Dopingfall Contador:Mit allen Tricks für die Sünder

Der Fall des Tour-de-France-Siegers Alberto Contador zeigt: Die Betrugssystematik ist nicht nur ein Problem dopender Sportler, sondern des organisierten Radsports. Der führt ein bizarres Eigenleben.

Thomas Kistner

Den Leitsatz zum jüngsten Gaunerstück des Radweltverbandes hat Alberto Contador selbst formuliert. Bereits im August, sagt er, habe ihm die UCI erklärt, seine Dopingwerte würden auf einer Lebensmittelverunreinigung basieren, seither stehe er "in ständigem Kontakt mit der UCI". Das ist schön für ihn und entlarvend für die Gepflogenheiten im Spitzensport. Die UCI als Helfer und Tröster des dopingbelasteten Athleten: So kennt man den Laden. Nur, so darf die UCI nicht verfahren, weder nach eigenem noch nach sonstigem Regelwerk.

Contador bestreitet Doping

Alberto Contador bei der Pressekonferenz in Madrid.

(Foto: dpa)

Entlastungsgründe für positiv getestete Athleten dürfen nicht die Funktionäre suchen, und ein steter Kontakt sollte nicht konspirativ, sondern fachjuristischer Natur sein.

Die Wada wusste wohl Bescheid

Tatsächlich wird das anders gehandhabt in der frommen Sportfamilie, für deren globale Vertuschungs- und Verschweigepraxis der Fall Contador nur das Paradebeispiel liefert. Mit nichts zu entschuldigen ist der Umstand, dass Contadors positive B-Probe schon seit Wochen vorliegt, dass das Prozedere also längst abgeschlossen war, aber nicht veröffentlicht wurde. Auch läuft der Hinweis auf relativ geringe Clenbuterol-Werte in jeder Hinsicht ins Leere.

Contador hat einen verbotenen Fremdstoff im Körper, Punkt. Alle Erklärungsversuche obliegen seinen Anwälten, die UCI hat sich da völlig rauszuhalten. Geradezu bizarr aber ist die Vorgehensweise, da Contadors Befunde auch noch massiv den Verdacht auf Eigenblutdoping nähren: Ein plötzlich zehnfach erhöhter Wert des Blutweichmachers Plastisizer im Körper lässt nach Expertenurteil den Schluss zu, dass eine Behandlung mit Blutbeuteln stattgefunden haben dürfte, die mit solchen Weichmachern behandelt sind.

In diese Verschwörung um einen des Dopings Hochverdächtigen passt alles Weitere, auch, dass die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada wohl Bescheid wusste. Sie ist nur noch ein Alibi-Konstrukt, verlängerter Arm der Sportverbände, die sie regieren. Die Politik, die einst die Wada mit Getrommel aus der Taufe hob, hat sich anderen Feldern zugewandt; die Welt hat größere Probleme als Doping.

Ein Kartell des Schweigens

Und wen erstaunt, dass UCI-Boss Pat McQuaid jetzt der Lüge bezichtigt wird? Am Donnerstag hat er den Fall Contador eingeräumt, den er am Mittwoch noch strikt bestritt. Ist es kein abgekartetes Spiel, wenn nachts die Drähte zwischen der UCI-Zentrale in der Schweiz und Spanien glühen, woraufhin Donnerstagmorgen ins Hotel geladen wird, in dem Contadors fromme Offenbarung abläuft?

Es ist ein Kartell des Verschweigens, wie man es aus der Causa Lance Armstrong kennt. Die UCI kämpft mit allen Tricks für ihre Sünder, denkbare Motive reichen, gerade bei Armstrong, bis tief in wirtschaftliche Verflechtungen mit der Radbranche selbst hinein. Der Fall des Tour-Siegers Contador zeigt nun: Die Betrugssystematik ist nicht nur ein Problem dopender Sportler, sondern eines des organisierten Sports. Dieser führt ein bizarres Eigenleben im Schutz seiner Autonomie, die ihn vor juristischen oder politischen Eingriffen weitestgehend schützt. Nur deshalb kann es so ein System geben.

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