Geheimstudie zu Doping:Beflügelt von der Mini-Dosis

Lesezeit: 2 min

Ein Proband bei den Ausdauertests der Studie. (Foto: Screenshot/France2)
  • Eine Studie im Auftrag des französischen Fernsehens zeigt, wie effektiv moderne Doping-Methoden in Mikrodosierungen sind.
  • Diese Art des Dopings ist von Ermittlern nicht nachzuweisen, da die verbotenen Mittel vom Körper sehr schnell abgebaut werden.
  • Die Probanden wurden 29 Tage lang gedopt und erzielten teilweise enorme Leistungssprünge.

Von Thomas Kistner

Doping bringt enorme Vorteile. Und es lässt sich auch heute noch, selbst mit bekannten Substanzen, fast risikolos durchführen. Das zeigt jetzt eine klinische Studie von französischen Sportwissenschaftlern, die der Fernsehsender France TV in Auftrag gegeben hatte. Am Ende hatte das Geheimprojekt auch die Erfahrungswelt der Probanden bereichert: Er fühle sich "wie auf einen anderen Planeten" versetzt, beschrieb einer der Studienteilnehmer den beflügelnden Effekt von Blut- und Hormondopingmitteln.

Acht Ausdauerathleten mit europäischem Leistungsniveau hatten an der Studie des Pariser Sportphysiologen Pierre Sallet teilgenommen, der Wissenschaftler wollte die Grenzen der Dopingbekämpfung aufzeigen. Allein 18 Monate lang musste Sallet um die Genehmigungen für das Humanexperiment kämpfen, dann gaben eine Ethikkommission sowie die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada grünes Licht.

Haben nicht nachweisbare Mikro-Dosierungen eine Wirkung?

Die Sportärzte dopten 29 Tage lang ihre acht Probanden - zugleich wurden in enger medizinischer Betreuung und ständiger Anbindung an ein Labor massive Belastungstests durchgeführt. Wattzahlen und Laufzeiten wurden gemessen und via Gesichtsmasken der Sauerstoffverbrauch kontrolliert. Ein Fernsehteam begleitete das diskrete Projekt über die gesamte Laufzeit.

Freiburger Kommission
:Doping-Aufklärung wird heikler

Zwei Mitglieder verlassen binnen kurzer Zeit die Freiburger Dopingkommission und attackieren die Vorsitzende. Doch die Mehrheit unterstützt die Kriminologin - und die Erkenntnisse werden brisanter.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Im Kern ging es um die Frage, ob und wie das heutige Dopingkontrollsystem mit bekannten und gängigen Betrugsmaßnahmen zu umgehen ist. Und daneben um die Frage, inwieweit nicht nachweisbare Mikro-Dosierungen von Dopingmitteln tatsächlich eine leistungssteigernde Wirkung entfalten. Die Resultate sind aufsehenerregend.

Keine Entdeckung zu befürchten

Nicht nur die Probanden schwärmten von unnatürlichen Kräften, die ihnen zunehmend die Trainingsfron erleichterten. Tatsächlich verhalfen ihnen die kleinen Dopinggaben zu beeindruckenden Leistungssprüngen. Ein Proband, der täglich 24 Kilometer rennt, steigerte seine Laufzeit während der Studie um zehn Minuten - und konnte sich beim Laufen unterhalten, wie er staunend berichtete.

Die wichtigste Erkenntnis der am Sonntagabend im französischen Fernsehen ausgestrahlten Studie lautet allerdings: Im Ernstfall hätten die wissenschaftlich kontrollierten Dopingbetrüger keinerlei Entdeckung befürchten müssen. Die Mikro-Dosierung der verabreichten Substanzen sorgte dafür, dass es keinerlei Auffälligkeiten in ihren biologischen Blutpässen gab.

Der biologische Pass beinhaltet das individuelle Blut-Profil eines Athleten. Seit Jahren werden solche Labordokumente für immer mehr Spitzenathleten erstellt. Zugleich werden diese Bio-Pässe von Sportverbänden und Dopingfahndern gern als neue Wunderwaffe im Kampf gegen den Pharmabetrug propagiert. Bei der französischen Studie zeigten nun alle Pässe der Probanden, darunter einer, der schon vor drei Jahren erstellt worden war, keine verdächtigen Abweichungen.

Gedopt wurden die Probanden jeweils mit einem Viertelliter Eigenblut, das ihnen bei Studienbeginn entnommen und am 20. Tag reinfundiert wurde. Hinzu kamen der Blutverdicker Erythropoetin (Epo), Wachstumshormon sowie Kortikosteroide. Diese drei Substanzen wurden ihnen wechselweise an jedem zweiten Versuchstag injiziert. Gespritzt in Mikrodosierungen sind sie nur in sehr kurzen Zeitfenstern nachweisbar, der Körper baut sie rasch ab.

Deshalb wird im Elitesport Doping mit Mikrodosierungen vorzugsweise am Abend betrieben: Während der Nachtstunden ist es den Dopingkontrolleuren nicht mehr erlaubt, Athleten aus dem Bett zu klingeln. Und am nächsten Morgen sind die verräterischen Spuren verschwunden.

Alle berichten von positiven Auswirkungen

Der Nürnberger Pharmakologe Fritz Sörgel, der den französischen Beitrag genau studiert hat, zeigt sich beeindruckt, "dass so eine Studie überhaupt einmal durchgeführt wird". Seine persönliche Einschätzung insbesondere der Wirkung von Epo deckt sich mit dem, was die Probanden im TV-Beitrag als "euphorisierend" beschrieben. "Das ist genau das, was wir von geständigen Doping- sündern auch kennen", sagt Sörgel, und verweist darauf, dass Erfahrungswerte, "die sich mit der Realität im Doping- geschehen des Spitzensports decken, die Aussagekraft der Studie verstärken".

Bericht zu Doping im Radsport
:Wie der Weltverband Lance Armstrong schützte

Der Weltverband verteidigt Lance Armstrong jahrelang: Ein unabhängiger Bericht beschreibt die Doping-Vergangenheit des Radsports. Doch bei anderen Vergehen sah die Kommission nicht so genau hin.

Von Lisa Sonnabend

Auch andere Versuchsergebnisse bestätigen, was aus Dopingbeichten bekannt ist. Im 3000-Meter-Hallenlauf schwankten die Verbesserungen zwischen 10 und 26 Sekunden. Im Radfahren verbesserten sich die Gedopten um 2,3 Prozent, der Beste sogar um fünf Prozent. Und alle berichteten von positiven Auswirkungen insgesamt auf den Alltag. Bereits um fünf Uhr morgens spüre er eine enorme Energie in sich, schwärmte ein Proband.

© SZ vom 05.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: