DOSB:Das nächste Aus in der Brief-Affäre

DOSB - Veronika Rücker

Veronika Rücker wird am 31. Dezember als Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zurücktreten.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Die Turbulenzen beim DOSB halten an: Nach Präsident Alfons Hörmann muss nun auch die Vorstandschefin Veronika Rücker ihren Rückzug ankündigen - weil auf ein früheres Vorstandsmitglied massiver Druck ausgeübt wurde.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt/München

Am 6. Mai war es, als bei führenden deutschen Sportfunktionären und einigen Medien ein bemerkenswertes Schreiben landete. Es war ein anonymer Brief, angeblich verfasst im Namen von Mitarbeitern des Deutschen Olympischen Sportbundes, und es beinhaltete gravierende Vorwürfe - insbesondere über den Führungsstil, der im Sportdachverband unter der Verantwortung von Präsident Alfons Hörmann herrsche. Von einer "Kultur der Angst" war die Rede.

Dies dürfte der folgenreichste Brief in der Geschichte des DOSB gewesen sein. Denn zunächst führte er dazu, dass Hörmann, 61, nach einer Untersuchung durch die Ethikkommission und einigem Beharrungskampf ankündigte, vor der Mitgliederversammlung in Weimar Anfang Dezember zurückzutreten. Und nun stolpert auch die Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker, 51, über die Weiterungen dieses Themas. Am Freitagabend teilte der DOSB mit, dass sich Rücker und das Präsidium einvernehmlich auf eine Trennung zum Jahresende geeinigt hätten. Der wichtigste deutsche Sportverband wird also eine komplette neue Führungsmannschaft bekommen.

Rücker hatte den Posten 2018 als Nachfolgerin von Michael Vesper übernommen. Dass sich Hörmann damals für sie entschied, war überraschend. Nun blieb ihr nach dem Ablauf der vergangenen Tage wohl kaum eine andere Wahl als der Rückzug. Zwar war die Vorstandschefin schon im Sommer in die Kritik geraten, weil die Vorwürfe bezüglich des Führungsstils nicht nur Hörmann betrafen, sondern die komplette Leitung des Hauses. Und es war ohnehin schwer vorstellbar, dass die stets Hörmann-nahe agierende Vorstandschefin nach der Wahl eines neuen Präsidenten mit diesem zurechtkommen würde. Aber zum Verhängnis wurde ihr nun ein Vorgang, der in dieser Woche publik wurde.

Am Mittwoch hatte das frühere DOSB-Vorstandsmitglied Karin Fehres, deren Vertrag Ende 2020 aus nie richtig erklärten Gründen nicht verlängert worden war, in einem Brief an führende Funktionäre berichtet, dass sie von der DOSB-Spitze um Hörmann und Rücker unter Druck gesetzt worden sei. In einem anwaltlichen Schreiben wurde sie dazu gedrängt zuzugeben, dass sie die Autorin des anonymen Briefes vom Mai gewesen sei. Sollte sie das nicht tun, so die unverhohlene Drohung, komme es zu einer Strafanzeige und einer Zivilklage. Fehres bezeichnete die Unterstellung als "absurd" und "haltlos". Weder habe sie die Mail verfasst noch in irgendeiner Form daran mitgewirkt.

In der Rückschau könne das Vorgehen "unverhältnismäßig" erscheinen, heißt es nun

Hörmann und Rücker begründeten das Vorgehen in einer Erklärung nun damit, dass es der DOSB als seine Pflicht und seine Verantwortung angesehen habe, die Urheberschaft des anonymen Briefes zu klären. Deshalb habe man einen Sprachgutachter beauftragt, das Schreiben zu untersuchen - und ganz offenkundig hat man danach eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit für die These gesehen, dass das Schreiben aus Fehres' Feder stamme. Auf der Grundlage des Gutachtens habe man zwei Klärungsversuche mit Fehres unternommen, heißt es vom DOSB. Um den Vorgang nicht weiter eskalieren zu lassen, hätten der Vorstand und Hörmann als persönlich Betroffener Ende Oktober entschieden, keine weiteren rechtlichen Schritte zu unternehmen.

"Wir können nachvollziehen, dass das gewählte Vorgehen in der Rückschau unverhältnismäßig erscheint und zurecht kritisiert wird", heißt es in der Erklärung von Hörmann und Rücker. Das anwaltliche Schreiben sei nur von ihnen freigegeben worden. "Wir bedauern, wenn durch das Vorgehen der Eindruck entstanden ist, dass Frau Dr. Fehres in ungebührender Form unter Druck gesetzt werden sollte."

Damit endet die Amtszeit von Hörmann mit einem Vorgang, der seine acht Jahre an der DOSB-Spitze bestens illustriert. Denn viele Beteiligten im und um den Sport störten sich an Hörmanns Auftreten und fühlten sich von ihm unter Druck gesetzt. Die Brüche im Sport sind so groß, dass die Vorstellung schwerfällt, wie Hörmann und Rücker nun den "geordneten Übergang" bewerkstelligen wollen, den sie in ihrer Erklärung vom Freitag versprechen.

Mit der Ankündigung von Rückers Aus verschärft sich die Aufgeregtheit beim DOSB also noch weiter - und auch der Machtkampf rund um die geplante Neuaufstellung. Nach Hörmanns Rückzugsankündigung hatte eine Findungskommission zuletzt drei Kandidaten für dessen Nachfolge vorgeschlagen: den Tischtennis-Funktionär Thomas Weikert, den CSU-Politiker Stephan Mayer sowie Claudia Bokel, die Präsidentin des Deutschen Fechterbundes. Am Sonntag in Düsseldorf soll sich das Trio den Mitgliedsorganisationen des deutschen Sport erst einmal vorstellen.

Aber nicht nur der Präsident wird in Weimar neu gewählt, sondern auch alle Vize-Posten. Kaweh Niroomand (Wirtschaft/Finanzen) und Andreas Silbersack (Breitensport) haben bereits angekündigt, nicht mehr anzutreten. Und nach der Ankündigung von Rückers Vertragsende wird nun noch ein weiterer hochrangiger Job zu vergeben sein. Der Posten als Vorstandschef wird sicherlich auch Verhandlungsmasse sein, wenn es darum geht, Mehrheiten für einen neuen Präsidenten zu finden.

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