Süddeutsche Zeitung

DOSB-Präsident Hörmann:Der Trick mit der Vertrauensfrage

In der Affäre um das Fehlverhalten von Präsident Alfons Hörmann ignoriert der DOSB die Empfehlung der Ethiker: Es soll zwar eine Vertrauensabstimmung geben - aber keine vorgezogenen Neuwahlen.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Es hat in den vergangenen Tagen offenkundig viel zu besprechen gegeben in den Führungsgremien des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Seit Montag lag eine eindeutige Empfehlung der hauseigenen Ethikkommission vor, wie der Verband ob der gravierenden Vorwürfe aus der Mitarbeiterschaft gegen Präsident Alfons Hörmann weiter vorgehen soll. Doch dann brauchte die DOSB-Führung drei Tage, um diese zu diskutieren. Danach war zwar klar, dass ein in der Geschichte der deutschen Sportpolitik einmaliger Schritt ansteht. Aber zugleich vollzog sich ein geschicktes Manöver, das Hörmann zugute kommen könnte.

Der DOSB erweckt zwar den Anschein, als setze er das Votum der Ethiker um. Tatsächlich tut er es aber nicht. Denn es soll lediglich eine Vertrauensfrage geben, aber nicht - wie empfohlen - auch vorgezogene Neuwahlen.

Das Präsidium, so teilte es der Dachverband am Donnerstag mit, sei zu dem Schluss gekommen, "der Empfehlung der Ethik-Kommission zu einer Vertrauensabstimmung zu folgen". Hörmann und das ganze Präsidium würden sich bald einer solchen Frage stellen. "Zum Wohl des deutschen Sports" solle dies "zeitnah und unmittelbar" nach den Olympischen und Paralympischen Spielen, die am 5. September enden, in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung umgesetzt werden. So wolle man dies den Sport-Organisationen nun vorschlagen.

Wird über jedes Präsidiumsmitglied separat abgestimmt - oder en bloc?

Dadurch entsteht der Eindruck, dass der DOSB eine rasche Klärung anstrebt, um die aufgewühlte Stimmung zu beruhigen. Allerdings wird zugleich kaschiert, dass der DOSB einen maßgeblichen Punkt der Ethiker-Empfehlung ignoriert. Dort ging es nicht nur um eine "Vertrauensabstimmung", sondern auch darum, dass bei der nächsten geplanten Mitgliederversammlung im Dezember "vorgezogene Neuwahlen" stattfinden sollten - also bereits Ende 2021 statt Ende 2022. "Nur eine vorgezogene Wahl des gesamten Präsidiums", so die klare Botschaft der Ethiker, "kann zu einer dauerhaften Vertrauensstiftung im deutschen Sport führen." Doch im Beschluss des DOSB-Präsidiums ist von vorgezogenen Neuwahlen nun keine Rede mehr.

Zwischen einer reinen Vertrauensabstimmung und vorgezogenen Neuwahlen besteht ein gravierender Unterschied. Bei einer Neuwahl könnten auch andere Funktionäre für den Spitzenposten antreten, die anwesenden Mitglieder hätten die Wahl zwischen zwei oder vielleicht sogar mehreren Kandidaten. Bei einer Vertrauensabstimmung hingegen stünden allein die aktuellen Amtsinhaber auf der Bühne. Offenkundig ist sogar noch unklar, ob die DOSB-Mitglieder über Hörmann und die anderen sieben Präsidialen jeweils separat abstimmen - oder en bloc über alle. Aus der Mitteilung des Dachverbandes geht dies nicht eindeutig hervor, Nachfragen dazu beantwortet er nicht.

Zudem wird mancherorts die Frage diskutiert, welchen Effekt es haben könnte, falls die deutsche Mannschaft mit einer guten Medaillen-Ausbeute aus Tokio zurückkäme: Würde sich Hörmann, unter dem Eindruck der Spiele, vielleicht sogar als der Mann feiern lassen können, der den deutschen Spitzensport wieder vorangebracht hat?

Der DOSB sagt zur Nachfrage, warum man der Empfehlung der Ethiker nach vorgezogenen Neuwahlen nicht nachgekommen sei, es habe sich in den Diskussionen am Dienstag und am Mittwoch abgezeichnet, "dass das Tempo gegenüber der Empfehlung noch erhöht werden solle, um die für den Sport notwendige Klarheit möglichst zeitnah zu bringen". Die Frage, warum man auf vorgezogene Neuwahlen verzichtet, beantwortet das nicht; und wirklich viel Zeit bringt das Manöver ja auch nicht, irgendwann im September statt Anfang Dezember, zirka zehn Wochen.

Athletenvertreter Koch distanziert sich von der Entscheidung

In jedem Fall war der Spruch sogar innerhalb des Präsidiums umstritten. Athletenvertreter Jonathan Koch, der sich schon kürzlich von einer Pro-Hörmann-Resolution distanzierte, folgte ihm nicht. Ethik-Chef Thomas de Maizière sagt zum Umgang des DOSB mit seinen Empfehlungen nichts.

Damit könnte sich Hörmann womöglich noch länger an der Macht halten. Dabei geben nach Meinung seiner Kritiker die jetzigen Umstände genügend Anlässe für einen Rücktritt. Sein Führungsstil ist schon lange umstritten. Anfang Mai war im Namen der Mitarbeiterschaft ein anonymer offener Brief mit zahlreichen Vorwürfen gegen Hörmann ("Kultur der Angst") publiziert worden. Das Urteil der Ethiker nach einer Untersuchung fiel ungemein hart aus. Die "übergroße Mehrheit" der Hinweisgeber habe den Tenor des Briefes bestätigt, hieß es: In der jetzigen Art könne es "nicht weitergehen". Es fehle offensichtlich "wechselseitig an ausreichendem Vertrauen und an dem notwendigen Zutrauen" in die Fähigkeit der Mitarbeiter, zudem gebe es "zu viel Selbstbespiegelung, Demotivation und Gerüchte, Unzufriedenheit und Unklarheiten". Ihre Conclusio: "Das ist ein Zustand, der auch mit dem Führungsverhalten von Präsidium und Vorstand zusammenhängen muss."

Hörmann sagte zu dem Ethiker-Bericht nun, die "von uns initiierte Untersuchung" der Kommission habe "einige der erhobenen Vorwürfe entkräftet, aber zugleich eine deutlich unterschiedliche Wahrnehmung der Führungssituation zum Ausdruck gebracht". Deshalb werde man die Umsetzung der Vertrauensabstimmung und alle weiteren notwendigen Maßnahmen auf den Weg bringen.

Anders als die Ethiker zählt er vorgezogene Neuwahlen offenkundig nicht dazu.

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