Süddeutsche Zeitung

Weltmeisterschaft 2018:Ein unmöglicher Gastgeber für die Fußball-WM

Lesezeit: 3 min

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Witalij Mutko konnte zumindest fürs Erste beruhigt sein. Zwar hat der Vize-Premier und sportpolitische Pöstchensammler am Tag nach dem Entscheid in der Doping-Causa viel Schlechtes über sich hören und lesen müssen, auch zu Hause in Russland. Xenia Sobtschak, die bei der Präsidentschaftswahl im März gegen das System Putin antritt, forderte ihn zum Rücktritt auf. Und ein kommunistischer Duma-Abgeordneter reicht gar Klage ein - weil Mutko "das Image des Landes und des russischen Sports" beschädigt habe. Aber entscheidend für Mutko ist, was der Kreml über mögliche Konsequenzen für ihn persönlich denkt und sagt. Und der Kreml ließ am Mittwoch nur mitteilen: "Dieses Thema hat keine Priorität. Priorität hat der Schutz russischer Sportler."

Russlands Staatsdoping-System war nie ein reines Thema der olympischen Welt, sondern stets auch eines des Fußballs, des Weltverbandes Fifa und der WM 2018 in Russland. Aber seit Dienstag ist es das so stark wie nie. Da wurde Witalij Mutko, 58, vom IOC lebenslang von Olympischen Spielen ausgeschlossen, weil er als damaliger Sportminister im Dopingskandal eine "administrative" Rolle gespielt habe. Nun ist die Frage, wie die Fifa damit umgeht: Denn bei Witalij Mutko handelt es sich zugleich um den Präsidenten des Organisationskomitees für die WM 2018.

Es würde eine ohnehin skandalumtoste WM zweifelsohne noch skandalöser machen, falls Mutko im Sommer tatsächlich als Gastgeber auftreten könnte. Nicht nur Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), findet: "Wer so gravierend gegen die Werte des Sports verstößt, der hat im Grunde in einer führenden Position auch in anderen Bereichen des Sports nichts mehr zu suchen."

Mutko ist eigentlich ein Fall für die Fifa-Ethikkommission

Es ist schon bemerkenswert, dass es sich beim Mutko-Bann um den klarsten Part des IOC-Verdikts handelt, das ansonsten so viele Zugeständnisse beinhaltet . Muss man ein Schelm sein, um dahinter die sportpolitische Motivation zu vermuten, dass der Doping-Fokus der Öffentlichkeit verstärkt vom IOC auf die Fifa übergehen soll?

Diese ist arg in Bedrängnis, eine scharfe Reaktion ist aber kaum zu erwarten. Die Bande des Präsidenten Gianni Infantino nach Moskau sind eng, wie es unter führenden Sportfunktionären gute Tradition ist. Nach dem IOC-Entscheid hieß es von der Fifa nur, dass sie das Urteil zur Kenntnis genommen habe und die Vorbereitungen aufs Turnier dadurch nicht gestört seien.

Eigentlich wäre Mutko spätestens jetzt ein Fall für die Personen, die beim Weltverband für Integrität zuständig sind. Bis Mai waren in der Ethik- und Compliance-Kommission der Fifa resolute Leute am Werk: Diese befanden unter anderem, dass Mutko wegen seiner Verquickung aus politischen und sportpolitischen Funktionen nicht ins oberste Gremium des Weltverbandes, das Council, einrücken durfte. Aber diese Personen sind ausgetauscht worden, die Nachfolger gelten als folgsame Anhängsel des Fifa-Bosses. Auf eine Anfrage gab es vom Stab der neuen Ethik-Chefermittlerin Maria Claudia Rojas keine Antwort.

Entscheidend für die Zukunft Mutkos ist daher weniger Maria Claudia Rojas als vielmehr Wladimir Putin. Der Staatspräsident und der Vize-Premier kennen sich schon seit Anfang der Neunzigerjahre, als sie zeitgleich ihre Karrieren in Sankt Petersburg begannen. Zum allerengsten Führungszirkel des Landes gehörte Mutko zwar nie, aber der Draht ist gleichwohl sehr eng. Zudem ist Putin niemand, der sich Druck von außen beugen will, erst recht nicht ein halbes Jahr vor dem Turnier. Wann ein Spitzenpolitiker in Ungnade fällt, entscheidet er gemeinhin selbst. Andererseits dürfte Putin auch daran gelegen sein, dass nicht eine Fokussierung auf Mutko sein geplantes Fußball- und Propagandafest verdirbt. Vielleicht kommt es deswegen aus strategischen Gründen noch zu formalen Änderungen. In Moskau kursiert etwa die Variante, dass in der Öffentlichkeit verstärkt Generalsekretär Alexej Sorokin fürs Organisationskomitee auftreten soll.

Aber sogar dann, wenn seine Rolle als mutmaßlicher Dirigent des Manipulationssystems für Mutko noch weitere Folgen haben sollte, wäre das Doping-Thema mit Blick auf die Fußball-WM nicht vom Tisch. Bei der Arbeit des Sonderermittlers Richard McLaren im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) ergaben sich vielfältige Spuren in den Fußball. Unter den circa 1000 Athleten, die von dem gigantischen Doping- und Vertuschungssystem profitiert haben sollen, sind 34 Fußballer. Dazu zählt auch der komplette 23er-Kader der WM 2014, der sich kurz vor dem Abflug nach Brasilien in Moskau noch einmal einer Kontrolle unterzog. "Wir müssen herausfinden, ob sie gesund sind", hieß es in einer Mail - das erinnerte vom Vorgehen an die Ausreisekontrollen im Dopingsystem der DDR. McLaren sprach zudem von 155 verdächtigen Proben und mutmaßte, es habe für die Kicker eine separate Urin-Bank gegeben, um den Inhalt von Dopingproben notfalls austauschen zu können.

Offenkundig meinte der Kronzeuge und frühere Moskauer Laborchef Grigorij Rodtschenkow auch den Fußball, als er jüngst kundtat, er habe noch mehr Beweise. Die Fifa aber arbeitet das bisher schleppend auf. Laut Rodtschenkows Anwalt hat sie noch kein Gespräch mit seinem Mandanten geführt.

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SZ vom 07.12.2017
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