Dopingdebatte in Deutschland:Schusters verstörende Logik

Bernd Schuster Doping

Verstörende Äußerungen von Bernd Schuster

(Foto: picture alliance / dpa)

Bernd Schuster sorgt mit einer Äußerung für Aufsehen: Der Fußballtrainer argumentiert ernsthaft, es sei gar kein Doping, wenn man einen Fußballer mit Trainingsrückstand auf Normalform zurückdopt. Mit seiner Meinung steht Schuster nicht einmal alleine da.

Von Boris Herrmann

Bernd Schuster wäre vor einiger Zeit beinahe Fußball-Trainer des schwerreichen VfL Wolfsburg geworden, stattdessen ist er jetzt beim ehemals schwerreichen FC Málaga in Andalusien beschäftigt. Er gilt als ein Mann der klaren Worte, dafür wird er mancherorts verehrt und mancherorts verachtet. In einem Interview mit der Sport-Bild hat Schuster jetzt ein paar verstörend klare Worte zum Thema Doping von sich gegeben. Sie dürften vor allem jene Beobachter bestätigen, die sagen, dass dieser Schuster schon immer seltsam war. Er sagte, solange die Verabreichung der Dopingmittel der "reinen Regeneration" diene, "habe ich kein Problem damit".

Schuster führte aus: "Es geht aber nicht darum, dass ein Spieler auf 120, 150, 180 Prozent gebracht wird. Also um keine Leistungssteigerung." Und weiter: "Wenn ein Spieler nach einer Verletzung zwei, drei Wochen schneller wieder fit ist, dann macht das doch sogar Sinn." Es gehe darum, den Spieler "so schnell wie möglich wieder auf sein Niveau zu bringen".

Noch einmal, zum Mitschreiben. Schuster argumentiert ernsthaft: Wenn man einen Fußballer mit Trainingsrückstand auf Normalform zurückdopt, sei das gar kein Doping. Man könnte solch eine Meinungsäußerung, die jeglicher Logik entbehrt, einfach ignorieren, wenn sich dahinter nicht scheinbar ein allgemein verbreitetes Denkmuster verbergen würde. Im deutschen Fußball ist dieses Muster offenbar allgegenwärtig, wie zuletzt die hitzige Auseinandersetzung um die Studie "Doping in Deutschland" belegte. Die Autoren Giselher Spitzer und Erik Eggers arbeiten darin unter anderem einen Dopingfall im deutschen Team bei der WM 1966 auf.

Der Deutsche Fußball-Bund gab im Frühjahr 2012 - hinter dem Rücken der Wissenschaftler - ein Gutachten in Auftrag, um diesem Vorwurf zu begegnen. Gutachter war Martin Nolte, der Leiter der juristischen Kommission der nationalen Anti-Doping-Agentur Nada. Nolte argumentierte in seiner Einschätzung ganz ähnlich wie Bernd Schuster. Er bestreitet nicht, dass "mit Ephedrin eine verbotene Substanz in Urinextrakten deutscher Spieler" gefunden worden sei. Allerdings sei es dabei nicht um eine "Leistungssteigerungsabsicht" gegangen, sondern lediglich darum, bei verschnupften Spielern die "normale Leistungsfähigkeit" wiederherzustellen. Der DFB und der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) begründen auf Basis dieses Gutachtens, dass es 1966 keinen Dopingfall gegeben habe.

Ähnlich argumentierte übrigens auch der Freiburger Sportmediziner Joseph Keul, als er in den Achtzigerjahren Steuergelder für seine angewandten Dopingstudien beantragte. Um Trainingsumfänge zu reduzieren und die Gelenke zu schonen, müsse man Anabolika verabreichen, so Keul. Bernd Schusters jüngste Einlassungen geben diesem Denkmuster nun eine neue, brisante Dimension. Zumal der Europameister von 1980 auch zugab, zu seiner aktiven Zeit "irgendwelche Sachen" von den Ärzten bekommen zu haben.

Ein anderer deutscher Europameister von 1980 hatte sich Ende der Achtziger übrigens auch schon einmal für die Einnahme von Anabolika zu Rehabilitations-Zwecken ausgesprochen. Sein Name: Felix Magath.

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