Dortmund besiegt Real Madrid 2:1:Plötzlich Tabellenführer in Europa

Ein toller Erfolg und vorerst Platz eins in der Gruppe: Die durchwachsenen Leistungen in der Bundesliga kontert Borussia Dortmund mit einem rassigen 2:1 gegen Real Madrid. Gegen die Spanier klappt so vieles, was zuletzt nicht immer funktionierte. Das Siegtor erzielt ausgerechnet Marcel Schmelzer - vor den Augen von Bundestrainer Löw.

- Die erste gute Nachricht für die Anhänger von Borussia Dortmund gab es bereits vor dem Anpfiff: Ihre Mannschaft sah wieder aus wie Borussia Dortmund. Es waren wieder ein paar alte Bekannte dabei, Mario Götze und Marcel Schmelzer, beide hatten im Derby gegen Schalke noch gefehlt - und die Elf stellte sich auch taktisch wieder so auf, wie das die Anhänger von zwei aufeinanderfolgenden deutschen Meisterschaften gewohnt waren: ein Torwart, vier Abwehrspieler, zwei defensive und drei offensive Mittelfeldspieler, davor ein Angreifer - auch das anders als gegen Schalke, als Trainer Jürgen Klopp guten Willens ein rechtes Durcheinander angerichtet hatte.

Es war den Dortmundern von Beginn an anzumerken, dass sie sich wieder wohler fühlten in ihrer Haut, sie fühlten sich sogar so wohl, dass es ihnen gelang, das große Real Madrid in einem rassigen Spiel verdient mit 2:1 (1:1) zu bezwingen. In der deutschen Bundesliga mögen die Dortmunder einstweilen ihre Dominanz verloren haben, dafür sind sie mit großer Überzeugung in Europa angekommen. Sie sind jetzt Tabellenführer in der schweren Gruppe D.

"Das war ein sensationeller Abend, eine unheimliche couragierte Vorstellung von uns", schwärmte Klopp und er widersprach Madrids Trainer José Mourinho nicht, der darauf hinwies, "dass wir heute auch ein verdienter Sieger gewesen wären, aber Dortmund hat es genau so verdient". "Ein cooles Kompliment", sagte Klopp.

Einfach unser Spiel spielen!, das hatte Dortmunds Trainer vorher als Devise ausgegeben, allerdings hielt er sich selbst nicht daran. Er spielte sein Spiel nicht, keine Kappe trug er, keine BVB-Ballonseide, statt dessen: einen grauen Anzug, dem Anlass angemessen. Spötter hatten in der vergangenen Saison ja angemerkt, dass Klopps Verkleidung verantwortlich sein könnte für das Fremdeln seiner Mannschaft auf der großen Bühne.

Wie soll man nach dem Plan eines Trainers spielen, den man gar nicht wiedererkennt? Aber diesen Vorwurf hatten die Borussen spätestens im Spiel bei Manchester City (1:1) entkräftet, und auch an diesem Mittwochabend machten die Borussen kein bisschen den Eindruck, als kämen sie sich deplatziert vor im Angesicht der Königlichen, die nicht ohne Sorgen angereist waren.

Nach den Verletzungen von Arbeloa, Coentrao und Marcelo waren im edlen Kader exakt null Außenverteidiger übrig geblieben, weshalb Mourinho Sergio Ramos (rechts) und Michael Essien (links) zu Hilfsdiensten an der Außenlinie verdonnerte. Klopp nahm's zum Anlass, eine kleine Umstellung vorzunehmen: Er schickte Reus auf die rechte Offensivseite - dort sollte er Essien den Abend verderben.

Verdichtet auf zwei Minuten zeigten sich in einer ansehnlichen ersten Halbzeit Stärken und Schwächen des BVB-Spiels. Sie spielten mutig und attackierten weit vorne; und sie spielten übermütig und verteidigten zu weit vorne. In der 36. Minute zwangen die Dortmunder Reals Abwehrchef Pepe durch frühes Stören zu einem fulminanten Abspielfehler, Kehl fing den Ball ab und leitete ihn direkt zu Lewandowski weiter, der kaltblütig zum 1:0 verwandelte - ein Musterbeispiel für perfektes Umschaltspiel.

Zwei Minuten später ließen die aufgerückten Dortmunder Reals Spielmacher Mesut Özil genug Raum, um einen herausragenden Pass auf Cristiano Ronaldo zu schlagen, der hinter Piszczeks Rücken entwischte - aus Dortmunder Sicht ein Musterbeispiel für mangelhaftes Umschaltspiel. Erschwerend kam hinzu, dass Torwart Weidenfeller eine falsche Entscheidung traf, er lief Ronaldo entgegen und wurde so eine leichte Beute für den Real-Profi, der mit einem entspannten Heber den Ausgleich erzielte - eine folgenschwere Dortmunder Fehlerkette.

Dortmund nutzt die Lücken

Es war ein hoch intensives Spiel in der ersten Halbzeit, mit hohem Tempo und wenig Ruhephasen, was Dortmund beim Ausgleichstreffer zum Verhängnis wurde. "Wir hätten nach der Führung ein bisschen den Fuß vom Gas nehmen sollen", urteilte Klubchef Hans-Joachim Watzke, "aber das ist eben nicht das Spiel der Mannschaft."

Tatsächlich hatten es Götze und Reus, abgesichert von Bender und dem exzellenten Kehl, immer wieder verstanden, die Lücken in der spanischen Abwehr kenntlich zu machen; aber insgesamt fehlte es den Borussen zunächst an der Konsequent bei der letzten Aktion. Das galt in gleichem Maße für Real, hier spielten zwei Mannschaften, die Respekt vor den Stärken des Gegners hatten und das allerletzte Risiko scheuten - aus gutem Grund, wie die Borussen beim Gegentor lernten. Wer Real Raum gibt, bekommt ein Problem.

Die Gäste mussten schon früh mit einer veränderten Statik im Spiel auskommen, Sami Khedira, das defensive Gewissen dieser Elf, humpelte nach 20 Minuten mit einer Oberschenkelverletzung vom Platz. Seinen Platz übernahm der Kroate Luka Modric, ein offensiv begabterer, aber defensiv deutlich sorgloserer Spieler. Wie sehr er Reals Spiel veränderte, zeigte sich zu Beginn der zweiten Hälfte: Es ergaben sich einerseits Räume für den BVB, andererseits blieb Real durch Modrics Passfuß stets gefährlich.

Das Spiel blieb aufregend, mal dominierte der BVB, mal ergriff Real die Initiative. Götze vergab eine gute Gelegenheit mit etwas leichtsinnigem Schlenzer (50.), wie man knackig abschließt, zeigte Marcel Schmelzer: Götzes Flanke boxte Torwart Casillas unglücklich vor Schmelzers Füße, dessen konzentrierter Abschluss das 2:1 bedeutete (64.).

Ausgerechnet Schmelzer, um dessen internationale Tauglichkeit zuletzt heftige Debatten entbrannt waren, im Zuge derer Klubchef Watzke beim Schmelzer-kritischen Bundestrainer interveniert hatte. Übrigens: Löw saß auf der Tribüne, und vielleicht denkt er jetzt, dass er mit Schmelzer nicht weiterarbeiten muss. Sondern darf.

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