Am Samstagabend um kurz nach 18 Uhr stellte Jürgen Klopp klar, dass er nicht zurücktreten wird. Dass er nicht hinwirft, sondern weiter Trainer von Borussia Dortmund bleibt, auch wenn Klopp erstmals seit 31 Spielen in der Bundesliga wieder eine Niederlage erklären musste. Als "sehr bitter" bezeichnete er die 2:3-Pleite beim Hamburger SV, machte eine kurze Pause, sagte dann jedoch: "Wir werden trotzdem weitermachen."
Sein Hamburger Trainerkollege Thorsten Fink prustete nebenan, auch Klopp lächelte. Den Lacher hatte sich der Dortmunder Coach wieder mal abgeholt. Auch wenn er sich zuvor sehr geärgert hatte.
Es war eine schwer verdauliche Niederlage, die der BVB aus Hamburg mitbrachte, vor allem, weil sie so unnötig war. Allen drei Gegentoren durch Heung Min Son (2. und 59. Minute) und Ivo Ilicevic (55.) waren schwere Fehler in der Dortmunder Defensive vorausgegangen. Am Ende schafften es die Dortmunder Stürmer nicht, aus 26 Torschüssen (der HSV hatte sechs) und zehn Eckbällen (der HSV hatte zwei) mehr als die beiden Treffer von Ivan Perisic (46., 60.) zu erzielen. "Wir haben den roten Faden gar nicht erst gefunden", sagte Klopp.
Der Dortmunder Trainer hatte vieles gesehen, was ihm nicht gefiel. "Die Anfangsphase war schon richtig scheiße", klagte Klopp in markigen Worten: "Wir haben gesagt, dass der Gegner händeringend darum kämpft, in die Erfolgsspur zurückzukehren. Und wir fangen an mit Passspiel. Da sitzt man draußen und fragt sich: Wo waren die denn eben in der Sitzung?"
Auch Mannschaftskapitän Sebastian Kehl wusste von der eigenen Unzulänglichkeit zu berichten. "Im Endeffekt haben wir das Spiel ganz alleine entschieden. Zu viele Fehler hinten und vorne die Chancen nicht genutzt. Warum das so war, gehört nicht in die Öffentlichkeit", sagte Kehl. Mats Hummels ergänzte: "Wir wissen, dass wir heute sehr viel falsch machen mussten, um das Spiel zu verlieren, das haben wir leider."
Damit hatten Kehl und Hummels ihren Teamkollegen in der Analyse einiges voraus. Die anderen schlichen alle wortlos in die Kabine, von dort aus wortlos in den Bus. Auch die Jungnationalspieler Marco Reus und Mario Götze, die in der Bundesliga erstmals zusammen auf dem Platz standen. Keiner wollte ein Wort sagen. Der Rückstand auf den FC Bayern beträgt nun bereits fünf Punkte. Zu einem ziemlich frühen Zeitpunkt in der Saison.
Grundsätzliche Kritik an seiner Mannschaft wollte Trainer Klopp trotzdem nicht zulassen: "Solche Spiele kommen vor, da muss ich jetzt kein Fass aufmachen. Das wäre blödsinnig." Bereits am Dienstag muss der BVB zum Überraschungszweiten Eintracht Frankfurt, es wird das nächste schwere Auswärtsspiel, bevor anschließend Borussia Mönchengladbach nach Dortmund kommt. Das sind zwei anspruchsvolle Aufgaben binnen fünf Tagen. Klopp hat ein wenig Aufbauarbeit vor sich.
FC Bayern in der Einzelkritik:Wenn Thomas Müller hyperaktiv wird
Jérôme Boateng übt das Unsichtbarsein, Dante gibt sich als Nervensäge und Toni Kroos zeigt sein Talent beim Gärtnern. In der Pause kann Thomas Müller die Beine kaum still halten. Die Spieler des FC Bayern beim 2:0 gegen Schalke in der Einzelkritik.
Die Dortmunder haben jedenfalls die Gewissheit, dass die kommenden englischen Wochen nicht einfach werden. Nur wenige Tage nach dem hochemotionalen Last-Minute-Sieg in der Champions League gegen Ajax Amsterdam hat der BVB unerwartet beim HSV gepatzt. Bei einem Krisenklub, der nun ausgerechnet gegen den deutschen Meister seinen ersten Bundesligasieg seit fünf Monaten feiern kann. Und sein Glück nach der Partie kaum fassen konnte.
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In der vergangenen Saison, als Dortmund in der Champions League blauäugig von einer Verlegenheit in die nächste tapste, herrschte noch eine andere Situation. Da holte man sich in der Bundesliga das Selbstvertrauen zurück, lieferte beeindruckende Spiele. Nun muss der BVB beweisen, dass er in der Königsklasse erfolgreich sein und trotzdem die Spannung in der Bundesliga hochhalten kann. Dass die Mannschaft nach großen Aufgaben in der Champions League (neben Ajax geht es gegen Real Madrid und Manchester City) in der Lage ist, auch kleinere Aufgaben gegen Klubs wie Freiburg, Augsburg oder eben den HSV schadlos zu überstehen. Jener Spagat, den der FC Bayern seit einigen Jahren ziemlich gut hinbekommt. Weil die Spieler die Belastung gewohnt sind. Und der Kader letztlich doch um einiges breiter ist.
"Wir müssen uns darauf einstellen", sagte Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am Sonntagmittag im TV-Sender Sport 1: "Wir wussten dass es eine schwierige Saison wird. Wir haben nicht die Stärke zu sagen, wir maschieren da durch."
Die BVB-Spieler wirkten viel mehr so, als hätten sie nach dem Sieg gegen Amsterdam Probleme mit der Konzentration. Als wären sie gedanklich noch bei Ajax - oder vielleicht sogar schon einige Wochen weiter, bei Real oder ManCity. Die Anfangsphase schenkte Dortmund komplett her, schon nach wenigen Sekunden konnte der Hamburger Heung Min Son nach einer Flanke von Rafael van der Vaart frei einköpfen. "Ein Gegentor in der zweiten Minute kann man schon auf die Konzentration schieben", gestand Kapitän Kehl. Beim 2:1 durch Ilicevic funktionierte die Abseitsfalle nicht. Vor dem 3:1, ebenfalls durch Son, bekam der Koreaner den Ball wunderbar von Hummels aufgelegt.
Die Leistung der Dortmunder Stürmer war jedoch kaum besser. 26 Torschüsse hatten sie sich erarbeitet, das müsste normalerweise genügen, um den defensiv wackligen HSV mit einer gigantischen Packung zu demütigen. "Wir müssen sieben oder acht Tore schießen aus den Chancen, die wir haben", erklärte Hummels. Taten die Dortmunder aber nicht. Vor allem Robert Lewandowski und die eingewechselten Jakub Blaszczykowski und Julian Schieber vergaben herausragende Möglichkeiten oder scheiterten am sehr guten HSV-Keeper René Adler.
In der Nachspielzeit hatte Lewandwoski die letzte Chance auf den 3:3-Ausgleich - doch er knallte nicht mit aller Macht aufs Tor, sondern lupfte den Ball. Es war die falsche Entscheidung. Wie so oft an diesem Tag.