DOSB-Skandal:Alle distanzieren sich von Hörmann - aber viel zu spät

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Abschied mit Absatzbewegungen: Alfons Hörmann hinterlässt im deutschen Sport einen gewaltigen Scherbenhaufen. (Foto: Roskaritz/Eibner/imago)

Der scheidende DOSB-Präsident hat eine vermeintliche Hinweisgeberin unter Druck gesetzt - und plötzlich will niemand im Sport mehr etwas mit seinen Methoden tun haben. Dahinter steckt wohl weniger Rückgrat als Kalkül.

Kommentar von Claudio Catuogno

Es ist fast niemand mehr übrig in der Führungsriege des Deutschen Olympischen Sportbunds, der sich noch nicht von Alfons Hörmann distanziert hat. Jeder und jede scheint gerade klarstellen zu wollen, nichts davon gewusst zu haben, dass der DOSB-Präsident und seine Vorstandschefin Veronika Rücker das ehemalige Vorstandsmitglied Karin Fehres von einem Anwalt unter Druck setzen ließen, um sie zu einem Geständnis in der sogenannten "Brief-Affäre" zu drängen.

Im Mai 2021 war ein anonymes Schreiben aufgetaucht, in dem Hörmann im Namen von DOSB-Mitarbeitern vorgeworfen wurde, er verbreite eine "Kultur der Angst". Was tat der DOSB? Er fahndete mittels Sprachgutachten nach dem vorgeblichen Verfasser, stieß auf Fehres (die den Verband 2020 ohne Begründung hatte verlassen müssen) - und schickte den Anwalt los: Fehres solle zugeben, dass sie "allein" gehandelt habe, dann verzichte man auf Strafanzeige und Zivilklage gegen sie. Fehres hingegen schwört, nichts mit dem Schreiben zu tun zu haben, und machte den Vorgang öffentlich. Und Hörmann? Grotesker kann man den "Kultur der Angst"-Vorwurf wohl nicht bestätigen! Bei den Neuwahlen am 4. Dezember, welche die DOSB-Ethikkommission nach Prüfung der Führungskultur im Verband empfohlen hatte, tritt Hörmann nicht mehr an.

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Womöglich haben Hörmann und Rücker dem DOSB auch finanziellen Schaden zugefügt

Am Wochenende waren es nun die Vizepräsidentinnen Gudrun Doll-Tepper (Bildung) und Petra Tzschoppe (Gleichstellung), die mit Blick auf das Anwaltsschreiben versicherten, dass sie "zu keiner Zeit und an keiner Stelle über dieses Vorgehen informiert geschweige denn beteiligt" gewesen seien. Zuvor hatten Leistungssport-Vorstand Dirk Schimmelpfennig, Sportjugend-Geschäftsführerin Christina Gassner und Finanzvorstand Thomas Arnold mitgeteilt, dass sie in die zentralen Details der Affäre nicht eingebunden gewesen seien. Das von Hörmann und Rücker freigegebene Drohschreiben sei sogar "einem gemeinsamen Beschluss des Vorstandes zuwider" gelaufen! Ein knackiger Vorwurf, wenn man bedenkt, dass so ein Anwalt immer auch Geld kostet. Hörmann und Rücker hätten dem DOSB dann womöglich auch finanziellen Schaden zugefügt.

Der Scherbenhaufen in Deutschlands oberstem Sportverband ist jedenfalls spektakulär, ebenso spektakulär erscheinen die Absatzbewegungen. Allerdings: In drei Wochen ist Hörmann Geschichte, Rücker muss ihr Amt am Jahresende aufgeben. Da ist es wohl weniger Anstand als sportpolitisches Überlebenskalkül, wenn diejenigen, die beim DOSB gerne weitermachen wollen, sich jetzt möglichst Hörmann-fern geben.

Anlass, sich vom "System Hörmann" zu distanzieren, hätte es in den vergangenen Jahren reichlich gegeben. Doch die Gremien im Sport sind selten mehr als servile Abnickerrunden - frag nach beim Deutschen Fußball-Bund, wo sich trotz konkretester Vorwürfe gegen den Interimspräsidenten Rainer Koch viele Amateurvertreter nicht mal trauen, eine kritische Nachfrage zu stellen. Als beim DOSB im Mai das anonyme Schreiben öffentlich wurde, gab das Präsidium eine Stellungnahme heraus: Die Mitglieder zeigten sich "verwundert" und konnten es dann gar nicht unterwürfig genug formulieren: "Unserem Präsidenten Alfons Hörmann sprechen wir das uneingeschränkte Vertrauen und unsere vollumfängliche Unterstützung aus." Gezeichnet: Doll-Tepper, Tzschoppe und weitere. Nur der Athletenvertreter, der ehemalige Ruder Jonathan Koch, stellte klar: In seinem Namen sei diese Erklärung nicht abgegeben worden. Obwohl man ihn daruntergeschrieben hatte.

Dagmar Freitag twittert: Auf der Tagesordnung stehe doch auch der Tagesordnungspunkt "Entlastung"

Dass Hörmanns autoritärer Führungsstil in dem anonymen Schreiben treffend dargestellt war, sagen viele im deutschen Sport, seit Jahren. Anwaltsschreiben ließ Hörmann stapelweise verschicken, gegen Medien, auch gegen den Triathlon-Präsidenten Martin Engelhardt, der 2018 erfolglos gegen ihn angetreten war, und der später in einem Arbeitspapier festgehalten haben soll, "ständige Lügen" und Hörmanns Umgangsverhalten hätten "das Vertrauen zu den Partnern des Sports zerstört". Immer meldete sich dann dieselbe Berliner Kanzlei, oft erfolglos - weshalb auch das jetzt zu klären wäre: Was haben all diese Verfahren gekostet? Wie viel Geld, das für den Sport gedacht war, wurde vom DOSB in die persönlichen Abwehrschlachten eines zunehmend entrückten Präsidenten gesteckt?

"Wenn das nicht spätestens bei der Mitgliederversammlung Anfang Dezember von den Mitgliedsorganisationen hinterfragt wird, verstehe ich die Welt nicht mehr", twitterte jetzt die langjährige Sportausschuss-Vorsitzende im Bundestag, die SPD-Politikerin Dagmar Freitag. Auf der Tagesordnung stehe schließlich nicht nur die Neuwahl mit Claudia Bokel (Fechtverband) und Thomas Weikert (Tischtennisverband) als verbleibende Kandidaten. Sondern, so Freitag weiter, "auch der TOP Entlastung". In der Tat wäre es angezeigt, Hörmann nicht zu entlasten, ehe die Vorwürfe und der mögliche finanzielle Schaden nicht aufgearbeitet sind. Dafür wäre aber ein bisschen mehr Rückgrat der sogenannten Sportfamilie nötig als für die Last-Minute-Distanzierung von einem ohnehin gescheiterten Präsidenten.

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