Doping in Russland:Mutkos wütender Vortrag

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Erklärt seine Sicht der Dinge: WM-Organisator Witalij Mutko bei einer Pressekonferenz in Moskau. (Foto: dpa)
  • Im Kreml widerspricht Witalij Mutko klaren Belegen für staatlich gelenktes Doping beim WM-Gastgeber.
  • Er sagt: "Ich bezeuge vor jedem Gericht, dass Russland kein Doping betreibt; die Vorwürfe wurden nie bewiesen!"

Von Thomas Kistner, Moskau/München

Als die Fußballwelt am Freitag nach Moskau schaute, auf die Auslosung der WM 2018 im Kreml-Palast, war für kurze Zeit vergessen, was 8000 Kilometer westlich vor einem New Yorker Bundesgericht enthüllt wurde: weitere Schmiergeldmillionen. Die flossen offenbar insbesondere an drei Fifa-Funktionäre, die auch an den WM-Vergaben 2018 und 2022 mitgewirkt hatten. Und natürlich war auch kein Thema mehr, dass Witalij Mutko, russischer Vize-Premier und Fußballchef, Stunden vor der Ziehung erneut die klaren Belege vom Tisch gefegt hatte, die inzwischen vorliegen für staatlich gelenktes Doping in Russland generell - und im russischen Fußball speziell.

Bei der Auslosung erwischt der Gastgeber die günstigste Gruppe

Mutkos wütender Vortrag vor 200 Journalisten ("Die Vorwürfe wurden nie bewiesen!") besaß eingedenk der Aktenlage Kabarettreife. Mancher wunderte sich, ob der Funktionär die eigene Veranstaltung demolieren wollte - oder nur eine Botschaft nach innen, ins Veranstalterland senden. Jedenfalls trug Mutko neben Verschwörungstheorien auch Argumente vor wie jenes, das die Nachrichtenagentur Tass verbreitete: Dieses Jahr habe es "zirka 30 Dopingproben" in Meisterschaft, Europacup und bei den Nationalteams gegeben - weshalb er keinen Anlass für schärfere Dopingtests sehe. 30 Tests in zigtausend Spielen? Als Sauberkeitsbeleg im Fußball, der sich nur rituellen Tests nach Spielende beugt, aber keiner effektiven Kontrolle? Solche Auftritte sind verstörend. An Mutkos Seite saß Gianni Infantino, der Fifa-Boss. Auch dessen Weltverband pfeift auf glaubwürdige Anti-Doping-Maßnahmen. Der Schweizer hat als erste Amtshandlung die WM mal eben auf 48 Teams aufgepumpt (ab 2026), ansonsten schlägt er sich vor allem mit eigenen Affären herum. In dem Kontext hat Infantino auch die hauseigene Integritätsorgane zurückgefahren; durch Personalrochaden insbesondere im Ethikkomitee. Die neue Fifa-Chefermittlerin hatte sogar persönliche Drähte zu einem der Angeklagten im New Yorker Betrugsprozess. In dieses Bild passt, dass die Fifa auch unter Infantino weiter die Welt-Anti- Doping-Agentur von WM-Tests fernhält. Die Wada-Fahnder sind just bei der Hochleistungsshow Fußball-WM nur Zaungäste, auch in Russland. Der superreiche Fußball kann sich diese Haltung leisten. Jede andere Sportart hängt am Tropf der Olympischen Spiele, wer mitmachen will, muss sich Regelwerk und Tests der Wada unterwerfen. Nicht aber der Fußball, den ein Rauswurf von den Spielen kaum schmerzen würde. Tatsächlich gestattet die Fifa ohnehin nur U23-Teams den Olympia-Auftritt. Würden sich alle vier Jahre die Superstars im Zeichen der Ringe messen, würde dies dem IOC enorme Mehreinnahmen bescheren - und die Fifa so der eigenen WM Konkurrenz machen.

Vor diesem Hintergrund ist Mutkos Zuversicht zu sehen. Bisher blieb die Fifa in den Fußballbelangen der Russland-Affäre untätig: Obwohl der Report des Wada-Ermittlers Richard McLaren nicht weniger als 34 Fußballer auflistet; der gesamte Nationalkader für die WM 2014 gilt als verdächtig. In mindestens einem Fußball-Vertuschungsfall legt der Report auch eine Verwicklung von Mutko selbst dar. All das sind essenzielle Zutaten des anstehenden Weltereignisses, das mit der WM-Auslosung nun Fahrt aufnimmt. Und an dem Russland mit einem Team teilnehmen wird, das, bemessen an seinem sportlichen Leistungsvermögen, wohl mit allen Fußballgöttern im Bunde sein müsste, um eine akzeptable Platzierung wie das Viertelfinale zu erreichen. Da hilf es nun, dass Russlands Nationalteam, die Sbornaja, die leichteste WM-Gruppe ergattert hat - die deutlich leichteste. Während die anderen sieben Gruppen im Schnitt ihrer Weltranglisten-Platzierungen zwischen Faktor 17,75 und Faktor 25,75 pendeln, weist das Quartett Russland, Uruguay, Ägypten, Saudi-Arabien einen Schnitt von 45 auf. Was auch darauf zurückzuführen ist, dass der Gastgeber selbst von Qualifikationsspielen befreit war und daher keine Ranglisten-Punkte sammeln konnte. Aber eben nur zum Teil. Spannend ist in dem Kontext womöglich dies: Bei einer Probe-Auslosung vor der Live-Zeremonie im Fernsehen, die der russische Sender Perwiy Kanal zeigte und die bald darauf per Twitter kursierte, wurden Russland die Teams Uruguay, Ägypten und Japan zugelost. Eine fast perfekte Mischung; Saudi-Arabien statt Japan erscheint indes noch günstiger. Vielleicht findet sich ja bald ein Mathematiker, um die Wahrscheinlichkeit auszurechnen, dass drei Teams gleich zweimal hintereinander in dieselbe von acht Vierergruppen gelost werden. Nur mal so zum Spaß.

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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