Doping im Tennis:Dilemma um die Ikone Scharapowa

2016 Australian Open - Day 5; scharapowa

Für zwei Jahre gesperrt: Maria Scharapowa.

(Foto: Getty Images)

Die Russin kritisiert ihre zweijährige Dopingsperre als "unverhältnismäßig hart" - doch hatte der Tennis-Weltverband eine andere Chance?

Von René Hofmann

Das nächste Grand-Slam-Turnier, an dem Maria Scharapowa teil- nehmen kann, sind die French Open. Im Frühsommer 2018. An diesem Dienstag verkündete der Tennis-Weltverband ITF, wie lange die 29 Jahre alte Russin aussetzen muss, weil sie nach dem Viertelfinale gegen ihre große Rivalin Serena Williams aus den USA am 26. Januar 2016 bei den Australian Open einen Dopingtest abgegeben hatte, in dem sich die Substanz Meldonium fand, die seit Januar dieses Jahres auf der Liste der verbotenen Substanzen steht. Das Verdikt: zwei Jahre Sperre.

Zur Begründung heißt es in der 33 Seiten füllenden Begründung, Scharapowa habe nicht darlegen können, dass sie das Mittel aus medizinischer Gründen einnahm. Zudem habe sie es zumindest fahrlässig genommen. Mit dem Verdikt bewegte sich das Gremium in der Mitte des vorgesehenen Strafmaßes. Für ein derartiges Dopingvergehen sehen die Statuten für Ersttäter Sperren von bis zu vier Jahren vor. Wenn ein Athlet glaubhaft darlegen kann, dass ein Mittel in seinen Körper kam, ohne dass ihm selbst dabei ein wesentlicher Fehler unterlief, kann die Sperre reduziert werden; die Minimal-Auszeit beträgt aber auch dann noch ein Jahr.

Scharapowa will kämpfen

Scharapowa, die am 2. März dieses Jahres von dem Dopingfund erfahren und diesen zwei Tage später auf einer Presse- konferenz in Los Angeles selbst öffentlich gemacht hatte, hält das Urteil für falsch. Sie kritisiert die Entscheidung als "unverhältnismäßig hart" und kündigte an, vor den Internationalen Sportgerichtshof Cas in Lausanne zu ziehen. "Ich werde für das einstehen, was ich für gerecht halte", schrieb sie auf ihrer Facebook-Seite. Auch was die Fortsetzung ihrer Karriere betrifft, gab sie sich kämpferisch: "Ich werde darum kämpfen, so schnell wie möglich auf den Tennis-Court zurückzukehren", kündigte sie an.

Bei den Olympischen Spielen 2012 in London hatte Scharapowa bei der Eröffnungsfeier die russische Flagge getragen. Auch bei den Spielen, die am 5. August in Rio beginnen sollen, hätte sie für das Land auflaufen sollen, in dem sie geboren wurde. Ende Mai hatte der russische Tennisverband sie trotz des laufenden Verfahrens demonstrativ in sein vorläufiges Aufgebot berufen. "Solange keine Sperre gegen sie vorliegt, stellen wir sie auf", hatte der Präsident des russischen Tennisverbandes, Schamil Tarpischtschew, damals gesagt.

Am Dienstagabend verkündete er, dass nun Jekaterina Makarowa wohl Scharapowas Olympia-Platz einnehmen werde. Anastasia Myschkina, die Chefin des russischen Fed-Cup-Teams, sagte über das Aus für Scharapowa: "Leider ist es passiert. Das sind sehr schlechte Nachrichten für uns alle, die Tennis lieben und die Masha im Team sehen wollen." Steve Simon, der seit Oktober vergangenen Jahres der Frauentennis-Tour WTA vorsteht, bemühte sich um Diplomatie. "Die WTA wird den weiteren Verlauf genau verfolgen, und wir hoffen, dass es möglichst bald zu einer Klärung kommt." Aber natürlich sei es generell "wichtig, dass Spielerinnen die Regeln jederzeit kennen und beachten".

Kampf um die Glaubwürdigkeit

Die Tennis-Verkäufer befinden sich in einem Dilemma. Einerseits war Scharapowa eines ihrer größten Zugpferde; es bald wieder im Programm zu haben, kann dem Geschäft nur guttun. Andererseits hätte ein allzu milder Umgang mit der Szene-Größe die Glaubwürdigkeit beim Kampf gegen Schummeleien völlig zerstört. Einige der im Prozess gegen Scharapowa dokumentierten Details lassen tief blicken. Sie offenbaren, wie sehr die Spitzenspielerin über Jahre der - legalen - Hilfe der pharmazeutischen Industrie vertraute.

Im Jahr 2004 glückte Scharapowa der internationale Durchbruch: Im Alter von 17 Jahren gewann sie das traditionsreiche Turnier in Wimbledon. Im Jahr darauf suchte sie - nach einigen grippalen Infekten - den russischen Mediziner Anatoly Skalny auf. Dieser stellte ihr einen detaillierten Ernährungs- und Medizin-Plan zusammen, auf dem etwa 18 Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel standen; auch das Meldonium-Präparat Mildronate. Bis 2012 befolgte Scharapowa die Vorgaben. Phasenweise stieg die Zahl der Mittel, die sie nahm und die der Direktor des Anti-Doping-Labors in Moskau Skalny stets als für Leistungssportler legal bescheinigte, auf 30.

Ende 2012 wandte sich Scharapowa von Skalny ab, das Herzmittel, in dem Meldonium enthalten war, nahm sie aber weiter - ohne ihren neuen medizinischen Berater, ihrem Trainer oder ihrem Physiotherapeuten davon zu berichten. Auf den Fragebögen, die sie vor Anti-Doping-Tests ausfüllen musste, verschwieg sie es ebenfalls regelmäßig. Lediglich Manager Max Eisenbud sei eingeweiht gewesen, so die dokumentierte Darstellung vor dem Tribunal, in der es weiter heißt: Eigentlich sei es Eisenbuds Aufgabe gewesen, Scharapowa davor zu warnen, dass das Mittel ab Januar 2016 neu auf der Liste der verbotenen Mittel stehe. Der Manager habe das versäum - unter anderem, weil er sich in dem relevanten Zeitraum von seiner Frau getrennt habe und deshalb nicht zu seinem obligatorischen Karibik-Urlaub aufgebrochen sei. Die ITF fand das wenig überzeugend.

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