Süddeutsche Zeitung

Doping vor Olympia:Doping gehört dazu wie Brot und Wasser

Kurz vor den Olympischen Spielen ist die Schlacht gegen Doping nicht verloren - denn sie hat nie richtig stattgefunden.

Von Thomas Kistner

Russlands Spitzenfußballer waren dieser Tage in freudiger Erwartung: Vor ihrem Länderspiel-Doppelpack gegen Litauen und Frankreich rechneten sie beim Trainingscamp in Nowogorsk mit dem Besuch des Dopingkontrolleurs. Blut- und Urintests seien beim ganzen Kader fällig, tat der Mannschaftsarzt kund. Gut, das vorher zu wissen. Man will ja nicht dumm erwischt werden in diesen Zeiten, in denen gerade Autokratien wie Russland oder China wieder in der alten Verdachtsfalle stecken: dass auf breiter Linie und mit staatlicher Hilfe gedopt wird.

Die Nachrichten von der östlichen Dopingfront sind derzeit mal wieder bemerkenswert dicht. Bei den russischen Gehern Sergej Kirdjapkin und Olga Kaniskina sollen gemäß eines Urteils des Internationalen Sportgerichtshofes (Cas) die nächsten Goldmedaillen der Londoner Sommerspiele 2012 einkassiert werden. Sergej Bakulin verliert sein WM-Gold von 2011 über 50 Kilometer. Geher-Trainer Viktor Tschegin wird lebenslang gesperrt - zu viele seiner Schützlinge flogen schon auf. Und nach Recherchen der Times soll Sergej Portugalow, offenkundig einer der medizinischen Drahtzieher im flächendeckenden Skandal um die russischen Leichtathleten, auch im Fachbereich Schwimmen tätig gewesen sein.

Die Chinesen dementieren empört

Die Chinesen befinden sich derweil noch im Stadium schwer empörter Dementis. Ja, es gibt die von Medien enthüllten Positivfälle bei den nationalen Schwimmern, jeweils drei mit Clenbuterol und mit einem Verschleierungsmittel. Aber "höchst unangemessen" sei die Behauptung, diese seien vertuscht worden, um Unruhe vor der Olympia-Qualifikation zu vermeiden. Es sei vielmehr alles "in Übereinstimmung mit den Vorschriften" abgelaufen, ließen die Verantwortlichen verlautbaren.

Das Gesamtbild ist aber so entlarvend, dass sich nur noch eine Instanz beharrlich den Kräften der Vernunft entgegenwirft: das vom Deutschen Thomas Bach angeführte Internationale Olympische Komitee. Klar, im Sommer startet Olympia in Rio de Janeiro, und den Eindruck globaler Schummel-Spiele kann das IOC nicht brauchen. Nicht wegen des Dopings, das gehört vielerorts dazu wie Brot und Wasser zum täglichen Leben.

Der Sport wird argwöhnischer beäugt als früher

Aber der Sport wird insgesamt immer argwöhnischer beäugt, und nun zeigt der Pharmabetrug im olympischen Kernsport so gewaltige Ausmaße wie die Korruption im Fußball - das könnte die Geldgeber zittrig machen. Doch auch diese konzentrieren sich, zum Glück der Funktionäre, im Fußball wie bei Olympia ja zunehmend in jener Weltregion, die als Finanzier der Zukunft gilt: im rohstoffreichen Osten. Und eingedenk westlicher Ermüdungstendenzen verlagert sich mit dem Sponsoring auch das Sportgeschehen dorthin. Nach diesem Sommer finden die Olympischen Spiele in Korea, Japan und China statt, die Fußball- Weltmeisterschaften in Russland und Katar - und danach wohl in China.

Bös, wer Böses dabei denkt. Wie beispielsweise Andrea Gotzmann. Die Chefin der deutschen Anti-Doping-Agentur (Nada) kritisiert die Augenwischerei, die das IOC nun für das Publikum betreibt: Es setzt eine Task Force ein und beschwört effizientere Tests. Gotzmann sagt offen, dass der Zug längst abgefahren ist. Gedopt werde "ja nicht drei Tage vor den Spielen, jetzt ist die Zeit, wo man sich vorbereitet und den Benefit hat - jetzt müssen die Systeme lückenlos laufen". Das tun sie. Nur halt nicht die Testsysteme.

Tatsächlich ist die Sache einfach so: Die Schlacht gegen Doping ist nicht verloren. Denn sie hat nie richtig stattgefunden.

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Quelle:
SZ vom 26.03.2016
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