Süddeutsche Zeitung

Borussia Dortmund:Meisterkandidat meldet sich zurück

  • Borussia Dortmund gewinnt in der Bundesliga mit 4:0 gegen Bayer Leverkusen.
  • Alcácer, Reus zwei Mal und Guerreiro treffen für den BVB.
  • Alcácer stellt mit seinem vierten Tor im fünften Spiel einen bislang nur von Lothar Emmerich und Pierre-Emerick Aubameyang gehaltenen Vereinsrekord ein.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Lucien Favre sagte kürzlich leicht empört, er könne nicht jede Woche neu antworten auf die Frage, ob Borussia Dortmund in dieser Saison wirklich Meister werden wolle. Dazu habe er keine Zeit, er müsse doch arbeiten. In den vergangenen Tagen hat der BVB-Trainer seine Arbeitszeit dazu genutzt, seine Fußballer derart gut auf das Spitzenspiel gegen Bayer Leverkusen vorzubereiten, dass die Dortmunder seine Antwort auf dem Platz geben konnten. Sie besiegten Leverkusen mit 4:0 (1:0) und sind jetzt wieder ein Meisterkandidat - wenn sie es in den vergangenen zwei Wochen nach ihrer 1:3-Niederlage bei Union Berlin überhaupt jemals nicht mehr gewesen sein sollten.

Seltsam war das nämlich schon: Nach Dortmunds Niederlage in Berlin hatte der Sportsender Sky über seine Breaking-News-Banderole die Mitteilung verbreitet, Dortmunds Meisterambitionen hätten einen Dämpfer erhalten, und sowohl der Trainer Favre als auch der Sportdirektor Michael Zorc mussten danach zwei Wochen lang Fragen beantworten, ob sie nach so einer Niederlage allen Ernstes noch beabsichtigen, Meister zu werden. Saisonziele werden in der Öffentlichkeit neuerdings nicht mehr erst in der Winterpause überprüft, sondern nach jeder Niederlage und bald bestimmt schon nach jedem Gegentor.

Insofern war es für die Dortmunder hilfreich, gegen zunehmend abbauende Leverkusener kein einziges Gegentor bekommen zu haben, auch, wenn es in den ersten 25 Minuten so aussah, als müsse Leverkusen in Führung gehen. Diesen Part übernahmen dann allerdings die Dortmunder und demütigten die Leverkusener schließlich gar mit vier Treffern: dem 1:0 durch Paco Alcácer (28.), dem 2:0 durch Marco Reus (50.), dem 3:0 durch Raphael Guerreiro und dem 4:0 wieder durch Reus (90.). "Wir waren diesmal ein bisschen eiskalter vor dem Tor", sagte der Flügelstürmer Julian Brandt hinterher. Mit "ein bisschen" meinte Brandt womöglich, dass dieser Sieg gegen enttäuschende Leverkusener sogar noch höher hätte ausfallen können.

Dortmund startet passiv, steigert sich dann aber umso deutlicher

Bayers Trainer Peter Bosz wirkte deprimiert. "Wir haben zu viele Fehler gemacht", sagte er, "und am Ende waren wir gar keine Mannschaft mehr, da waren wir viel zu offen." Er gestand ein, diese Entwicklung durch die riskante Einwechslung von Offensivspielern zwecks Erlangung eines 1:2-Anschlusstreffers selbst provoziert zu haben, aber im Spitzenspiel am Ende eine solche Demütigung hinzunehmen, fiel Bosz sichtlich schwer.

Favre lobte hernach wieder einmal die "Geduld" seiner Mannschaft, die ihre Anhänger mit erstaunlicher Passivität in den ersten 25 Minuten ein bisschen erschreckt hatte. Dann legte sie aber plötzlich den Schalter um und machte, anders als die Leverkusener, keine kapitalen Fehler. Jeder Spieler erfüllte seine Aufgabe nahezu perfekt, die Innenverteidiger Mats Hummels und Manuel Akanji, die defensiven Mittelfeldspieler Thomas Delaney und Axel Witsel und natürlich die Angreifer Reus, Sancho und Alcácer.

Der Spanier Alcácer erzielte das erste Tor, aber seine genialste Szene zeigte er in der 50. Minute, als er eine flache Hereingabe von Jadon Sancho per Torschuss abzuschließen andeutete, den Ball stattdessen aber ganz cool durch die Beine rollen ließ, weil er Reus hinter sich wusste. Reus konnte dann auch deshalb bequem einschießen, weil Leverkusens Torwart Lukas Hradecky von Alcácers Täuschungsmanöver irritiert zu sein schien. Mit seinem Tor stellte Alcácer einen Vereinsrekord ein: Fünf Bundesliga-Tore in den ersten vier Saisonspielen haben zuvor nur Lothar Emmerich 1967 und Pierre-Emerick Aubameyang 2015 geschafft. Darüber hinaus hat Alcácer in dieser Saison sogar in bislang jedem seiner acht Pflichtspiele getroffen: sieben Mal in sechs Spielen für den BVB und drei Mal in zwei Länderspielen für die spanische Nationalmannschaft.

Vor ihm müssen sie sich beim FC Barcelona in Acht nehmen am kommenden Dienstagabend in Dortmund. Bei Barca war Alcácer bis zu seinem Wechsel nach Dortmund im Sommer 2018 kaum zum Einsatz gekommen, weshalb er Barcelona nur zu gerne verließ und nun in Dortmund vorerst ganz schön glücklich geworden ist.

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SZ vom 15.09.2019/chge
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