Süddeutsche Zeitung

Dortmunder 2:1 gegen Wolfsburg:Frische Impulse zur rechten Zeit

Drei Punkte trotz müden Beinen und Köpfen: Borussia Dortmund tut sich gegen Wolfsburg lange schwer und wandelt am Rande der Niederlage. Erst in Hälfte zwei drehen die Gastgeber die Partie - vor allem weil Stürmer Robert Lewandowski kaum aufzuhalten ist.

Von Johannes Mitterer

Nur kurz zuckte Jürgen Klopp mit den Mundwinkeln, als er vor dem Bundesliga-Spiel gegen den VfL Wolfsburg auf die Dortmunder Gefühlslage angesprochen wurde. "Wir haben gespürt, dass es unsere Schuld war, dass wir uns anhand dieser Leistung beurteilen lassen müssen", sagte er mit Blick auf die Niederlage gegen Real Madrid und seinen feurigen Auftritt im ZDF unter der Woche.

Klopp hatte sein Poker-Face wiedergefunden, das ihm bei Niederlagen gerne mal entgleitet. So geschmeidig er vor und nach Siegen mit den Reportern parliert, so tiefe Einblicke gewährt er in seine Gefühlslage, wenn er sich zusätzlich zu sportlichem Misserfolg noch mit unliebsamen oder unqualifizierten Fragen konfrontiert sieht. Wenn der Dortmunder Seitenlinienpräsident zuletzt die Medien adressierte, durften sich einige Journalisten und TV-Experten auf gepfefferte Antworten einstellen. "Darüber waren wir enttäuscht, aber nicht wütend", fügte Klopp milde an.

Noch besser erholt dürfte sich Klopp nach dem 2:1 (0:1)-Sieg seiner Mannschaft den Reportern im Innenraum des Dortmunder Stadions gestellt haben, die Emotionen, positive wie negative, hatte er sich schon an der Seitenlinie von der Seele geschrien. Trotz müder Beine und Rückstand (Ivica Olic/ 33. Minute) festigte der BVB dank der Tore von Robert Lewandowski (51.) und Marco Reus (77.) mit drei Punkten den zweiten Tabellenplatz.

"Es war heute sehr ein sehr schwieriges Spiel, aber wir sind sehr froh, dass wir gewonnen haben", sagte Lewandowski, "ich hatte wegen meiner Sperre die ganze Woche frei, deswegen hatte ich heute sehr viel Kraft." Der Pole avancierte in der zweiten Hälfte zum Dortmunder Energizer - er war phasenweise von keinem Wolfsburger mehr zu halten. "Wenn du so eine erste Halbzeit spielst, muss du das nach Hause bringen", ärgerte sich VfL-Coach Dieter Hecking. Tatsächlich waren die Gäste dem BVB zunächst deutlich überlegen.

Doch von vorne: Auf einer Position mussten die gebeutelten Dortmunder auch gegen Wolfsburg wieder verletzungsbedingt rotieren: Roman Weidenfeller fehlte wegen einer Armverletzung, für ihn rückte Mitchell Langerak zwischen die Pfosten. Auch den Wolfsburgern fehlte mit Diego Benaglio erneut ihre Nummer 1, für ihn stand Max Grün in der Startelf.

Die Dortmunder begannen aktiv, ging es schließlich darum, sich die Konkurrenz um den zweite Tabellenplatz vom Leib zu halten. Nur sieben Minuten dauerte es, bis Henrikh Mkhitaryan Christian Träsch den Ball vom Schuh stibitzte und auf Marco Reus querlegte, Grün musste erstmals zugreifen. Aber die Probleme, die die Dortmunder schon im Viertelfinal-Spiel gegen Real Madrid geplagt hatten, waren auch gegen Wolfsburg offensichtlich.

Fehler im Spielaufbau erlaubten den gut sortierten Wolfsburgern gefährliche Gegenstöße. Zum Beispiel, als Mats Hummels an der Mittellinie den Ball vertändelte und Ivan Perisic nach einem langen Sprint zur Grundlinie auf Ivica Olic querlegen konnte (10.). Oder als Marco Reus die Rückwärtsbewegung verschlief und erneut Perisic nach innen flankte. Beide Male griff Langerak ein (20.). Besonders auf der linken Abwehrseite mangelte es im Zusammenspiel zwischen Verteidiger Großkreutz und Flügelrenner Reus, fast jeder gefährliche Wolfsburger Angriff lief über diese Seite.

Überhaupt fehlte es den Dortmundern an der nötigen mentalen und körperlichen Frische, um nach verlorenen Zweikämpfen dem Ball hinterherzuhetzen und ihr gewohntes Gegenpressing an den Mann zu bringen. Das konnte nicht lange gut gehen: Rodriguez flankte von links zum zweiten Pfosten, wo Junior Malanda mit dem Kopf wartete. BVB-Schlussmann Langerak ließ noch abklatschen, doch Ivica Olic stand bereit. Der 34-jähirge Kroate staubte zum 1:0 für Wolfsburg ab (33.) - die Dortmunder wirkten arg angeknockt.

Nach zwei erfolglosen Gelegenheiten durch Reus musste sich der BVB dann noch vor der Pause glücklich schätzen, nicht das 0:2 kassiert zu haben. Erneut ließ Hummels seinen Gegenspieler nach einem verlorenen Zweikampf ziehen und beobachtete, wie Kevin de Bruynes Flankenball von Olics Knie an die Latte, zurück ans Knie und nochmal gegen die Latte sprang, bevor er aus der Gefahrenzone flog.

Klopp dürfte erkannt haben, dass seine müde Mannschaft frische Impulse gebrauchen konnte und schickte mit dem Seitenwechsel Erik Durm für Pierre-Emerick Aubameyang und Milos Jojic für Nuri Sahin aufs Feld. Und seine Mannschaft dürfte gemerkt haben, dass der kürzeste Weg zurück in die Partie über Standardsituationen führte. So trat Reus eine Ecke in den Wolfsburger Fünfer zu Lewandowski, der den Ball mit dem siebten Halswirbel zum 1:1 über die Linie drückte (51.).

In der Folge wurde deutlich, dass Lewandowski der wichtige Impulsgeber sein kann, der den Dortmundern gegen Real gefehlt hatte. Der Mittelstürmer forderte Bälle, leitete Konter ein und war für die Wolfsburger Hintermänner zu keinem Zeitpunkt zu fassen. Nur: Wenn er den Ball nach vorne trug, fehlte ein gefährlicher Torjäger, den er anspielen konnte. Sowohl Mkhitaryan (70.) als auch Reus (74.) vergaben nach starkem Zuspiel des Polen aus aussichtsreicher Position. Und wenn er den Ball nicht hatte, fehlte ein Spielgestalter, der den Mittelstürmer in Szene setzte.

Zumindest hatten die Dortmunder den Wolfsburgern die Kontrolle über das Spiel abgerungen. Und am Ende wurden sie für ihre Bemühungen doch noch belohnt: Als Durm eine Flanke aus dem Halbfeld in den Strafraum zirkelte, griff Schlussmann Grün zwar energisch zu - doch Reus stand goldrichtig. Denn Grün streifte bei seiner Landung den Ball an dessen Oberarm ab. Der Angreifer bedankte sich, indem er den losen Ball in die Maschen trat: 2:1 für Dortmund. An der Seitenlinie brüllte die Erleichterung aus Klopps entgleistem Pokerface.

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