Dopingverdacht im Radsport:UCI führt geheime Dopingliste

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Neue Anschuldigungen im Radsport: Eine interne Liste des Weltradsportverbands UCI belastet zahlreiche Radprofis schwer, darunter einen bekannten deutschen Sprinter. Der spanische Tour-Sieger Alberto Contador hingegen kommt glimpflich davon.

"Interne Listen" werfen eine Menge Fragen auf. Wer hat sie angelegt? Enthalten sie brisante Neuigkeiten? Warum waren sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt? Im Sport steigert sich das Interesse besonders dann explosionsartig, wenn eine solche Liste im Radsport auftaucht. Die verknappte Frage aller Fragen: Wer soll gedopt haben?

Fünf Punkte von der UCI: Alberto Contador. (Foto: dpa)

Am Freitag ereignete sich diesbezüglich ein Novum. Der Radweltverband UCI führt offenbar seit längerem eine solche Liste - und hat namhafte deutsche Fahrer sowie Profis anderer Nationen bei der Tour de France 2010 des Dopings verdächtigt. Das geht aus einem geheimen UCI-Papier hervor, das die französische Sportzeitung L'Équipe am Freitag veröffentlichte.

Die UCI bestätigte die Existenz der Liste und kündigte eine Untersuchung an, wie die internen Informationen an die Öffentlichkeit gelangten. "Wir suchen die undichte Stelle", teilte der Verband mit.

Alle 198 Tourstarter des Vorjahres waren nach einem Punktesystem von null (kein Dopingverdacht) bis zehn (starker Verdacht) beurteilt worden. Der in der Schweiz lebende deutsche Sprinter Danilo Hondo, nach einer Dopingsperre seit 2007 wieder starberechtigt und bei Lampre in Italien beschäftigt, wurde mit acht Punkten bedacht. Er wies die Verdächtigungen auf dpa-Anfrage hin zurück.

Null Punkte erhielten unter anderen der mehrfache Zeitfahr-Weltmeister und Olympiasieger Fabian Cancellara (Schweiz), der zweifache deutsche Meister Fabian Wegmann (Freiburg) und der frühere Zeitfahr-Weltmeister Bert Grabsch (Wittenberg).

Der dreifache Toursieger Alberto Contador kam auf fünf Punkte. Gegen den Spanier läuft zur Zeit ein Dopingverfahren vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS, das im Juni abgeschlossen werden soll.

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Grundlagen der Klassifizierungen waren die Werte der Blutpässe der Profis und die obligatorische Untersuchung aller Teilnehmer am 1. Juli 2010 unmittelbar vor Tourstart. Laut L'Équipe signalisiere die Sparte sechs bis zehn Punkte einen "überwältigenden Verdacht", was wohl über kurz oder lang Sanktionen nach sich ziehen dürfte.

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Von null bis eins gelte der Fahrer laut UCI-Liste als "sauber". Von zwei bis vier gelte ein geringer Verdacht, der von gewissen Abweichungen in den Blutprofilen gespeist wird. Ab fünf Punkte könnte eine Nachuntersuchung angeordnet werden.

Hondo wies die Verdächtigungen zurück. "Das überrascht mich sehr. Jetzt muss die UCI erklären, wie es zu solchen Listen kommt. Es geht um Rufschädigung. Ich kann für mich nur sagen, dass meine Werte gleichbleibend und unauffällig waren. Jeder, der will, kann meine Werte einsehen. Nach Ende der Tour 2010 wurde ich dreimal kontrolliert und in diesem Jahr erst zweimal. Bei einem angeblich Hochverdächtigen wäre das doch sehr wenig", sagte der 37-jährige Wahlschweizer am Freitag vor dem Start der siebten Etappe des Giro d'Italia in Maddaloni.

Zwei Fahrer erhielten die volle Punktzahl, ein Profi neun Punkte. In der Hondo-Gruppe mit acht Punkten befinden sich weitere zehn Profis. 49 der 198 klassifizierten Fahrer gelten mit null Punkten als sauber, 27 mit Werten über sechs als stärker verdächtigt. Darunter seien nur drei der ersten 20 der vergangenen Tour, die von Contador vor Andy Schleck (Luxemburg) und Denis Mentschow (Russland) gewonnen wurde.

"Das Dokument war ausschließlich für die UCI und die externen Experten der Welt-Anti-Doping-Agentur vorgesehen. Es gelang in die Hände Außenstehender. Dieser Bruch der Vertraulichkeit ist eine ernste Angelegenheit, und wir werden eine Untersuchung einleiten", teilte die UCI laut Cyclingnews mit. Der Verband kündigte über ihren Sprecher Enrico Carpani für diesen Freitag eine ausführlichere Stellungnahme an.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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