Anthony Modeste nach Dortmund:Eine Frohnatur für die ungewohnt kämpferische Truppe

1. FC Köln: Anthony Modeste gegen Borussia Dortmund

Hier waren sie noch Gegner: Anthony Modeste (links) läuft dem Dortmunder Raphael Guerreiro davon.

(Foto: Martin Meissner/AP)

Der BVB kämpft, kratzt und beißt zum Saisonauftakt - und steht ganz kurz vor der Verpflichtung eines neuen Stürmers.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Am Spiel lag's nicht, dass am Samstagabend gut 80 000 Zuschauer das Dortmunder Fußballstadion auch nach dem Abpfiff nicht verließen. Die gastgebende Borussia hatte recht mühsam mit 1:0 gegen Bayer Leverkusen gewonnen, und die Zuschauer mussten dann noch 23 Minuten im Stadion bleiben, weil die Polizei auf einem angrenzenden Parkplatz ein verwaistes Auto mit laufendem Motor und leeren Schusswaffen-Holstern entdeckt hatte. Den Halter fand man schließlich im Stadion, eine Gefahr schien nicht zu bestehen, die Fans durften heimgehen. Beim Warten hatte die Freude über einen Auftaktsieg geholfen, der zwar fußballerisch mäßig, dafür aber umso leidenschaftlicher ausfiel.

Das war den Dortmundern diesmal sehr wichtig, weil man nach dem Ende der vergangenen Saison ja vor allem deshalb entschieden hatte, dass der vormalige Trainer Marco Rose dafür vielleicht doch nicht der Richtige sei. Man versetzte den vorübergehend als Technischen Direktor geparkten Edin Terzic kurzerhand zurück ins Cheftrainer-Amt und lobte ihn am Samstagabend explizit dafür, dass er die Fußballer dazu bewegt hatte, gegen Leverkusen "zu kämpfen, zu kratzen und zu beißen", wie es der neue Sportdirektor Sebastian Kehl beschrieb.

Anthony Modeste nach Dortmund: Zu zweit zum Kopfballduell: Mats Hummels und Nico Schlotterbeck gegen Patrik Schick.

Zu zweit zum Kopfballduell: Mats Hummels und Nico Schlotterbeck gegen Patrik Schick.

(Foto: David Inderlied/Imago)

Das waren aber freilich nur Metaphern. Kein Leverkusener wies nach dem Spiel Kratz- oder Bissspuren auf, zu erkennen war in den enttäuschten Mienen der Besiegten allenfalls ein gewisses Kopfzerbrechen darüber, dass man eine Woche nach der blamablen 3:4-Pokalpleite beim Drittligisten Elversberg diesmal kein einziges Tor geschossen hatte. Der als kommender Torschützenkönig favorisierte Tscheche Patrik Schick war zwar mehrfach unheilvoll vorm BVB-Torwart Gregor Kobel aufgetaucht, fand in diesem aber seinen Meister.

Auf der anderen Seite fiel allerdings auch bloß ein einziger Treffer, als Reus in der 9. Minute einen vom Torwart Lukas Hradecky auf der Torlinie zum Erliegen gebrachten Ball einschoss und dachte, dieser hätte die Linie bereits überschritten gehabt. Dann wäre es der erste Bundesliga-Treffer des neuen Flügelflitzers Karim Adeyemi gewesen.

Anthony Modeste nach Dortmund: Erfolgreich gestochert: Marco Reus (mit schwarz-gelben Strümpfen) markiert früh das Tor des Tages für den BVB. Die Leverkusener Lukas Hradecky (lila Schuhe) und Hincapie (grün) können es nicht verhindern.

Erfolgreich gestochert: Marco Reus (mit schwarz-gelben Strümpfen) markiert früh das Tor des Tages für den BVB. Die Leverkusener Lukas Hradecky (lila Schuhe) und Hincapie (grün) können es nicht verhindern.

(Foto: Ina Fassbender/AFP)

So aber bekam Reus die Meriten, während Adeyemi in der 22. Minute mit einem überdehnten Zeh ausgewechselt werden musste. Nachdem der neue Innenverteidiger Niklas Süle wegen muskulärer Probleme und der neue Mittelfeldmann Salih Özcan wegen einer Fußprellung schon nicht hatten mitspielen können, fiel mit Adeyemi ein weiterer der hoffnungsvollen Zugänge aus.

Ihre Leidenszeiten dürften aber begrenzt sein. Im Gegensatz zum Stürmer Sebastien Haller, der nach der Entfernung eines bösartigen Hodentumors für mehrere Monate ausfällt. Der BVB könnte nach dem Vorbild des fulminanten FC Bayern nun zwar ebenfalls mit einer variablen Doppelspitze spielen, doch Terzic möchte sich die Option auf einen robusten und kopfballstarken Mittelstürmer bewahren. "Wir wollen uns alles offen halten", sagt er, "wir wollen auf viele Arten Tore schießen und nicht ausrechenbar sein." Und weil Kehl vor diesem Hintergrund betonte, dass "zeitnah wohl noch etwas passieren" werde, war schnell klar, dass mit einem weiteren Zugang zu rechnen sein würde.

Schlotterbeck wird während des Spiels die Schulter wieder eingerenkt

Kurz darauf verfestigte sich auch der Name des Kölners Anthony Modeste, dessen Vertrag beim 1. FC nur noch ein Jahr gültig ist und der kürzlich schon behauptet hatte, dass man ihn als "Topverdiener", wie er selbst formulierte, womöglich loswerden wolle. Das Portal Sport1 hatte am Sonntag zuerst berichtet, dass der BVB sich mit dem 34 Jahre alten Angreifer auf einen Einjahresvertrag verständigt und in Köln ein offizielles Angebot eingereicht habe. Später bestätigte dann BVB-Sportchef Kehl, man habe mit dem 1. FC Köln "mündlich eine grundsätzliche Einigung über einen Wechsel von Stürmer Anthony Modeste zum BVB erzielt".

Die Frohnatur Modeste geriete in Dortmund in eine derzeit fast schon ungewohnt kämpferische Truppe. Während des Spiels wurde dem neuen Verteidiger Nico Schlotterbeck die ausgekugelte Schulter kurzerhand wieder eingerenkt, woraufhin er unbeeindruckt weiterspielte. Und nach dem Abpfiff stand der verletzte Adeyemi plötzlich wieder mit auf dem Platz und schwenkte seinen in einem Badeschlappen stabilisierten Zeh zum Jubel der für 23 Minuten im Stadion eingesperrten Fans.

"Harte Arbeit ist das, was die Menschen hier sehen wollen", sagte Kehl hernach über die allgemeine Euphorie und erklärte den neuentdeckten Wesenszug zum relevanten Faktor bei der Herausforderung des Serienmeisters Bayern München. Kehl findet: "Wir haben einen großen Schritt nach vorne gemacht und wollen eine besondere Saison spielen."

Dazu will Terzic explizit auch jene Fans zurück ins Boot holen, denen in der vergangenen Saison in der einen oder anderen Situation mal ein Pfiff über die Lippen gerutscht war. Beim Siegtreffer durch Reus, so witzelte Terzic später, "haben 80 000 den Ball mit über die Torlinie gedrückt". Gut, dass der Stadionsprecher Norbert Dickel da im anschließenden Torjubel nicht sämtliche Namen ausgerufen hat.

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Collage: Anthony Modeste (Köln), Patrik Schick (Leverkusen), Alexandra Popp (Wolfsburg)
Format: 3-2

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