Dortmund siegt 3:1:"Während der 90 Minuten ist es leichter"

Borussia Dortmund v Eintracht Frankfurt - Bundesliga

Das Team des BVB hält nach dem Spiel ein Trikot von Marc Bartra in die Luft.

(Foto: Alex Grimm/Getty Images)
  • Vier Tage nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus schaffen es die Spieler von Borussia Dortmund mit einer starken Leistung, Eintracht Frankfurt 3:1 zu schlagen.
  • Vor allem der wiedergenese Marco Reus liefert in der ersten Halbzeit ein starkes Spiel ab.
  • Trainer Thomas Tuchel attestiert seiner Mannschaft nach dem Spiel eine "außergewöhnliche Charakterleistung".

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Das Prozedere ist bekannt aus so vielen Begegnungen im Dortmunder Stadion: Wenn das Spiel abgepfiffen ist, machen sich die Profis in Schwarz-Gelb gemeinsam auf den Weg zur Südtribüne, um sich bei den Fans auf der größten Stehplatztribüne der Welt zu bedanken und zusammen mit ihnen eine kurze Party zu inszenieren, wenn es denn etwas zu feiern gibt.

Doch dieses Mal war es anders, wie so vieles, seit die Mannschaft des BVB am Dienstag Opfer eines Sprengstoffattentats geworden ist. Die Spieler hatten ein Trikot von Marc Bartra dabei, der bei der Detonation der drei Sprengkörper am rechten Arm verletzt worden war und am Tag des Spiels aus dem Knappschaftskrankenhaus in Dortmund entlassen wurde. Marco Reus legte das Leibchen mit der Nummer fünf vor der Reihe der Spieler auf den Rasen, die gemeinsame Feier mit den Fans war eher eine Andacht, sie fiel besinnlicher aus als gewohnt. "Während der 90 Minuten ist es leichter, wenn man das so nennen kann", sagte Kapitän Marcel Schmelzer: "Aber vor den Fans kommen die Gänsehaut-Momente. Da kommt alles raus, was du 90 Minuten unterdrückt hast. Dann ist es vorbei mit der Ablenkung."

In Dortmund sprechen sie jetzt viel über Dinge, die nichts mit Fußball zu tun haben

In Dortmund wird auch nach dem 3:1 (2:1) vor 81 360 Besuchern im ausverkauften Stadion viel gesprochen über Dinge, die nicht direkt mit Fußball zu tun haben. Die Worte von Tuchel hallen nach, der die Uefa mit deutlichen Worten kritisiert hatte, weil sie das Spiel gegen Monaco über die Köpfe der beteiligten Hinweg bereits am Mittwoch - dem Folgetag des Attentats - neu angesetzt hatte. Doch in der Frage der Sinnhaftigkeit eines Spiels keine 24 Stunden nach einem Terroranschlag gehen die Meinungen auch innerhalb des betroffenen Vereins signifikant auseinander.

Im Vergleich zu Tuchel vertritt Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke eine gegensätzliche Auffassung. Es sei richtig - ja geradezu sinnstiftend - trotz der traumatischen Vorkommnisse anzutreten. Wie schon gegen Monaco spiele die Mannschaft von Borussia Dortmund auch gegen Eintracht Frankfurt "nicht nur für uns. Wir spielen für alle". Es gehe darum, der Welt zu zeigen, "dass wir vor dem Terror nicht einknicken".

Fußballspiele als gesellschaftsrelevantes Ereignis, um die Demokratie zu verteidigen, das kann man durchaus so sehen. In diesem Punkt hat Watzke sogar Rückendeckung von höchster Stelle, wie Kanzlerin Angela Merkel dem 47-Jährigen in einem Telefonat versicherte. Auch Bundesinnenminister Thomas De Maizière hatte am Mittwoch als Gast im Dortmunder Stadion darüber gesprochen: "Wir lassen uns die Faszination des Fußballs nicht kaputt machen von Kriminellen."

Der BVB muss sich im Spagat üben

So weit so gut, nur hat die Protagonisten niemand um ihr Einverständnis gebeten, ob sie diese Vorbildfunktion überhaupt übernehmen wollen. Neben der Aufgabe, dem Trauma explodierender Sprengsätze Herr zu werden, bekam die Mannschaft von ihrem Boss noch eine zweite Mission. Ganz schön viel an Bürde für Athleten, die sich teilweise noch in einem Alter befinden, in denen sich andere Teenager auf ihr Abitur vorbereiten. Junge Männer, deren originäre Stärke darin besteht, dem Ball mit größtmöglicher Hingabe hinterherzujagen, sollen plötzlich einen höheren Auftrag erfüllen. Und das auch noch im Drei-Tage-Rhythmus, denn der Spielplan in den Wochen um Ostern ist gnadenlos.

Bis auf weiteres wird sich Tuchel im Spagat üben müssen, damit zurechtzukommen, einerseits Opfer eines Terrorakts zu sein, und andererseits weiter seinem Job nachzugehen, Fußballprofis zu Bestleistungen zu animieren. In den 90 Minuten gegen Eintracht Frankfurt gelang das recht überzeugend. Gästetrainer Nico Kovac sprach von einem "Fußballspiel, in dem in Anbetracht der Ereignisse vom Dienstag viel Normalität im Spiel war."

Das ist eine gute Nachricht, Borussia Dortmund hat nach dem Attentat auf seine Mannschaft einen Schritt geschafft, um den Alltag eines Fußballvereins zurückzugewinnen. Durch den Sieg bleibt der Revierklub im Rennen um die direkte Qualifikation für die Champions League. Hernach sprach Tuchel von der "guten Ausstrahlung" und der "hohen Intensität" bei seiner Mannschaft. Alles in allem zeuge dieser Auftritt angesichts der dramatischen Vorgeschichte von einer "ganz außergewöhnlichen Charakterleistung meiner Mannschaft. Das ist nicht hoch genug zu bewerten."

Reus kehrt zurück - und trifft direkt sehenswert zur Führung

Vielleicht hilft beim Bemühen die Leichtigkeit des Seins zurückzugewinnen ja, dass Marco Reus in die Stammformation des BVB zurückgekehrt ist. Gegen Frankfurt wirbelte der Nationalspieler eine Halbzeit über den Rasen und entwickelte dabei so viel Spielfreude, dass die therapeutische Wirkung kaum zu übersehen war. Schon nach zwei Minuten streichelte er den Ball mit der Hacke mit solcher Kunstfertigkeit zur Dortmunder Führung über die Linie, dass es Tuchel ein Lächeln auf die Lippen zauberte.

Schmelzer sprach davon, "wie gut es ist, dass Marco wieder da ist. Es macht riesig Spaß, mit ihm zu spielen". Es sind solche Erlebnisse, die es der Mannschaft erleichtern, positiv zu denken und ihren Weg fortzusetzen. Entscheidend, das machte der Kapitän deutlich, wäre jedoch etwas anderes: "Wir hoffen, dass der Anschlag auf uns bald aufgeklärt wird. Das würde uns beim Reinigungsprozess entscheidend helfen."

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