BVB im Supercup:Das System ist noch in Arbeit

17.08.2021, xovx, Fußball DFB-Supercup, Borussia Dortmund - FC Bayern München v.l. Manuel Akanji (Borussia Dortmund), T

Hatte gegen die Bayern viel zu tun - und sah dabei nicht immer so souverän aus wie hier: Manuel Akanji.

(Foto: Oliver Vogler/imago images/Jan Huebner)

Borussia Dortmund hätte den FC Bayern schlagen können, verliert aber zum sechsten Mal in Serie - und muss sich die Frage gefallen lassen, ob Roses Taktik schon ausbalanciert genug ist.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Dass Borussia Dortmund gegen die Bayern verliert, ist in letzter Zeit Standard. Und so drehten sich die schwarz-gelben Analysen einmal mehr darum, sich wenigstens eine gewisse Besserung zu attestieren. Ob man nicht "mit etwas mehr Spielglück" auch selbst hätte gewinnen können, wie es Torwart Gregor Kobel glaubte, ob es sich an Manuel Akanjis Patzer gegen Corentin Tolisso festmachen ließ, der das spielentscheidende 1:3 zur Folge hatte - oder ob nicht allein Manuel Neuer den Bayern den Sieg gerettet hatte, weil er - mal wieder - mit einer Fußabwehr ein fast sicher geglaubtes Tor von Marco Reus verhinderte.

Der Konjunktiv ist immer der Freund des Verlierers. Aber wenn man als vermeintlicher Herausforderer sechsmal hintereinander gegen den Dauer-Meister aus München verloren hat, wie der BVB nun, dann türmen sich die Möglichkeitsformen allmählich zu Müllbergen auf. Vor allem Marco Reus, bei dem das erkennbar hohe Fitness-Level zu aggressivem Kapitäns-Gebaren zu führen scheint, wollte nicht akzeptieren, dass der BVB verdient verloren hätte: "Wir hatten nicht das Gefühl, das wir chancenlos waren. Ganz im Gegenteil." Und auch Dortmunds neuer Torwart Kobel wollte festhalten: "Das Spiel hätten wir auch gewinnen können. Die Bayern waren nur etwas kaltschnäuziger."

Tatsächlich war das so. Aber am Ende macht genau diese nervliche Robustheit und diese Präzision in den Schlüssel-Situationen nun mal den Unterschied aus. Natürlich hatten Reus, Erling Haaland, Donyell Malen oder der erst 16-jährige Youssoufa Moukoko ebenfalls große Chancen, aber sie brachten den Ball dann eben nicht an Manuel Neuer vorbei. Das mag auch Spielglück sein, aber es macht auch den Unterschied aus, der an diesem Abend wieder mal die Borussia verlieren ließ.

Trainer Rose sieht "viele richtig gute Dinge"

Dortmunds Verteidigung, die schon beim turbulenten Bundesliga-Start gegen Frankfurt manches zuließ, war gegen die Bayern leicht überfordert. Vor allem Felix Passlack kam auf der rechten Seite oft zu spät, und Akanji sah nicht nur beim zweiten Tor von Robert Lewandowski schlecht aus, sondern wirkte auch bei dessen erstem Treffer desorientiert.

Dortmunds neuer Trainer Marco Rose wollte aber nicht nur Akanji in Schutz nehmen. Das sei "ein Fehler gewesen, der uns nicht passieren sollte", aber er wolle von seinem Schweizer Innenverteidiger, dass er weiter "mutig" Fußball spielt. Dazu gehöre auch mal so ein Bockmist. Auch sonst wollte Rose "viele richtig gute Dinge von meiner Mannschaft gesehen" haben. Es war tatsächlich ein hochklassiges Spiel gewesen, allerdings eines mit zum Teil haarsträubenden Schnitzern. Wenn nächste Woche, oder vielleicht schon am Wochenende in Freiburg, Mats Hummels oder Thomas Meunier wieder dabei sein können, bald auch Emre Can, dann wird man erst beurteilen können, wie es um die BVB-Defensive wirklich steht.

Roses offensives System, mit viel Pressing und bärbeißigen Anlauf-Attacken, schien bei der Standort-Bestimmung gegen die Münchner jedenfalls an Grenzen zu stoßen. Zu selten halfen die Außenspieler ihren bisweilen überforderten Verteidigern Passlack und Nico Schulz aus. Das Mittelfeld-System in der Raute ließ Dortmund ebenbürtiger wirken, das Spiel ausgeglichener, aber das Überladen der Offensive bezahlt Rose bisher noch mit Anfälligkeiten in der Defensive. Selbst auf der traditionell defensiv gedachten, einzigen "Sechser"-Position nominiert Rose derzeit den offensiven Geist Mo Dahoud. An guten Tagen, wie am letzten Samstag gegen Frankfurt (5:2) verstärkt das das Offensiv-Spektakel. Gegen das Kaliber Bayern steht man bisweilen blank da.

Fußball: Super-Cup, Saison 2021/2022, Borussia Dortmund - FC Bayern München am 17.08.2021 im Signal-Iduna-Park in Dortmu

Die rechte Torwart-Tentakel schnellt hervor: Manuel Neuer zeigte gegen die Dortmunder Stürmer (links Marco Reus) einige Kunststücke.

(Foto: Christopher Neundorf/Kirchner-Media / Imago)

Und so müssen die Konjunktive auch herhalten, wenn es um eine erste Prognose geht, ob denn nun der BVB in dieser neuen Saison endlich den Münchnern auf den Fersen bleibt. Was die Einstellung betrifft: Unbedingt. Wenn selbst Feingeister wie Reus und Dahoud sich für rustikale Foulspiele Gelbe Karten von Schiedsrichter Sascha Stegemann einhandeln, dann ist schon klar, dass Rose die größere Aggressivität und Zweikampf-Härte erfolgreich gepredigt hat. Den Fairness-Pokal wird der BVB also ausnahmsweise wohl nicht gewinnen. Fragt sich nur, wann all das Pressen und das Umschalten, und die rasenden Gegenangriffe, in möglichst wenig Sekunden von hinten nach vorne, denn nun richtig ausbalanciert sein werden. Das ist sichtlich noch in Arbeit.

Das Defizit an Erfahrung jedenfalls spricht auch im Fernduell, das sich die beiden bis zum nächsten Bundesliga-Treffen in Dezember liefern werden, gegen die Borussen. Erling Haaland, 21, kann man sehr wohl weitgehend aus dem Spiel nehmen, und auch die herausragenden 18-jährigen Jude Bellingham und Gio Reyna, ebenso wie Moukoko und Passlack sind weiterhin nicht auf dem Bayern-Level. Allerdings entscheidet sich die Bundesliga nicht in den zwei direkten Duellen, sondern an einer ganzen Reihe von ermüdenden Etappenorten, mit möglichen Punktverlusten gegen Fürth, Bochum oder Augsburg. Der Faktor Langeweile, so hoffen sie in Dortmund, wird da den Bayern den einen oder anderen Streich spielen, während einer wie Haaland noch einen dritten oder vierten Treffer gegen Mainz 05 bejubeln will. Jugend hat zumindest den Vorteil der Leidenschaft.

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