Doping in Spanien:"Gold im Dopen"

Die Gold-Läuferin verhaftet, der Verbandsboss hängt mit drin, der Trainer auch: Der Skandal um Martha Domínguez zeigt, wie hemmungslos in Spaniens Leichtathletik offenbar gedopt wurde.

Javier Cáceres

Zumindest den Humor haben sich die Spanier auch nach dem jüngsten Dopingskandal bewahrt. Der eine oder andere jedenfalls. Kaum, dass die Nachrichten von dem offenkundig schwerkriminell organisierten Betrug und der damit einhergehenden vorläufigen Festnahme der 3000-Meter-Hindernis-Weltmeisterin Marta Domínguez sowie 13 weiterer Personen landesweit für Schlagzeilen gesorgt hatte, wurde im Internet schon wieder gefrotzelt.

Marta Dominguez

Marta Dominguez nach ihrem Sieg über die 3000 Meter bei der Leichtathletik-WM in Berlin.

(Foto: dpa)

Sollte jemand einen Soundtrack für die derzeitige Lage suchen, teilte ein Nutzer des Internetdienstes Twitter mit, dann müsse er einen fast vergessenen, jahrzehntealten Gassenhauer aus der Sparte Punkrock hervorkramen: "España se droga", lautet der Titel des Songs, Spanien dopt sich. Der Name der Band: Siniestro Total. Zu Deutsch: Totalschaden.

Eben dies ist, was die spanische Öffentlichkeit nun begutachtet. Die Erschütterung geht über das Erdbeben hinaus, das 2006 von der berühmten "Operación Puerto" ausgelöst wurde. Was auch daran liegt, dass in Domínguez eine überaus beliebte Sportlerin im Fokus steht, und dass die Spanier nicht vergessen haben, wie sehr Frauen zu Zeiten der nationalkatholischen Franco-Diktatur (1939-1975) von jedem gesellschaftlichen Fortschritt ausgeschlossen waren.

Domínguez war wie vor ihr die Tennisspielerin Arantxa Sánchez Vicario ein Mythos der Emanzipation. Nun ist sie das Symbol eines gigantischen Betrugs, in dem es um den Handel mit und den Konsum von Epo, Anabolika, Steroiden und Hormonen geht - und der nun von der spanischen Polizei aufgedeckt wurde. "Gold im Dopen", schrieb die Tageszeitung Público auf ihrer Titelseite, welche sie mit einer in die spanische Flagge gewandete Domínguez schmückte. Doch ob diese Ernüchterung in das Umdenken mündet, das die zuletzt so immens und verdächtig groß gewordene Sportnation Spanien dringend braucht, ist zweifelhaft.

Zumal der Fall Domínguez in vielfacher Hinsicht exemplarisch für die Versäumnisse Spaniens steht. Der Kreis derer, die sich offenbar durch Verschweigen und Vertuschen mitschuldig gemacht haben, ist kaum weit genug zu ziehen. Allein der Umstand, dass unter den Festgenommen vom Donnerstag mehrere zentrale Figuren aus dem Puerto-Plot waren, schreit zum Himmel - allen voran der Gynäkologe Eufemiano Fuentes, seine Schwester Yolanda, ihr gemeinsamer Kurier und Handlanger Alberto León. Dass sie sich in der Leichtathletik-Szene herumtrieben, war "ein offenes Geheimnis", sagte der 5000-Meter-Läufer Jesús España: "Endlich kommt es ans Licht."

Ein offenes Geheimnis war es offenbar vor allem für den seit 21 Jahren von José María Odriozola geführten Leichtathletik-Verband RFEA. Der Biochemiker Odriozola ("Ich lassen mir in Sachen Antidopingkampf von niemandem Lektionen erteilen") sah tatenlos zu, wie der langjährige Trainer von Domínguez, Mariano Díez, nach und nach von dem nun ebenfalls festgenommenen César Pérez abgelöst wurde - obwohl dieser im Hochleistungszentrum Joaquín Blume mehr oder weniger offen mit Drogen handelte.

"Weißt Du eigentlich, dass sie ihn den Blume-Dealer nennen?", habe ihn ein befreundeter TV-Journalist in Bezug auf Pérez gefragt, erzählte Díez nun im Rundfunk, und fügte hinzu, er habe Luis Landa, dem Langstreckenchef im Verband, ebendies weitergetragen. Landa habe bloß abgewiegelt.

Sondereinheit der Zivilgarde

Verwundern kann das kaum. Erstens, weil Marta Domínguez schon seit Jahren als Athletin des Vertrauens von Verbandschef Odriozola gilt. Er ernannte sie gar zur Vizepräsidentin - und servierte sie nun am Freitag flugs wieder ab.

Zweitens hängt mit Manuel Pascua auch Spaniens Leichtathletik-Trainer-Guru schlechthin bis über beide Ohren in der Affäre mit drin. Auch der stets mit Regenmütze und Fischerweste drapierte Pascua musste eine Nacht auf der Wache verbringen. In Medienkreisen galt er als gern gehörter Experte, im Fernsehen war er einer der prominentesten Kommentatoren. Obwohl ihm stets der Ruch des Verbotenen anhaftete. Dritter im Bunde: Eufemiano Fuentes, der Arzt aus der Puerto-Affäre, der zuletzt abstritt, überhaupt noch etwas mit Sport zu tun zu haben.

Er selbst hatte das in einem Interview mit der Zeitung El Mundo erst im Mai versichert. Doch die seit April laufenden Ermittlungen einer Sondereinheit der spanischen Zivilgarde, die abgehörte Telefongespräche, Observationen und nun reichlich beschlagnahmtes Material umfasst, sprechen eine andere Sprache.

Die Zeitung El País will erfahren haben, dass die Staatsanwaltschaft in der Puerto-Affäre Haftstrafen für Fuentes und zwei weitere Mediziner beantragen will - vermutlich ein unangenehmer Kollateralschaden der neuen Affäre.

Für Spaniens Leichtathletik kommt es fast noch schlimmer, ihre Elite ist zutiefst kompromittiert. Neben César Pérez wurde auch seine Frau María José Martínez Guerrero festgenommen, zusammen trainieren sie zwanzig der besten Athleten. Freitagnachmittag mussten einige von ihnen bereits als Zeugen aussagen, darunter Nuria Fernández (1500-Meter-Europameisterin), Mittelstreckler Reyes Estévez, 800-Meter-Läufer Eugenio Barrios und Sprinterin Digna Luz Murillo. Bereits am Vortag war der äthiopischstämmige Crossläufer Alemayehu Bezabeh beim Verband vorstellig geworden - und erklärte, an diesem Wochenende auf die EM in Portugal verzichten zu wollen.

Er räumte ein, zielgerichtet auf den Wettkampf hin gedopt zu haben - und fühlte sich nun ertappt.

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