Süddeutsche Zeitung

Dopingverdacht:Psychopharmaka fürs Pferd

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Die B-Urin-Probe des siegreichen Olympiapferdes von Cian O'Connor ist unter mysteriösen Umständen verschwunden - nun scheint der Olympiasieger ungeschoren davonzukommen.

Von Gabriele Pochhammer

Hamburg - Trotz der positiv getesteten A-Probe wird es immer fraglicher, dass der irische Springreiter-Olympiasieger Cian O'Connor seine Goldmedaille wieder abgeben muss.

Nachdem die B-Urin-Probe spurlos verschwunden ist, steht nur noch die B-Blutprobe zur Verfügung, die nun am Montag im USA Equestrian Drug Testing and Research Laboratory in New York untersucht werden soll.

Es gilt als unwahrscheinlich, dass die bei O'Connors Pferd Waterford Crystal gefundenen Substanzen Fluphenazine und Zuclopenthixol in der Blutprobe nachweisbar sind; dann muss der Fall höchst wahrscheinlich eingestellt werden.

Die Wirkstoffe stammen aus der Humanmedizin und werden dort als lang anhaltende Beruhigungsmittel auch zur Behandlung schwerer psychischer Störungen wie Schizophrenie und Angstzustände eingesetzt.

Viele Nebenwirkungen

Die Liste der Nebenwirkungen ist lang, Zuclopenthixol kann den Blutdruck sinken lassen, den Herzschlag verlangsamen und Benommenheit verursachen.

Fluphenazine und das Blutdruck senkende Mittel Guanabenz waren im Mai in Rom bei O'Connors Pferd Landliebe gefunden worden. Die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI) hatte die Erklärung des Reiters, die Mittel seien zur Behandlung einer Kolik gegeben worden, akzeptiert und ihm nur drei Siege aberkannt, eine geringe Geldstrafe verhängt und auf eine Sperre verzichtet.

Die Namen der Landliebe verabreichten Substanzen wurden dem irischen TV--Sender RTE in einem anonymen Fax mitgeteilt, einen Tag, nachdem Akten zum Fall Landliebe aus dem Büro der Irischen Reiterlichen Vereinigung in Kildare gestohlen worden waren.

Mit den in der A-Proben der beiden Pferde gefundenen Psychopharmaka bekommt die Doping-Diskussion im Pferdesport eine neue Dimension. Hier geht es um Substanzen, die schwere Gesundheitsstörungen hervorrufen können und offenbar lange nicht nachzuweisen waren.

Bereits im Frühjahr hatte die FEI Reiter und Verbände darauf aufmerksam gemacht, dass derartige Substanzen inzwischen gefunden und als "ernsthafter Versuch, die Leistung des Pferdes durch Medikamente zu beeinflussen" gewertet werden. So mancher plötzliche Todesfall in der Vergangenheit erscheint auf einmal in neuem Licht.

B-Probe bei Kurierfahrt verschwunden

Und noch immer stehen viele Fragen offen. Zunächst ist der Diebstahl der B-Urinprobe von Waterford Crystal weiter im Dunkeln. Wie die Irish Times von einem Sprecher der Kurierfirma DHL erfahren haben will, wurde der Fahrer, der die beiden Proben von Waterford Crystal ins Horseracing Forensic Laboratory in Newmarket bringen sollte, angewiesen, die Proben nicht am Eingang abzugeben, sondern einer Person in der Auffahrt auszuhändigen, die sich als Laborangestellter ausgab und dies mit eine Art Ausweis belegte.

Die Proben, die keine Namen, sondern nur Nummern tragen, wurden nach Quellen der Irish Times alleine verschickt, also nicht gemeinsam mit den B-Proben der übrigen offenen Fälle, unter anderem von Goldfever von Ludger Beerbaum und Ringwood Cockatoo von Bettina Hoy.

Diese wurden inzwischen im Labor des Jockey Clubs in Hongkong untersucht, das Ergebnis ist noch nicht bekannt. Die Blutprobe von Waterford Crystal wurde nach New York weiter geleitet, weil Newmarket angeblich überlastet war.

Der Reiter und sein Anwalt wurden davon erst in letzter Minute informiert, per Telefon konnten sie ihren Zeugen, der bei der Öffnung der B-Probe dabei ist, noch umdirigieren.

Der 24-jährige Cian O'Connor wurde nach Irlands einziger Athen-Medaille gefeiert wie ein Volksheld. Den positiven Befund begründet er mit einer Behandlung drei Wochen vor den Olympischen Spiele, für die das Pferd sediert werden musste.

Opfer einer Verschwörung

Auch wenn er zweifellos der Nutznießer der peinlichen Prozedur wäre, fühlt er sich als Opfer einer Verschwörung: "Es sieht aus, als ob einige Leute zu allem bereit sind, mein Geschäft und meinen guten Namen zu zerstören", sagte er kürzlich in einem Interview.

Er habe großes Interesse, seine Unschuld zu beweisen, erklärte er, und sei froh, dass die Blutprobe noch zu verwenden sei. Allzu viel zu befürchten hat Cian O'Connor wohl nicht mehr.

Denn selbst wenn die Blutprobe noch Aufschluss darüber gibt, was Waterford Crystal am Tag des Olympiasieges wirklich im Blut hatte, ist es einem geschickten Anwalt vermutlich ein Leichtes, eine Menge Formfehler in diesem überaus peinlichen Verfahren zu entdecken.

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Quelle:
SZ vom 6.11.2004
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