Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Eine Windböe namens Brandt

Wie erwartet entscheidet ein Norweger das Spiel zugunsten von Dortmund gegen Hertha BSC - aber es ist nicht Borussias Stürmer Erling Haaland, sondern Berlins Torwart Rune Jarstein, der zweimal schlecht aussieht.

Von Ulrich Hartmann

Das war ein unerquicklicher Samstagabend für den norwegischen Fußball. 950 Kilometer südlich der Hauptstadt Oslo hat erstens der Nationalstürmer Erling Haaland für Borussia Dortmund kein einziges Tor geschossen und zweitens der Nationaltorwart Rune Jarstein für Hertha BSC ein sehr seltsames Gegentor zugelassen, eines, bei dem man sich fragen musste, ob er da vielleicht verflucht worden war. Aber die Norweger haben ja gar keinen Kiricocho. Das ist jener argentinische Fluch, den Haaland am vergangenen Dienstag vom Torwart des FC Sevilla kennengelernt und prompt einen Elfmeter verschossen hatte.

Dortmund gewann auch deshalb mit 2:0 (0:0) gegen Berlin, weil Jarstein in der 54. Minute bei einem 25-Meter-Schuss des Dortmunders Julian Brandt einen Ball durchließ, an den er seine Hände nicht heranbrachte, obwohl er haarscharf an ihm vorbeizischte. Es muss sich also um einen typischen Flatterball gehandelt haben. Das ist ein Begriff, der beim Fußball immer dann verwendet wird, wenn ein Torhüter einen nahen Ball fast regungslos vorbeisausen lässt. "Ich habe mich selbst ein bisschen erschrocken, dass der Schuss reingegangen ist", sagte Brandt hinterher bei Sky. Berlins Niklas Stark nahm derweil seinen Mitspieler in Schutz: "Rune hat gesagt, es war eine Windböe. Er hat uns in der ersten Halbzeit und in den Spielen davor den Arsch gerettet." Beim zweiten Gegentor in der Nachspielzeit wurde der arme Jarstein von Dortmunds 16-Jährigem Youssoufa Moukoko dann auch noch aus steilem Winkel getunnelt.

Reus lässt sich auswechseln, eine erste Diagnose ergibt aber keine schwere Verletzung

Dass Dortmunds zweites Tor diesmal so spät gefallen ist, dass die Berliner nicht mehr reagieren konnten, war der genialste Kniff der Borussen, denn in beiden vorangegangenen Spielen in der Bundesliga bei Bayern München (2:4) und in der Champions League gegen den FC Sevilla (2:2) hatten sie jeweils eine 2:0-Führung noch verspielt.

Sorgen um den Kapitän Marco Reus waren zehn Minuten vor dem Ende der Partie aufgekommen, nachdem Berlins Vladimir Darida ihm aus vollem Lauf mit den Stollen voran auf Knöchel und Achillessehne gesprungen war. Darida musste mit Rot vom Feld und schaute drein, als täte ihm die Szene sehr leid. Reus kam nach wenigen Minuten zunächst zurück, ließ sich dann aber auswechseln. Eine erste Diagnose ergab keine schwere Verletzung.

Haaland gegen Jarstein lautete das norwegische Duell dieses Abend. Man hätte erwarten können, dass der junge Stürmer, 20, dem alten Torwart, 36, die Bude vollhaut. Glänzen konnten am Ende aber beide nicht. Gewonnen hat Haaland, obwohl ihm nach 47 Treffern in 47 Pflichtspielen für den BVB im 48. Pflichtspiel nicht der 48. Treffer gelungen ist. Dazu hatte er diesmal nicht genügend Platz. Die Berliner verteidigten zu neunt am eigenen Strafraum, ließen im Rücken ihrer Abwehr keine Räume, und in solchen Fällen ist Haaland manchmal wie ein Flugzeug ohne Startbahn. "Er hat aber drei Gegenspieler gebunden und damit anderen Räume eröffnet", konnte der Trainer Edin Terzic Haalands Wirken trotzdem etwas abgewinnen.

Hertha hat von den vergangenen elf Spielen nur eines gewonnen

Vor seiner unglücklichen Figur beim Gegentor hatte Herthas Torwart Jarstein in der ersten Halbzeit immerhin noch tatkräftig dazu beitragen können, dass es zur Pause nullzunull stand. Auch nach dem seltsamen 0:1 boxte er in der 77. Minute geistesgegenwärtig einen Kopfball von Emre Can aus kurzer Distanz über das Tor. Hinzu kamen noch je ein Aluminiumtreffer von Reus, Mahmoud Dahoud und Giovanni Reyna und erst in der Nachspielzeit das 2:0 durch den spät eingewechselten Moukoko.

Die Hertha, bei der Sami Khedira und Mateus Cunha wegen muskulärer Probleme gefehlt hatten, bleibt nach nur einem Sieg aus den jüngsten elf Spielen akut in Abstiegsgefahr. "Ich mache mir um unsere Offensive ein bisschen Sorgen", sagte der Trainer Pal Dardai, "die zweite Halbzeit war überhaupt nicht in Ordnung." Seinen Torwart Jarstein wollte er hingegen nicht kritisieren. "Torhüter sind ja leider immer da, wo die Tore fallen", witzelte er. Immerhin hatte Dardai den Norweger ins Berliner Tor geordert.

Dortmund hält durch den Sieg Kontakt zu den Champions-League-Plätzen. "Es war ganz wichtig für uns, heute die drei Punkte einzufahren", sagte Terzic und zeigte sich zufrieden mit dem Auftreten seiner Mannschaft gegen sehr defensive Berliner.

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