Ein letzter Blick zurück. Das Dopingjahr 2013 begann einigermaßen spektakulär. Im Januar saß der einstige Rad-Held Lance Armstrong auf der Couch der Fernsehtalkerin Oprah Winfrey und vergoss reichlich Krokodilstränen, als er eingestand, was ohnehin fast alle wussten: Er war einer der erfolgreichsten Doper des vergangenen Jahrzehnts.
Im Juli sah sich auch der Radfahrer Erik Zabel zu einem umfassenden Geständnis genötigt, mit dem er ein früheres Teilgeständnis als umfassendes Lügengebilde enttarnte. Jan Ullrich hat sich irgendwann im Spätsommer auch mal mit dem Versuch einer Beichte zu Wort gemeldet. Interessant ist dabei, dass es um das Renommee des Radsports heute nicht besser bestellt wäre, wenn es 2013 nicht gegeben hätte. Es war schon vorher restlos ramponiert.
In den zurückliegenden zwölf Monaten haben indes auch drei der schnellsten Männer, die von Berufswegen zu Fuß unterwegs sind (Tyson Gay, Asafa Powell, Nesta Carter) positive Dopingproben eingeräumt. Eine deutsche Historiker-Studie führte derweil einem breiten Publikum vor Augen, dass in der alten BRD mit ähnlichen Mittel betrogen wurde wie in der alten DDR - und dass die neue BRD davon lieber nicht allzu viel wissen will.
Selbst der heilige Fußball geriet dabei ins Fadenkreuz. In einer anonymen Befragung der Deutschen Sporthilfe gaben ferner rund sechs Prozent der Athleten an, "regelmäßig zu Dopingmitteln" zu greifen, gut 40 Prozent verweigerten die Aussage. Auf Basis dieser Gemengelage würden inzwischen rund 80 Prozent der Deutschen ein Anti-Doping-Gesetz befürworten. Wenn das Dopingjahr 2013 also etwas bewirkt hat, dann ist es wohl der breite gesellschaftliche Konsens, dass im Sport unabhängig von Disziplinen und Himmelsrichtungen manipuliert wird. Die Dopingdebatte ist im Mainstream angekommen. Endlich.
Nach der Bundestagswahl wäre eine günstige Gelegenheit gewesen, um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen. Leider wurde sie verpasst. In jener schmalen Passage des Koalitionspapiers, die sich mit dem Sport, der "größten Bürgerbewegung Deutschlands" (O-Ton Koalitionsvertrag) befassen, steht nichts, was auf die Einführung eines umfassenden Anti-Doping-Gesetzes hindeutet.
Als größter Fortschritt wird gefeiert, dass die neue Regierung nicht mehr ausschließt, irgendwann den Besitz von Dopingmitteln (ungeachtet der Menge) unter Strafe zu stellen. Hinter uns liegt ein Dopingjahr der verpassten Chancen. Das Gute ist: 2014 gibt es eine neue Chance. Allerdings ist bisher nicht zu erkennen, dass sich die Chancenverwertung in Kreisen der Sportpolitik verbessert hätte.
Womöglich wird sich der Bundestag schon im Januar mit einem vom Bundesrat verabschiedeten Gesetzentwurf aus Baden-Württemberg beschäftigen. Grundsätzlich ist es natürlich zu begrüßen, dass sich die Länder für die "Verbesserung der strafrechtlichen Doping-Bekämpfung" einsetzen. Die Verbesserung eines gewaltigen Missstandes bedeutet aber noch lange nicht, dass am Ende etwas Gutes herauskommt.
Debatte zur Dopingstudie:Kabarett im Sportausschuss
Innenminister Friedrich wünscht Thomas Bach alles Gute bei der Wahl zum IOC-Präsidenten. Die öffentliche Sportausschuss-Sitzung im Bundestag zur Studie "Doping in Deutschland von 1950 bis heute" ist ein politisches Theaterstück. Doping spielt eine Nebenrolle.
Zwar ist in dem Entwurf von einem "Straftatbestand Betrug" die Rede, allerdings ist der Begriff des Betruges so eng gefasst, dass viele Experten fürchten, ein daraus abgeleitetes Gesetz könnte den Anti-Doping-Kampf eher verkomplizieren als vereinfachen. Nach Lage der Dinge würde sich beispielsweise strafbar machen, wer "gedopt an einem Wettkampf teilnimmt". Realität ist aber, dass die meisten Dopingvergehen im Training passieren.
Ein solches Anti-Doping-Gesetz liefe Gefahr, zu einem Feigenblatt mit einer wohlklingenden Überschrift zu verkommen. Und es gibt nicht wenige, die glauben, dass der organisierte Sport gerade deshalb Sympathien für diesem Entwurf hegt. Getreu der alten DOSB-Taktik: Immer das begrüßen, was ohnehin nicht mehr zu verhindern ist.
Nun könnte man sagen, ein halber Schritt nach vorne sei allemal besser als Stillstand. Wenn aber der Blick in den Rückspiegel nicht täuscht, dann wäre die deutsche Öffentlichkeit bereit für einen ganzen Schritt.