Süddeutsche Zeitung

Dopingfall Lance Armstrong:Gegenwind frischt kräftig auf

Lesezeit: 2 min

Es könnte die Woche der Wahrheit für Lance Armstrong werden. Wenn die US-Dopingagentur Usada diese Woche ihre Akten zum Dopingfall Armstrong dem Radsportverband UCI übergibt, ist für den siebenmaligen Tour-Sieger die Frage: Wird der Verband die lebenslange Sperre bestätigen? Experten sprechen derweil von Anzeichen für Blutdoping im Jahr 2009.

Thomas Kistner

Hält sich die amerikanische Anti-Doping-Agentur Usada an die eigene Zeitvorgabe, ist dies die Woche der Wahrheit für Lance Armstrong. Den siebenmaligen Tour-de-France-Gewinner aus Texas hat sie bereits lebenslang gesperrt, rückwirkend bis 1998, nun soll der Radsport-Weltverband UCI dieses Urteil vollziehen - sobald ihm das Beweispaket der Usada zugegangen ist; bis Samstag soll dies geschehen.

"Ich genieße gerade die Ruhe vor dem Sturm", lässt sich eine Person aus dem umfänglichen Zeugen-Kreis gegen Armstrong vernehmen. Dabei frischt der Wind schon jetzt kräftig auf. Michael Ashenden, ein Pionier der Blutdoping-Analytik, legt in diversen kalifornischen Online-Medien dar, dass die in Armstrongs biologischem Pass bei der Tour de France 2009 festgehaltenen Blutwerte deutlich auf eine Manipulation hinweisen würden.

Ashenden teilte dem San Francisco Chronicle zu Wochenbeginn mit, Armstrongs Blutprofile über jene Tour- Wochen zeigten zwei Belastungsindizien an: ein deutliches Absinken der Produktion roter Blutzellen; dazu ein sehr geringer Verlust an Blutkonzentration, deutlich weniger als die für ein dreiwöchiges Etappen-Rennen üblichen zehn Prozent. Armstrong hatte die Tour 2009, den ersten von zwei Comeback-Versuchen, tief enttäuscht als Dritter beendet.

"Eine unterdrückte Produktion roter Blutkörperchen ist ein klassisches Anzeichen für Blutdoping", teilte Ashenden per E-Mail mit. Der Körper reagiere "auf die Gegenwart von überschüssigen Erythrozyten, die im Umlauf sind, mit der Unterdrückung der Produktion junger Blutzellen aus dem Knochenmark".

Der renommierte australische Dopingforscher erklärt weiter, er habe schon vor drei Jahren auf diese Ungereimtheiten hingewiesen, als er einer Expertengruppe angehörte, die für die UCI die Blutpässe erstellte. Jedoch habe allein der Weltverband zu entscheiden, welche Blutprofile ausgewertet werden. Als sie der UCI die Blutpass-Datei übergab, hätte sich die Expertengruppe daher auf ein angemessenes Vorgehen verlassen müssen.

"Für das Auge des Experten war offensichtlich, dass seine ( Armstrongs; d. Red.) bei der Tour 2009 veröffentlichten Werte untypisch waren", sagt der Fachmann. Er habe diese Besorgnis auch bei einem Treffen mit der UCI ausgedrückt. "Sie hörten zu, doch bis heute weiß ich nicht, ob Armstrongs Datei jemals an einen unserer Experten geschickt wurde", schob Ashenden am Dienstag im Fachmagazin velonation nach.

Zuvor hatte in Robin Parisotto bereits ein weiteres Mitglied der neunköpfigen Blutpass-Jury Armstrongs Werte von 2009 angezweifelt. Wie sein Landsmann Ashenden beklagte Parisotto, er habe keine Tiefenanalyse betreiben können, denn es läge an der UCI, die Daten zur weiteren Beurteilung herauszugeben. Ob es eine solche Untersuchung gab, ist nicht bekannt. Für eine Blutpass-Auswertung braucht es nur drei des neunköpfigen Expertengremiums.

Armstrongs Anwalt Mark Fabiani übrigens hat dem heiklen Thema nichts Neues beizusteuern: "Entweder gibt es einen Doping-Test oder nicht - es gibt aber nichts dazwischen", teilte er mit. Armstrong habe sich jedem Test gestellt, auch bei der Tour 2009. Allerdings hat sein Klient nicht nur das Pech, dass die Usada ein anspruchsvolleres Ermittlungsverständnis pflegt. Dem Beweispaket der Betrugsfahnder liegen auch sechs Probe-Befunde Armstrongs von der Tour 1999 bei. Samt sechs wissenschaftlich klaren Epo-Nachweisen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1491810
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.10.2012
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.