Doping in Russland:Ganz wichtig: Präsident Putin wusste von nichts

Russia escapes total Rio 2016 Olympics ban

Seite an Seite: IOC-Chef Thomas Bach (links) und Russlands Staatspräsident Wladimir Putin während der Olympischen Spiele in Sotschi 2014 - des Events, bei dem das russische Staatsdopingsystem seinen Höhepunkt erreichte.

(Foto: Barbara Walton/dpa)

Gibt Russland nun Staatsdoping zu? Nein, stattdessen wird laviert und revidiert. Von den großen Sportverbänden muss Putin ohnehin kaum Konsequenzen fürchten.

Kommentar von Julian Hans, Moskau

Wenn Eiertanz olympische Disziplin wäre, wären die Russen auf jeden Fall wieder ganz vorne mit dabei. Sogar ohne Anabolika und Epo. Der Eiertanz um die Aussagen der Rusada-Vorsitzenden Anna Anzeliowitsch über die Staatsbeteiligung beim Doping sagt mehr über das Verhältnis des Kremls zum Betrug aus, als es ein klares Geständnis vermocht hätte. Ein Geständnis könnte der Anfang einer Veränderung zum Besseren sein. Lavieren und Wortklauberei sind dagegen nur eine neue Strophe im alten Lied: Wir haben nichts gemacht, aber alle anderen machen es doch auch!

In Moskau wird dieses Lied immer dann angestimmt, wenn Russland in die Kritik gerät. Die Panama-Papers enthüllen, dass ein Cellist und Jugendfreund Putins Milliarden aus russischen Staatsunternehmen über Offshore-Konten bewegt? Alles nur eine Kampagne fremder Mächte gegen den russischen Präsidenten! Offshore-Konten sind doch nichts Außergewöhnliches! Stunden nach Vereinbarung einer Feuerpause wird vor Aleppo ein Hilfstransport der Vereinten Nationen beschossen? Wir waren es nicht! Und, schon vergessen? US-Bomber haben auch ein Krankenhaus getroffen! Zuverlässig stimmt jedes Mal der Chor der anti-westlichen Internationale mit ein.

Gibt Moskau Staatsdoping zu? Langsam: So einfach ist es nicht

Diesmal war es noch nicht mal sensationell, was die Chefin der Anti-Doping-Agentur laut New York Times über Doping in ihrer Heimat gesagt haben soll: "Es war eine institutionelle Verschwörung." Das Zitat sei entstellt und aus dem Kontext gerissen, erklärte die Rusada. Dabei ist der Satz nur Nuancen von dem entfernt, was Wladimir Putin in der vergangenen Woche auf seiner Pressekonferenz sagte. Ja, Doping gebe es in Russland wie übrigens in jedem anderen Land. "Wir sollten das eingestehen und alles tun, um es zu verhindern." Veränderungen müsse es "nicht nur bei den Kadern geben, sondern auch im System".

Gab es also ein Doping-System? Irgendwie schon, aber dann auch wieder nicht, jedenfalls nicht staatlich, jedenfalls wusste der Präsident nichts davon. So hatte das ja auch Anna Anzeliowitsch gesagt. Das Prinzip ist bekannt: Männer in seltsamen Uniformen sind erst Selbstverteidigungskräfte der Krim, dann aber doch irgendwie ein bisschen russische Spezialeinheiten.

Von den großen Sportverbänden muss Putin kaum Konsequenzen fürchten. In deren Gremien reden seit Langem Leute mit, die ihm in Dankbarkeit (und Erpressbarkeit?) ergeben sind. Von Fußball bis Fechten gibt es kaum einen Weltverband, in dessen Führung nicht ein Milliardär oder Politiker sitzt, dessen Gedeih und Verderb von seiner Loyalität zum Präsidenten abhängt. So funktioniert die sprichwörtliche gelenkte Demokratie auf internationaler Ebene.

Doch an der Basis beginnt es zu rumoren. Davon zeugt der offene Brief, in dem mehr als hundert Skilangläufer von IOC-Präsident Thomas Bach Konsequenzen aus dem jüngsten Skandal fordern. Geher, Bobfahrer und Eisschnellläufer haben für 2017 geplante Weltcup-Turniere in Russland abgesagt. Sie verstehen, dass der Betrug letztlich sie selbst gefährdet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: