Doping:Russland hat wenig zu befürchten

Doping: Einmarsch der russischen Athleten bei Olympia in Sotschi: Danach gab es einige auffällige Dopingproben

Einmarsch der russischen Athleten bei Olympia in Sotschi: Danach gab es einige auffällige Dopingproben

(Foto: AP)

Der Aufschrei über die Enthüllungen des russischen Dopingsystems war riesig - doch große Sanktionen blieben aus. Wie wird der Weltsport reagieren, sollte der Betrug nahezu folgenlos bleiben?

Kommentar von Johannes Aumüller

Die Replik aus Moskau ließ nicht lange auf sich warten. Die Anti-Doping-Agenturen sollen bitteschön in ihren Ländern den Urin einsammeln und sich ansonsten aus der Politik raushalten. So hat das Witalij Mutko formuliert, Russlands mächtiger und inzwischen zum Vize-Premier aufgerückter Sportfunktionär. Derartige Unflätigkeiten des Apparatschiks sind keine Seltenheit, in diesem Fall liegen sie in zwei Forderungen begründet, die 19 nationale Anti-Doping-Agenturen (Nados) aus vorwiegend westlichen Ländern nach einem Treffen schriftlich festhielten.

Erstens: alle russischen Verbände unbefristet von den sportlichen Wettbewerben auszuschließen und höchstens einzelne Athleten unter neutraler Flagge starten zu lassen. Zweitens: Russland alle bereits zugeschlagenen Großereignisse zu entziehen, auch die Fußball-WM 2018. Bis sich im Land wirklich etwas geändert hat im Bewusstsein und im Kampf gegen Doping.

Das ist ein sinnvoller Ansatz nach all den Enthüllungen über das Manipulationsausmaß, dokumentiert nicht zuletzt in zwei Reporten des von der Welt-Anti-Doping-Agentur eingesetzten Sonderermittlers Richard McLaren. Aber der klassische sportpolitische Kern um das Internationale Olympische Komitee (IOC) und zahlreiche Spitzenverbände geht einen anderen Weg. Ja, ein paar Veranstaltungen wie die Bob-WM sind Russland entzogen worden, aber ihr Prinzip lautet: Das russische Sportsystem und der russische Staat werden weitgehend verschont und das Dopingproblem auf die einzelnen von McLaren identifizierten Athleten heruntergebrochen. Circa drei Dutzend Langläufer, Biathleten, Skeletonis wurden so bereits suspendiert.

Das ist nicht nur eine zweifelhafte Zuordnung der Verantwortlichkeit. Es wird auch zu manch langwierigem Verfahren führen. Ein Beispiel: McLaren hielt fest, an welchen bei den Spielen 2014 in Sotschi genommenen Proben sich Kratzspuren befinden. Das ist der Hinweis darauf, dass sich der russische Geheimdienst an diesem Röhrchen zu schaffen machte, um den mutmaßlich Doping-belasteten Urin gegen sauberen umzutauschen und im Kontrolllabor ein negatives Ergebnis zu erzielen. Jetzt gibt es also Athleten, deren Proben manipuliert wurden, die aber keinen Positivtest haben und jedes Dopingvergehen strikt leugnen. Sie könnten ja auch nicht wissen, was mit ihren Tests nach der Urinabgabe passierte.

Was also tun in dieser Gemengelage? Der internationale Bob- und Skeletonverband suspendierte ein russisches Quartett zuerst, dann hob er die Sanktion wieder auf. Jetzt sollen die weiteren Untersuchungen abgewartet werden. Aber woher können auf einmal weitere, ganz spektakuläre Neuigkeiten kommen, wenn McLaren sie während seiner Arbeit schon nicht fand und wenn dem Verband die Manipulationskratzer für eine Sanktion nicht ausreichen? Es bleibt also abzuwarten, wie viele Athleten tatsächlich eine lange Sperre erhalten.

Der Aufschrei über die Enthüllungen zu Russlands Dopingsystem war riesig. Nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch im Sport selbst: Die Athleten proben den Aufstand gegen ihre Führung, Paralympier und Leichtathleten kapseln sich ab, die Worte der Nados sind deutlich. Wie wird die Reaktion erst sein, wenn sich manifestiert, dass die Doping-Enthüllungen quasi folgenlos bleiben?

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