Dortmund schlägt Leverkusen:Endlich mal ein echtes Top-Spiel

Bayer 04 Leverkusen v Borussia Dortmund - Bundesliga

Im Zentrum des Jubels: Paco Alcacer erzielt zwei Tore zum 4:2 gegen Leverkusen.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Bayer Leverkusen spielt stark gegen Borussia Dortmund, geht 2:0 in Führung und hat sehr gute Chancen auf das 3:0.
  • Doch dann dreht Borussia Dortmund mit Hochgeschwindigkeits-Fußball das Spiel - Joker Paco Alcacer trifft doppelt.
  • Damit übernimmt der BVB die Tabellenführung und ist als einzige Mannschaft bisher ungeschlagen.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Die letzten drei Minuten im ehemaligen Ulrich-Haberland-Stadion, heutzutage BayArena, und Bayer Leverkusen gab wirklich alles, um dieses eine fehlende Tor doch noch zu schießen. Jeder nahm leidenschaftlich teil an der großen Hatz, längst hatte auch Torwart Lukas Hradecky sein Revier verlassen und stürmte mit - und dann fiel es tatsächlich noch, das Tor. Allerdings auf der anderen Seite: Paco Alcácer nahm geradewegs Kurs Richtung Leverkusener Strafraum, er ließ sich Zeit, Dominik Kohr, der letzte Leverkusener Verteidiger, hatte die Verfolgung längst aufgegeben, und so durfte der spanische Angreifer den Ball ins verwaiste Tor schieben und das 4:2 bejubeln, das alle Fragen beantwortete. Bayer Leverkusen: Zwei, Borussia Dortmund: Vier, das waren die Tatsachen, die der Stadionsprecher verkündete. Der BVB ging anschließend nicht nur als Sieger, sondern auch als Tabellenführer vom Platz.

Für die Anhänger von Bayer Leverkusen war es ein trauriger Start in den Samstagabend, für die Vermarkter und Verkäufer der Bundesliga war es ein gelungener Abschluss des Spieltags. Dieses in 200 Länder rund um den Erdball live übertragene Spiel hielt das Versprechen, das auf seinem Etikett stand, es war ein Top-Spiel vom Anfang bis zum Ende, nicht nur wegen der vielen Tore und der hohen Dosis Nervenkitzel, sondern weil sich beide Mannschaften um ihren Sport verdient machten, "das war schön für die Zuschauer, finde ich", hob Lucien Favre hervor, der BVB-Trainer.

"Tak, Tak, Tak" habe es vor dem 2:2 gemacht, schwärmt Lucien Favre

Für Heiko Herrlich war der ästhetische Mehrwert allerdings unerheblich. "Die Enttäuschung ist riesig", sagte der Leverkusener Trainer. Bayer hatte bis zur 65. Minute 2:0 geführt, und zum 3:0 hatten mehrmals bloß Kleinigkeiten gefehlt. Mal war es der Pfosten, wie bei Kevin Volland (55.), mal rettete BVB-Keeper Roman Bürki gegen Kai Havertz und Julian Brandt, mal verpasste Havertz freistehend den richtigen Kopfball.

Jener Kopfball geriet zum Schlüsselmoment der Partie. Hätte Havertz ihn ein wenig besser platziert, hätte er das 3:1 für Bayer erzielen können. So aber lief im Gegenzug ein Angriff, von dem Favre später lautmalerisch schwärmte: "Tak, Tak, Tak" habe es gemacht, als Marco Reus und Jadon Sancho in rasend schneller Passfolge über das Spielfeld kombinierten und dabei die Leverkusener Wendell und Kohr auf eine Weise abhängten, die für die Betroffenen peinlich war. Sancho zu Reus, Reus zu Sancho, Sancho zu Reus, alles in Hochgeschwindigkeit, aber mit höchster Präzision. So entstand das 2:2 in der 68. Minute, das für Bayer nach Jacob Bruun-Larsens Anschlusstor drei Minuten zuvor tatsächlich die Wirkung eines Doppelschlages hatte.

Sollte es etwa wieder einen richtigen Titelkampf gegen in der Bundesliga?

Auf einmal bemerkten die bis dahin strategisch und spielerisch überlegenen Leverkusener, dass sie für ihren 2:0-Vorsprung (Mitchell Weiser/9., Jonathan Tah/42.) hart hatten arbeiten müssen. Ihr Bewegungsdrang erlahmte, die Dortmunder hatten Aufwind, wozu vor allem die eingewechselten Angreifer beitrugen. Sancho und Alcácer veränderten das Bild zugunsten ihres Teams, was Bailey und Paulinho bei Bayer nicht gelang. Das 3:2 für den BVB folgte der Logik des Spielgeschehens. Hakimi servierte Alcácer die Flanke, und der spanische Torjäger machte seinem Ruf alle Ehre, indem er den Ball an Hradecky vorbei in die lange Ecke spitzelte.

Wieder hatte sich Bayers linke Seite mit Wendell und dem an akutem Formverlust leidenden Bailey als Schwachstelle erwiesen. Sven Benders Wutgebrüll beim Gang in die Kabine verriet, dass darüber noch zu sprechen sein wird in der Bayer-Kabine. "Die zweite Halbzeit spielen wir auf der linken Seite nicht mehr mit", fluchte er, und er tat das so laut, dass es auch die Unbeteiligten hören konnten und mussten - und wohl auch sollten.

Dieser Sieg nach einem scheinbar rettungslosen Rückstand ließ die Dortmunder noch ein ganzes Stück stolzer zurück als das 7:0 gegen den 1. FC Nürnberg am Mittwoch. "Das zeigt Mentalität, das zeigt Charakter, das zeigt Qualität, da ist alles drin", sagte Bruun-Larsen. Ein guter Tag für Borussia Dortmund, ein guter Tag für die Bundesliga. Für eine Weile zumindest darf man wieder auf einen echten Titelkampf hoffen in Deutschland.

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