Nun liegt er also vor, der Abschlussbericht über die turbulenten Monate, die der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) im Vorjahr unter der Führung seines früheren Präsidenten Alfons Hörmann durchlebte. Knapp 50 Seiten ist er lang, die Kernbotschaft lautet, dass das Handeln der alten Verbandsspitze zwar "fragwürdig" gewesen sei, aber strafrechtlich nicht relevant. Und damit soll das Thema jetzt offenkundig abgeschlossen sein.
Das ist es mitnichten, im Gegenteil. Bisher waren die DOSB-Unruhen zuvorderst eine Affäre des vor knapp einem Jahr ausgeschiedenen Ex-Bosses Hörmann. Doch spätestens mit der Veröffentlichung des Gutachtens und dem Umgang damit sind sie auch eine Affäre der neuen Führung um den Präsidenten Thomas Weikert und den Vorstandsvorsitzenden Torsten Burmester.
Die Kommission, bestehend aus der Sportfunktionärin Christa Thiel und dem ehemaligen BGH-Richter Clemens Basdorf, sollte ja mithelfen, den aufgewühlten deutschen Sport zu befrieden. Alle wesentlichen Punkte, so sagte es DOSB-Chef Weikert zu Jahresbeginn, müssten so aufgearbeitet werden, dass "alle damit leben können". Doch nun wird es viele Beteiligte aus dem deutschen Sport geben, die mit dem Resultat eher nicht leben können.
Das Gutachten selbst offenbart neben bemerkenswert klaren und kritischen Passagen erstaunliche Schwächen. So wird die Verantwortung von denen, die heute noch im deutschen Sport wichtige Positionen innehaben, weitgehend umkurvt. Entscheidende Stellen des Berichtes sind geschwärzt, darunter alle Personennamen außer denen von Hörmann und der früheren Vorstandsvorsitzenden Veronika Rücker, die immer fest an der Seite des Präsidenten agierte. Der DOSB erklärt dies mit persönlichkeitsrechtlichen Gründen, aber es wirkt geradezu ulkig, wenn er zugleich als Konsequenz aus dem Bericht mehr "Transparenz" verspricht.
Aber vor allem steht mit dem Gutachten eine ungeheure Zahl im Raum. Mehr als 700 000 Euro seien für externe Berater und Rechtsanwälte ausgegeben worden - in der Folge jenes anonymen offenen Briefes aus dem Frühjahr 2021, der Hörmann im Namen von DOSB-Mitarbeitern eine "Kultur der Angst" vorwarf und der letztlich zu Hörmanns Aus führte. Ein besonders heikler Kostenpunkt: Hörmanns Versuch, unbedingt den Verfasser ausfindig machen, inklusive Sprachgutachten und teuren Anwälten. Welche Beratung wie viel genau gekostet hat, ist gleichfalls geschwärzt. Aber bei allem Verständnis dafür, dass es bei solch gravierenden Anschuldigungen das gute Recht ist, sich zu verteidigen - eine solche Größenordnung sprengt jeden Rahmen.
Wie kommen solche Ausgaben wohl bei der Basis an?
Doch im neuen DOSB passiert nun: quasi nichts. Die Gutachter kommen zum Schluss, dass das Volumen "auffällig" und "bedenklich" sei, man aber bei jeder einzelnen Beratung sagen könne: "Völlig unsinnig war es nicht." Und die neue DOSB-Führung schafft es, in ihrer Stellungnahme zum Report der Kommission diesen exorbitanten Betrag nicht mal zu erwähnen, geschweige denn zu bewerten oder zu verurteilen. Das ist ein ziemlich schräges Signal.
Strafrechtliche Bewertungen sind ja nur das eine; das andere ist es, wie so etwas bei der Basis des vielbeschworenen Sportdeutschlands ankommt. 700 000 Euro sind gewaltig im DOSB-Kosmos, in dem - nur mal zur Orientierung - der Verband jedes Jahr um die vier Millionen Euro an Mitgliedsbeiträgen einstreicht und der Kernhaushalt zirka 20 Millionen Euro beträgt. Und noch mehr sind sie es beim Blick auf die knapp 90 000 Vereine an der Basis und die rund 100 Mitgliedsorganisationen des DOSB mit ihren vielfältigen Finanzsorgen.
Der deutsche Sport versucht nach all den Turbulenzen der Vorjahre gerade, neues Vertrauen aufzubauen - auch mit Blick auf die xte Olympia-Bewerbung, an der er gerade bastelt. Wenn man bei derartig zentralen Fragen so unzureichend vorgeht, wird es damit eher nichts.