Doping-Verdacht gegen Eisschnellläuferin:Brisante Zeugenliste

Dem deutschen Sport droht im Olympiajahr ein neuer Doping-Skandal: Eine Eisschnellläuferin hat offenbar ihr Blut auf verbotene Weise mit UV-Licht behandeln lassen. Die Nationale Anti-Doping-Agentur hat bereits ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Andreas Burkert

Ein bislang vom deutschen Sport kaum wahrgenommenes Verfahren der Erfurter Staatsanwaltschaft gegen einen langjährigen Vertragsarzt des Olympiastützpunktes Thüringen droht sich zur größeren Dopingaffäre auszuweiten.

Doping - Beutel mit Eigenblut liegen in einem Kühlfach

Das Verfahren gegen einen Erfurter Sportmediziner könnte sich zu einer größeren Dopingaffäre ausweiten.

(Foto: dpa)

Ermittelt wird gegen einen Erfurter Sportmediziner wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz (AMG / §95, Absatz 1, 2a.: " . . . zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr bringt, verschreibt oder bei anderen anwendet . . .").

Sportarzt Andreas F. soll Eisschnellläufer, aber auch Radsportler und Leichtathleten mit einer verbotenen Eigenblut-Therapie behandelt haben, bei der entnommenes Blut mit UV-Licht bestrahlt und wieder dem Körper zurückgeführt wird (AZ 674 JS 36868).

Gegen eine Eisschnellläuferin hat die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) aufgrund der Aktenlage bereits ein Disziplinarverfahren eingeleitet, da es sich um einen Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen handeln würde.

Im Zuge des Verfahrens werden weitere Sportler als Zeugen vernommen - womit weitere Verfahren drohen könnten. Wie Hannes Grünseisen, Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt, der SZ bestätigte, umfasse die Liste der einzuvernehmenden Athleten "eine Zahl im zweistelligen Bereich".

Auf den Arzt war die Staatsanwaltschaft München im Zuge der Ermittlungen "gegen Unbekannt" zur mutmaßlichen Affäre um Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein gestoßen. Bei der wegen auffälliger Blutwerte für zwei Jahre gesperrt gewesenen Eisschnellläuferin, bei Betreuern, anderen Athleten sowie bei der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft in München waren Beamte erschienen.

Zur Aktion des Bundeskriminalamtes im Frühjahr 2010 hatte Bundestrainer Markus Eicher offiziell Ermittlungen gegen Eissprinterin Heike Hartmann (Erfurt/Inzell) und Bente Kraus (Berlin) bestätigt. Während der - später eingestellten - Ermittlungen stieß man auf den Erfurter Mediziner. Die Münchner Akten gingen an Erfurt über - die Praxis des Arztes, dies berichtete damals der Deutschlandfunk, war im April 2011 Ziel einer Razzia, ebenso Räume des Erfurter Stützpunktes am Steigerwaldstadion.

"Eine gewisse Tragweite"

Der Olympiastützpunkt nahm diesen spektakulären Vorfall zum Anlass, die Kooperation auf Honorarbasis mit Andreas F. trotz der vieljährigen Zusammenarbeit sofort zu beenden. "Ich glaube, dass er nichts wissentlich falsch gemacht hat", sagte Stützpunktleiter Bernd Neudert am Freitag der SZ. "Aber wir haben ihn umgehend suspendiert. Denn bei diesem Thema können wir keine Kompromisse machen."

Andreas F., der sich laut Justizsprecher Grünseisen, "nicht zur Sache einließ", müsste jedoch als Insider bewusst gewesen sein, dass die UV-Bestrahlungsmethode verboten ist - nach eigenen Angaben hat er im Spitzensport Athleten bei "Wettkampfbetreuungen und Trainingslagern der Vereine und Nationalmannschaften" (Homepage) begleitet.

Die in ihrer Wirkung umstrittene Eigenblut-Methode zur Verbesserung u.a. der Sauerstoff-Aufnahmefähigkeit ist bei der Nada seit Jahren verboten; der Code der Welt-Anti-Doping-Agentur verbietet seit 2011 sogar jegliche Blutmanipulation, selbst bei kleinen Mengen und medizinischer Indikation. Die Staatsanwaltschaft interessiere sich für mögliche Verstöße "gegen das AMG ab 2006", betonte Sprecher Grünseisen. Bei einem Urteilsspruch droht dem Arzt Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.

Den Sportlern drohen Dopingsperren. "Die Nada war frühzeitig über das grundsätzliche Vorgehen der Staatsanwaltschaften informiert und hat zudem eigene Ermittlungen angestellt", teilte deren Sprecher Berthold Mertes mit. Das erwähnte Verfahren gegen eine Sportlerin sei im Sommer 2011 eröffnet worden. "In anderen Fällen prüfen wir dies."

Gegen die Berlinerin Pechstein, die weiterhin jeden Dopingvorwurf zurückweist, läuft nach SZ-Informationen nicht das erwähnte Nada-Verfahren.

Es ist aber davon auszugehen, dass sich unter den Namen auf der Zeugenliste zum Teil auch Athleten aus Olympia-Kadern befinden dürften. Justizsprecher Grünseisen macht zu dieser brisanten Zeugenliste keine konkreten Angaben. "Aber schwerpunktmäßig handelt es sich um Erfurter Sportler", um Thüringer oder dort am Stützpunkt angesiedelte Athleten. "In etwa zwei Monaten" seien die Ermittlungen abgeschlossen.

Eine mit den Vorgängen vertraute Person sagte am Freitag, die Angelegenheit Andreas F. könne "eine gewisse Tragweite erhalten".

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