Urteil vor Olympia:Was tun nach Russlands Staatsdoping?

Olympia: Eine russische Fahne wird bei den Olympischen Spielen geschwenkt

Eine russische Fahne wird über den olympischen Ringen geschwenkt.

(Foto: David J. Phillip/AP)
  • An diesem Montag wird in Lausanne über Sanktionen für das russische Staatsdoping entschieden.
  • Das IOC um Präsident Thomas Bach lehnt härteste Sanktionen schon mal ab.
  • Die "unschuldige neue Generation sauberer russischer Athleten" müsse "vor Verdacht geschützt werden", heißt es in einer Empfehlung.

Von Thomas Kistner

Am Montag entscheidet der Vorstand der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) in Lausanne über Russlands Staatsdopingkomplott. Aber die Prämissen setzte schon am Wochenende das Internationale Olympische Komitee. Im Zuge eines "Gipfel"-Treffs stellte das vom deutschen Wirtschaftsanwalt Thomas Bach regierte IOC klar, dass es härteste Sanktion ablehnt. Ein Startverbot für russische Athleten in Tokio 2020 finden die Ringe-Makler inakzeptabel, auch dürften Sportevents in Russland nicht pauschal ausgesetzt werden. Es müssten nur "die Schuldigen angemessen bestraft und die unschuldige neue Generation sauberer russischer Athleten vor Verdacht geschützt werden".

Aber wer ist unschuldig? Der russische Datenbetrug, den es zu sanktionieren gilt, hat just darauf abgezielt, Schuld und Unschuld zu verwaschen: Aus Tausenden manipulierten Labordaten lassen sich die Betrüger gar nicht mehr ermitteln. Das war das Motiv dieser Beweismittelvernichtung, die bis 2019 anhielt. Wie enorm ist der Druck, den Moskau auf das IOC ausübt; wie gewaltig sind die Druckmittel?

Das IOC begnügte sich nicht mit der Vorgabe, dass Russland in Tokio unbedingt dabei zu sein habe, es droht eigene Nachbetrachtungen an. "Was die Sanktionen nach dieser Manipulation betrifft", heißt es in der Erklärung, "werden wir diese noch im Detail bewerten." Was das heißt, lässt sich gut an der Urteilsempfehlung ablesen.

Die Gipfelteilnehmer schlagen Alarm

Eingedenk solcher Einflussnahmen pro Moskau lesen sich andere Teile der Gipfel-Deklaration wie eine Büttenrede. Das IOC betont seine oberste Priorität, "die Athleten in den Mittelpunkt der Olympischen Bewegung zu stellen". Das sieht der mündige Teil der Athleten nicht so. Dass sie sogar aus der Entscheidungsfindung um Russland ausgeschlossen werden sollten, verriet soeben ein Protestbrief der Wada-Kommissionschefs für die Athleten (Beckie Scott) und Erziehung (Edwin Moses). Letzterer hatte sich bei Wada-Chef Craig Reedie darüber beschwert, dass er und Scott zur Montagssitzung erstmals nicht eingeladen waren. Reedie, IOC-Mann seit 25 Jahren, erwiderte, die Wada habe leider gerade ihre Regeln so verändert, dass Kommissionschefs nur noch zum Vorstandstreff geladen werden, falls dort ihre Themen auf der Agenda stünden - deshalb gebe es "absolut keine Verpflichtung, Sie einzuladen". (SZ vom 7./8. Dezember). Erst auf Moses' Drängen lenkte der 78-jährige Reedie ein.

Und wie verhält es sich mit der "zunehmenden Politisierung des Sports"? Da schlagen die Gipfelteilnehmer Alarm. Die Regierungen sollen gefälligst "respektieren", dass das IOC die Welt im friedlichen Wettbewerb durch Sport versammle. Die Angst geht um, dass "Regierungen Athleten und Teams auffordern, nicht an Wettkämpfen in bestimmten Ländern teilzunehmen, oder zu Boykotten aufriefen, dass sie Visa-Vergaben oder das Hissen bestimmter Nationalflaggen" etc. blockierten. All das, klagen die Olympier, "missachtet die politische Neutralität des Sports".

Neutral ist, was das IOC in seinem hochpolitischen Tagwerk vollbringt. Etwa die zahnlosen, weltweit scharf kritisierten Russland-Sanktionen im ersten Staatsbetrugsverfahren. Sie haben Moskaus Sportbosse offenbar ermutigt, fortzufahren und jene Daten zu verfälschen, die das Ausmaß des Komplotts hätten aufzeigen können.

Gerade schieben die USA ein Anti-Betrugs-Gesetz an, das Doping weltweit ihrer Strafverfolgung unterstellt. Dass der Sport nun verzweifelt dagegen lobbyiert, liegt in der Natur der Sache.

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