Süddeutsche Zeitung

Doping:"Ohne Medikamente können Asthmatiker ihren Sport nicht ausüben"

Eine Sportmedizinerin erklärt, warum Leistungssportler wie Christopher Froome auf den Wirkstoff Salbutamol angewiesen sein können und warum auch für Regionalliga-Fußballer strengere Regelungen gelten sollten.

Interview von Matthias Schmid

Birgit Friedmann-Bette leitet kommissarisch die Abteilung Sportmedizin der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg. Sie betreut zahlreiche Athleten am Olympiastützpunkt der Metropolregion Rhein-Neckar. Im Interview spricht die Professorin über Asthmamittel im Sport und anabole Nebenwirkungen und sie erklärt, warum sie medizinische Ausnahmegenehmigungen für sinnvoll hält.

SZ: Frau Friedmann-Bette, im Urin des Tour-de-France-Siegers Chris Froome ist eine erhöhte Konzentration von Salbutamol gefunden worden. Er verweist auf eine Asthmaerkrankung. Warum braucht er für den Wirkstoff keine medizinische Ausnahmegenehmigung?

Birgit Friedmann-Bette: Eine sogenannte Therapeutic Use Exemption (TUE) braucht man nicht für Salbutamol, Salmeterol und Formoterol. Es gibt aber Einschränkungen: Man darf als Leistungssportler in 24 Stunden nur maximal 1600 Mikrogramm und in 12 Stunden maximal 800 Mikrogramm Salbutamol inhalieren, in Tablettenform ist es verboten. Und laut Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) darf im Urin die Konzentration von 1000 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml) nicht überschritten werden.

Bei Froome lag der Wert bei 2000 ng/ml.

1600 Mikrogramm entsprechen 16 Sprühstößen. Bei einer normalen Dosierung werden dreimal zwei Hübe empfohlen, um die akuten Beschwerden gut behandeln zu können. Damit bleibt nach meiner Kenntnis die Urinkonzentration deutlich unter 1000 ng/ml.

Kann das Mittel die Leistungsfähigkeit steigern?

In der erlaubten Dosierung, angewandt bei einem Astmatiker ist es nicht leistungssteigernd. Aber es ist ein Stimulanz, das in höheren Dosierungen Leistungssteigerungen bewirken kann. Man geht auch von einer anabolen Wirkung aus.

Man hat das Gefühl, dass im Leistungssport Asthmaerkrankungen verbreiteter sind als in der normalen Bevölkerung.

Das kann ich nicht generell bestätigen. Es gibt Untersuchungen, dass etwa fünf Prozent der Menschen in Deutschland an Asthma leiden. Und auf die gleiche Häufigkeit kommen wir auch hier an der Sportmedizin in Heidelberg, wo wir die Fälle dokumentieren. Es gibt aber schon Sportarten, in denen asthmatische Beschwerden häufiger beobachtet werden, Sportarten, in denen unter ungünstigen Bedingungen geatmet wird. Das konnte in wissenschaftlichen Untersuchungen belegt werden. Betroffen sind beispielsweise Schwimmer, die in gechlortem Wasser trainieren, oder Skilangläufer und Biathleten, die bei intensiven Ausdauerbelastungen Kälte ausgesetzt sind.

Ohne Asthmamittel könnten sie alle nicht an Wettkämpfen teilnehmen?

Richtig, ohne die Medikamente hätten sie massive Beschwerden und könnten ihren Sport nicht ausüben. Und neben dem Belastungsasthma können Sportler natürlich auch saisonal unter allergischem Asthma leiden. Auch sie brauchen dann eine regelmäßige Medikation.

Sind TUEs dann überhaupt notwendig?

Grundsätzlich halte ich sie für sinnvoll. Leistungssportler, die zum Beispiel an Typ 1 -Diabetes mellitus leiden, sind auf Insulin angewiesen, das auf der Verbotsliste steht. Es ist aber wichtig, dass man sich an die Vorschriften und Vorgaben der Wada hält und diese auch konsequent umsetzt. Vor Gewährung einer TUE sollten fachärztliche Unterlagen vorgelegt und von einer Kommission geprüft werden. Eine einfache Bescheinigung des Mannschaftsarztes ist nicht aussreichend. Für Athleten, die keinem Doping-Testpool angehören, zum Beispiel Regionalliga-Fußballer und viele Nachwuchsathleten, gelten diese strengen Regelungen derzeit nicht. Wünschenswert wäre es, wenn diese Athleten spätestens bei einer Dopingkontrolle die Einschätzung eines Facharztes vorlegen müssten, wenn sie eine verbotene Substanz aus medizinischen Gründen einnehmen müssen.

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