das Duo stand nun schon seit Wochen fest, gecastet von einer Findungskommission. Aber irgendwie passte so ein schräger Moment zur Lage beim DOSB. Eine knappe Stunde später war Weikert mit einem sehr überzeugenden Ergebnis zum Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gewählt worden. 361 Stimmen bekam der Tischtennis-Funktionär, 86,6 Prozent. Eine Überraschung war das nicht. Er war ohnehin der Favorit gewesen; seine Rivalin hatte sich aufgrund der Corona-Umstände auch nur digital zuschalten lassen statt vor Ort in Weimar zu sein.

Viele im Sport halten Weikert, 60, wegen seiner ausgleichenden Art für genau den Mann, der den DOSB nach all den chaotischen Monaten befrieden kann. Als "Mannschaftskapitän eines starken Teams" präsentierte er sich in Weimar. "Ich bin ein bisschen überwältigt, man wird nicht alle Tage DOSB-Präsident", sagte er nach der Wahl: "Jetzt packen wir es gemeinsam an und dann kommen wir auch voran."

Weikert hat viel sportpolitische Erfahrung, zuletzt leitete er sieben Jahre lang den internationalen Tischtennis-Verband. Aber die Aufgabe, die ihm jetzt bevorsteht, ist gewaltig. Die Gräben und Verletzungen im Sport sind immens, das Image des DOSB ist schlecht, die Beziehungen zu wichtigen Partnern wie dem Berliner Politikbetrieb oder auch dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) sind schwer ramponiert. Das Vertrauen wieder herzustellen, das sei die Kernaufgabe, sagte Weikert - wobei er erkennbar bemüht ist, nicht zu düstere Töne anzuschlagen. "Es ist nicht alles so schlecht, wie es nach außen dringt."

"Frau Baerbock soll die Kirche einfach mal im Dorf lassen", sagt Weikert

Aber der nette Herr Weikert kann auch schärfer formulieren. Das richtet sich am Tag seiner Wahl aber nicht an den Sport, sondern an die Politik. In der Pressekonferenz sollte er Stellung dazu beziehen, dass die designierte Außenministerin Annalena Baerbock mit Blick auf die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking schon von einem Boykott sprach. "Frau Baerbock soll die Kirche einfach mal im Dorf lassen, das sage ich ganz deutlich. Boykott hat noch nie jemandem etwas gebracht", sagte Weikert - wobei er zugleich ein paar kritische Worte zur Menschenrechtslage in China oder Katar formulierte.

Der Sport möchte diesen Tag in Weimar als Neuanfang verstanden wissen nach dem turbulenten Finale der Amtszeit von Alfons Hörmann. In Teilen gelang das durchaus, weil am Ende neben Weikert ein komplett neues Präsidium steht. Die drei Kandidatinnen, die schon im alten Führungsgremium saßen und trotzdem im Amt bleiben wollten, erhielten katastrophale Ergebnisse. Dafür sind nun die frühere Bahnrad-Olympiasiegerin Miriam Welte (377 Stimmen), die frühere Para-Sportlerin Verena Bentele (352), die Kinderärztin Kerstin Holze (349), der CSU-Politiker Stephan Mayer (257) und Oliver Stegemann (Präsident des Sportakrobatik-Verbandes/228) im Präsidium. Auch den Vorstand will Weikert neu aufstellen, allerdings lässt er offen, ob neben der Vorstandschefin Veronika Rücker noch weitere Spitzenkräfte weichen müssen.

Doch trotz dieser Neuaufstellung schwelt das Hörmann-Thema weiter. Denn in der Affäre um die Folgen eines anonymen Briefes ("Kultur der Angst"), um die Erstellung von Gutachten und die Beauftragung von Rechtsanwälten sind noch viele Fragen offen, auch haftungsrechtliche. Am Samstag stimmte die Versammlung dennoch für eine Entlastung des Präsidiums und des Vorstandes, wobei der DOSB betont, dass sich diese nur auf die Tätigkeiten im Jahr 2020 beziehe.

Hörmann, der nach einer Corona-Erkrankung wie auch Rücker auf ärztlichen Rat hin in Weimar nicht anwesend war, versprach in einem Abschiedsbrief an die Verbände eine "lückenlose" Aufklärung aller Vorgänge aus den vergangenen sechs Monaten. Ein externer Rechtsanwalt soll dafür nun tätig werden. Aber parallel zu diesem Brief erneuerte Hörmann via Interview mit der Heimatzeitung den Vorwurf, dass es eine Intrige gegen ihn gegeben habe. "Es liegen uns umfangreiche Hinweise und Belege dafür vor, dass es sich um einen ganz gezielten Umsturz an der gesamten Spitze des DOSB handelte", sagte er der Allgäuer Zeitung. Der neue DOSB-Boss Weikert entgegnete dazu, dass er das nicht nachvollziehen und auch nicht verstehen könne. "Ich denke, da hat Herr Hörmann ein wenig überzogen", sagte er im Sportstudio - ein Gespräch zwischen den beiden soll es bald dennoch geben.

CSU-Mann Mayer wird gewählt. Dabei ist noch gar nicht klar, ob er das Amt auch ausüben darf

Zu den Komplikationen von Weikerts avisiertem Neuanfang gehört, dass es in seinem neuem Präsidium eine Personalie gibt, die aus mehreren Gründen ein großes Spannungspotenzial bietet: CSU-Mann Mayer. Der war noch vor vier Wochen selbst ein Kandidat fürs Präsidentenamt, zog aber bald zurück - nach seinen Angaben, um die Gräben im Sport nicht zu vertiefen. Nun trat er als Vize an, darf diese Funktion offiziell aber noch gar nicht ausüben. Er ist nämlich seit 2017 Staatssekretär im Bundesinnenministerium, das auch für Sport zuständig ist. In solchen Fällen muss erst ein spezielles Gremium der Bundesregierung eine Erlaubnis erteilen, und die liegt noch nicht vor. Anfang, Mitte Januar soll das so weit sein, versprach Mayer.

Abseits der rechtlichen Bewertung ist aber auch politisch-moralisch die Frage, ob es angemessen ist, wenn jemand so schnell die sportpolitische Seite wechselt. Der Vorsitzende des Berliner Landessportbundes, Thomas Härtel, formulierte auf der Bühne offen die Bedenken gegen Mayer, der auch kein gutes Ergebnis erreichte. Aber der CSU-Mann hat mächtige Verbündete; so setzten sich im Hintergrund vor allem die Vertreter der Teamsportarten für ihn ein, Basketball-Präsident Weiss und Fußball-Strippenzieher Rainer Koch.

Das könnte noch zu interessanten Konstellationen im Präsidium führen. Zumal Weikert und sein Führungsgremium erst einmal nur für ein Jahr gewählt sind. Schon im Dezember 2022 müssen sie sich wieder bestätigen lassen - und es ist die spannende Frage, als wie befriedet die Situation im deutschen Sport dann gilt.

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