Süddeutsche Zeitung

Dortmund besiegt im Titelkampf die Bayern:Drama des Arjen Robben

Elfmeter verschossen, in der Abwehr falsch postiert: Bayerns Niederländer gestattet den Dortmundern einen umjubelten 1:0-Sieg, der diese vermutlich zum Meister 2012 befördert. In einem unterhaltsamen Spiel dominieren zunächst die Borussen - als dann die Bayern das Kommando übernehmen, gelingt Robert Lewandowski das entscheidende Tor. Bei den Bayern herrscht großer Frust.

Seit August 2009 spielt Arjen Robben für den FC Bayern, er hat seitdem viele wichtige Tore für den Klub erzielt, und wahrscheinlich hat es zuletzt viele Münchner Fans gegeben, die glaubten, der Niederländer könne mit einer seiner schönen Einzelaktionen diese Saison noch zugunsten des deutschen Rekordmeisters entscheiden. In der Tat könnte die Spielzeit 2011/12 auf den Satz hinauslaufen, Robben habe sie entschieden - wenn auch ganz anders, als von den Münchnern erhofft.

Denn der FCB verlor das Spitzenspiel bei Borussia Dortmund mit 0:1 (0:0), und der Niederländer war an allen wichtigen Aktionen der Schlussphase beteiligt. Zunächst hob er bei einem Schuss von Kevin Großkreutz das Abseits auf, weswegen Robert Lewandowski per Hacke das 1:0 für die Schwarz-Gelben erzielen konnte (76.). Wenig später hatte Robben die größte Gelegenheit zum Ausgleich, als er einen von ihm selbst herausgeholten Elfmeter direkt in die Arme von BVB-Torwart Roman Weidenfeller schoss (85.).

Zu allem Überfluss kam er in der Nachspielzeit nochmal völlig frei zum Schuss, als ihm nach einem missglückten Kopfball von Dortmunds Abwehrspieler Neven Subotic an die eigene Latte der Ball direkt vor die Füße fiel - doch Robben schoss aus fünf Metern drüber.

Zwei Minuten nach der letzten Robben-Chance stürmten die Dortmunder Spieler jubelnd aufeinander zu, mit ihrem Sieg bauten sie den Vorsprung in der Tabelle auf sechs Punkte aus. Noch nie hat ein Team nach 30 Spieltagen einen solchen Vorsprung verspielt, und an den Titel für die Bayern glaubt wohl nur noch derjenige, der auch glaubt, dass der Osterhase der Weihnachtsmann ist.

"Wir dürfen jetzt nicht anfangen, einem Spieler die Schuld zuzuweisen", sagte Bayern-Trainer Jupp Heynckes: "Sowas passiert eben im Fußball, dass man mal einen Elfmeter verschießt oder eine Riesenchance auslässt."

Vor der Partie hatten sich die beiden Kontrahenten mit direkten Angriffen ja zurückgehalten, nicht aber mit besonderen Würdigungen für das Duell an sich - bis hin zu der Meinung, dieses Spiel sei wie der spanische Clasico Barça gegen Real. Das war ja ein Satz, der erstens die Frage aufwarf, ob das nicht vielleicht ein etwas gewagter Vergleich sei und zweitens die Frage, wer an diesem Abend nun welche Rolle übernehmen würde.

Nach sechs Minuten schien es, als gebe es zumindest auf die zweite Frage eine eindeutige Antwort. Denn da kombinierte Dortmund so schnell, dass jeder Barca-Vergleich dieser Welt gerechtfertigt war, Ilkay Gündogan spielte zu Shinji Kagawa, der passte von der rechten Strafraumseite scharf in die Mitte, wo Großkreutz abzog und Bayern-Torwart Manuel Neuer eine sehenswerte Parade zeigen musste, um den frühen Rückstand zu vermeiden.

Schon kurz zuvor hatte es für die Münchner einen brenzligen Moment gegeben, als die Innenverteidiger Boateng und Badstuber bei einem Gündogan-Pass völlig unkoordiniert auf Abseits spielten und Blaszczykowski anschließend allein auf Neuer zulief, allerdings rechts am Tor vorbeischoss (2.).

Es sei ein Duell zwischen "Mia san Mia" und "Wir sind Fußball", hatte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp vor der Partie gesagt. Und in der Tat gelang es seiner Mannschaft nicht nur in dieser rasanten Anfangsphase, sondern über weite Strecken der ersten Hälfte, ihren Stil durchzuziehen. Sie pressten teilweise sehr früh, waren sehr aggressiv und liefen ungemein viel. Allerdings erarbeiteten sie sich trotz ihres enormen Pensums nur eine weitere große Torchance: Lewandowski köpfte an den Innenpfosten (37.).

"Ich denke, man kann das gegen eine Mannschaft wie die Bayern nicht viel besser spielen. Das war unglaublich", sagte Klopp, der aber - natürlich, natürlich - noch nicht von einer Vorentscheidung im Titelkampf sprechen wollte: "Wir bleiben in der Spur. Da kann noch eine ganze Menge passieren." Doch dabei lächelte er ungefähr so fröhlich wie ein gut gelaunter Weihnachtsmann.

Die Bayern hingegen, bei denen Bastian Schweinsteiger zunächst nur auf der Bank saß, fanden so gar nicht ins Spiel. Sie wirkten müde und passiv, und sie wussten nicht damit umzugehen, dass die Dortmunder sie zeitweise schon früh angriffen. Nur eine Chance gab es für die Münchner in der ersten Hälfte, einen Distanzschuss von Toni Kroos (30.).

Doch nach dem Seitenwechsel war die Überlegenheit der Dortmunder dahin. Das lag einerseits an den Schwarz-Gelben selbst, weil sich solch ein Tempo wie in der ersten Hälfte ja nur schwer durchziehen lässt und weil ihnen nun einige Fehlpässe unterliefen; das lag andererseits aber auch an den Bayern, die sich jetzt viel besser sortierten, aktiver spielten und sich sogar einen kleinen Barça-Vergleich erarbeiteten - immerhin 72 Prozent Ballbesitz hatten sie nach 20 Minuten der zweiten Hälfte.

Aber als vieles auf ein baldiges Bayern-Tor hindeutete, erarbeitete der eingewechselte Ivan Perisic den Gastgebern einen Eckball, an dessen Ende Lewandowski den Ball mit der Hacke ins Tor lenkte und eine intensive Schlussphase einläutete. Erst kam es nach einem Foul von Weidenfeller an Robben zum Elfmeter; dann schoss dieser den Strafstoß unplatziert; dann köpfte Subotic an die eigene Latte und schoss Robben den Nachschuss drüber; dann traf Lewandowski den Pfosten; und dann, dann war aus Sicht der Dortmunder endlich Schluss.

Und Arjen Robben verließ traurig den Platz. "Das ist sehr bitter und sehr enttäuschend. Ich weiß nicht, was ich sagen soll", sagte er. "Ich habe in den letzten drei Jahren zehn oder elf Elfmeter in Folge verwandelt. Heute war es der erste, den ich verschossen habe. In so einem Moment, das ist bitter. Ja, das ist peinlich."

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SZ vom 12.04.2012/jbe
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