Süddeutsche Zeitung

Dortmund verliert in Augsburg:"Es ist schwer, diese Niederlage zu akzeptieren"

Härte und Disziplin reichen dem FC Augsburg, um der jungen Dortmunder Mannschaft den Spaß am Spiel zu nehmen. Der Auftritt erinnert an viele unglückliche BVB-Spiele der vergangenen Jahre.

Von Sebastian Fischer, Augsburg

Man tritt ihnen wohl nicht zu nahe, wenn man vermutet, dass sich Jude Bellingham und Giovanni Reyna, jeweils 17 Jahre jung, in ihrem noch nicht so langen Leben als Profifußballer bisher noch nicht ausgiebig mit dem FC Augsburg beschäftigt haben. Vielleicht hätte ihnen das also jemand ausdrücklich sagen müssen, wie so ein Nachmittag beim Bundesligisten aus dem bayerischen Schwabenland so läuft: Man bekommt bei der Seitenwahl eine Figur aus der Puppenkiste geschenkt, danach stehen einem die Gegenspieler 90 Minuten lang auf den Füßen. So kam es. Und so verlor Borussia Dortmund am zweiten Spieltag dieser Saison das erste Mal, mit 0:2 (0:1).

Bellingham und Reyna, das waren zwei gefeierte Protagonisten nach dem 3:0-Auftaktsieg der Borussia gegen Mönchengladbach am vergangenen Wochenende, exemplarisch für die Dortmunder Mannschaft wegen ihres beeindruckenden Talents und ihrer Jugendhaftigkeit. Am Samstagnachmittag lagen beide in kurzen Abständen hintereinander auf dem Rasen, in der 29. und 30. Minute, hart gefoult, nach jeweils mit gelben Karten bestraften Attacken. Und wie sich Bellingham und Reyna dann wieder aufrafften, weiter schönen Fußball spielen wollten, aber dabei irgendwie doch ziemlich beeindruckt wirkten von der Augsburger Härte, waren es wieder exemplarische Szenen für den Auftritt der ganzen Mannschaft.

Borussia Dortmund, das ist auch in diesem Jahr wieder die Mannschaft, die bei jedem Beobachter der Liga die leise Hoffnung auf einen spannenden Kampf um die Meisterschaft verkörpert. Die ewigen Fragen danach wehrte Sportdirektor Michael Zorc schon nach dem Gladbach-Sieg ab. Am Samstagabend, nach dem ersten Rückschlag der Saison, waren diese ewigen Fragen erst mal nicht das Thema. "Es ist schwer, diese Niederlage zu akzeptieren", sagte Trainer Lucien Favre. "Wir haben das Spiel fast komplett dominiert, aber manchmal bringt das nicht viel."

Wer in der zweiten Halbzeit zusah, der konnte sich an unglückliche Dortmunder Auftritte der vergangenen Jahre erinnert fühlen, wie sie gerade gegen individuell unterlegene Gegner häufig vorkamen: Der BVB hatte ständig den Ball, von der Statistik belegt mit Werten über 80 Prozent, doch Torgefahr bedeutete das selten. Zwanzig Meter vor dem Tor spielten sich dann zum Beispiel die Nationalspieler Marco Reus und Julian Brandt den Ball mit jenen für diese Situationen fast schon charakteristischen kurzen Außenristpässen zu, die sie um ihre Gegenspieler herumzuwickeln scheinen, mehr gestupst und gestreichelt als gepasst. Doch in Tornähe, in der Mitte, ging der Ball danach verloren. Und es stand durch Tore nach 40 und 54 Minuten aus Dortmunder Sicht ja schon 0:2.

Welches Potenzial die in Dortmund versammelten Talente auch Favre zufolge haben, das zeigte die Dortmunder Startaufstellung: Kapitän Reus, nach einem halben Jahr Verletzungspause inzwischen wieder fit, und Brandt brachte er erst nach einer Stunde. Stattdessen begann mit Ausnahme des verletzten Thorgan Hazard, den Raphael Guerreiro ersetzte, die gleiche Elf wie am ersten Spieltag. Und zu Beginn spielten die jungen Dortmunder - Reyna, Bellingham, Erling Haaland und Jadon Sancho - dann auch den erwartet schönen Fußball. Es kamen auch einige Chancen dabei heraus. "Es hätte nach fünf Minuten auch 2:0 stehen können", gab Augsburgs Trainer Heiko Herrlich zu. Stand es aber nicht. Und bald machte Dortmund dann einen entscheidenden Fehler.

"Wenn die Schlagzeilen morgen Abend wären: Spielerische Armut, Standardsituation für uns, dann bin ich zufrieden", hatte Herrlich vorher gesagt. Das bewies zwar nicht gerade ein ausgeprägtes Gespür für verkaufsstarke Überschriften, es beschrieb aber präzise die Taktik, die der Außenseiter vorbildlich diszipliniert durchzog. Nach 39 Minuten unterlief Emre Can ein Foul am Strafraumrand. "Unnötig", kommentierte Favre. Der für seine gefährlichen Freistöße berühmte Daniel Caligiuri, im Sommer aus Schalke nach Augsburg gewechselt, zog den Ball mit Schärfe und Präzision vors Tor, wie es besser kaum geht. Felix Uduokhai kam im Fünfmeterraum zwischen Manuel Akanji und Mats Hummels zum Kopfball, Torwart Roman Bürki verharrte auf der Linie und hatte keine Chance.

Er wollte, erklärte Favre, dass seine Mannschaft noch geduldiger spielte, deutlich mehr über die Seiten angriff, mit mehr Tempo die Seiten wechselte, um irgendwo in der Augsburger Abwehr Lücken zu finden. Doch er musste auch eingestehen, dass es die Augsburger Zweikampfstärke war, die seiner Mannschaft zusetzte: "Sie haben hervorragend verteidigt". Beim 2:0 konterten sie dann die weit vorgerückten Dortmunder aus, diesmal traf Caligiuri selbst. Die Augsburger Fans, 6000 durften da sein, sangen bald vom "Spitzenreiter", der Augsburg mit zwei Siegen aus zwei Spielen wenigstens bis Sonntag ist.

Und Lucien Favre wurde zum Spiel gegen die Bayern im Supercup am Mittwoch befragt. Er sagte, dass er darüber nicht sprechen wolle. Er sagte: "Wir sind so enttäuscht, dass wir verloren haben."

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