Doping im Sport:Die Jäger holen auf

Das IOC will alle Proben der Olympischen Spiele von Peking nachuntersuchen lassen. Frankreichs Anti-Doping-Agentur kündigt an, bald weitere Sünder der Tour de France 2008 überführen zu können.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat nach den jüngsten Doping-Enthüllungen im Radsport am Mittwoch die Nachuntersuchung aller eingefrorenen Doping-Proben der Olympischen Spiele von Peking angekündigt. "Diese Untersuchungen betreffen alle Sportarten und beinhalten speziell auch die Substanz Cera", erklärte IOC-Sprecherin Emmanuelle Moreau. Alle mehr als 5000 Proben werden derzeit zum Labor in Lausanne geschickt.

Doping im Sport: Man kann's auch mit Humor nehmen: Lebende Spritzen bei der Tour de France.

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(Foto: Foto: dpa)

Details über die nachträglichen Tests werden laut IOC mit der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) abgestimmt. Der Zeitpunkt steht noch nicht fest. Die Nachuntersuchungen dürften geschätzte eine Million Euro kosten. Mit dem neuen Verfahren war Radprofi Stefan Schumacher bei nachträglichen Untersuchungen der Tour-Proben zweimal positiv getestet worden.

Professor Fritz Sörgel vom Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg begrüßte die Offensive des IOC, hält aber eine gezielte Nachüberprüfung für besser. "Dazu sind die Proben zu wertvoll, das Probenmaterial ist begrenzt", sagte der Doping-Experte. Ein möglicher Orientierungspunkt seien die Blutwerte. "Da wo der Verdacht vorlag, der Nachweis aber noch nicht möglich war, sollte man nachprüfen." Unklar ist, ob die in Peking genommenen Proben in einem Stück oder in mehreren Portionen eingefroren worden sind. Mehrfaches Auftauen beeinflusst den Prozess, die gerichtliche Verwertbarkeit wird infrage gestellt.

Neues Testverfahren gegen Eigenblutdoping

Pierre Bordry, Chef der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD, erwartet weitere Doping-Enthüllungen von der Tour 2008. Er kündigt neben dem neuen Test auf das Epo-Mittel Cera einen weiteren, bisher nicht gekannten Test auf Eigenbluttransfusionen bei Sportlern an. "Wir sind bereits im Besitz ernstzunehmender Hinweise auf Fälle von Eigenbluttransfusionen. Um wen es sich handelt, werden wir wohl erst später sagen können." Erstmals bestätigte Bordry damit, dass seiner Agentur zuverlässige Hinweise auf das Doping mit Eigenblut von Athleten vorliegen.

Dabei soll ein Testverfahren eingesetzt werden, dass derzeit noch entwickelt wird. Zurzeit, so Bordry, suche man zwar nur nach Cera. "Aber bald schon können wir mit dem neuen Verfahren Eigenbluttransfusionen nachweisen und wir werden dann auch damit nachtesten." Im Visier haben die Dopingkontrolleure Fahrer, bei denen vor dem Start der Tour Proben genommen und dabei auffällige Werte gefunden wurden. Dabei soll es sich laut Bordry um 30 Fahrer handeln. Die AFLD hatte diese Fahrer und ihre Rennställe über die Testergebnisse informiert. Bei einigen Sportlern hatten sich die Blutwerte dann während der Rundfahrt wieder normalisiert, bei anderen aber nicht. "Einige der verdächtigen Fahrer sind wieder zurück zu ihren normalen Werten gelangt. Wir waren aber überrascht zu sehen, wie schwach deren Leistungen dann waren", so Bordry.

Professor Wilhelm Schänzer fordert hingegen im Kampf gegen die Einnahme verbotener leistungsfördernder Substanzen eine engere Kooperation zwischen Testlaboren und Arzneimittelkonzernen. "Uns fehlen die Referenzprodukte aus den Arzneischränken der Firmen. Also Mittel, die noch in der klinischen Studie sind. Das wäre der Jackpot im Antidopingkampf", sagte der Leiter des Instituts für Biochemie an der Kölner Sporthochschule der Stuttgarter Zeitung. Allerdings gestalte sich ein derartiges Vorhaben bisher schwierig. "Die Firmen sagen uns gegenüber, dass sie aus Patentschutzgründen und aus Sorge vor der Konkurrenz bestimmte Daten so lange zurückhalten, bis die Produkte auf den Markt kommen. Das kostet uns viel Zeit", erklärte Schänzer: "Es wäre wünschenswert, dass die Konzerne - in ihrem eigenen Interesse - die Zusammenarbeit mit uns ganz gezielt ausbauen."

Seite zwei: Es gibt Anzeichen für ein neues Epo-Produkt. Und die Probleme von Radsportveranstaltern in Deutschland.

Die Jäger holen auf

So sei ein neues Epo-Präparat namens Hematide "in der Pipeline", dessen Nachweisbarkeit man vorantreibe. "Wir versuchen, mit den Herstellern eng zusammenzuarbeiten, um einen Test entwickeln zu können. Das gestaltet sich aber leider sehr, sehr mühsam", berichtete der Doping-Jäger und lobte die Entwicklungen in Frankreich, die zu den jüngsten Erfolgen beim Nachweis von Cera geführt haben. Dieses Präparat sei im Prinzip leicht nachweisbar, allerdings habe man in Deutschland bisher nicht die Möglichkeit gehabt, eng mit den Produzenten zu kooperieren. "Das ist in Frankreich gelungen und damit eine sehr gute Abschreckung", sagte Schänzer: "Künftig überlegt vielleicht der eine oder andere, ob er wirklich etwas nehmen soll, von dem ihm der Dealer verspricht, dass es nicht nachweisbar ist."

Radsport-Weltverbandschef wehrt sich

Nach seinen beiden positiven A-Proben droht Radprofi Stefan Schumacher nun die Aberkennung seiner Zeitfahrsiege bei der Tour de France 2008. "Es ist klar, dass wir diejenigen, die betrogen haben, nicht länger als Gewinner betrachten können", sagte Tour-Direktor Christian Prudhomme. Schumacher bereitet bislang die Einnahme von Dopingmitteln.

Auch Franck Schleck, Tour-Gesamtsechster aus Luxemburg, gerät zunehmend in Bedrängnis. Die Luxemburger Anti-Doping-Agentur Alad will die Untersuchungen gegen ihn ausweiten. Schleck hatte in der Vorwoche eine Überweisung von knapp 7000 Euro an den mutmaßlichen Doping-Arzt Eufemiano Fuentes aus Spanien zugegeben, aber Doping bestritten. "Es ist entschieden worden, eine zusätzliche Untersuchung auf verschiedenen Ebenen zu beginnen", teilte die Alad mit. Schlecks dänisches CSC-Saxo-Bank-Team hat den 28-Jährigen, der Fuentes im März 2006 das Geld für "Trainings-Ratschläge" überwiesen haben will, bereits suspendiert.

Unterdessen wies UCI-Chef Pat McQuaid die Überlegung des IOC-Vizepräsidenten Thomas Bach, dem Radsport eventuell "eine olympische Denkpause" zu verordnen, scharf zurück. "Es ist völlig inakzeptabel für Thomas Bach, dies zu sagen", sagte McQuaid. Es gebe auch andere Sportarten mit andauernden Problemen. "Anstatt den Radsport unter Beschuss zu nehmen, sollte er genauso auch diese unter Beschuss nehmen", sagte der Präsident des Weltverbandes UCI.

Zumindest in Deutschland droht dem Radsport allerdings Ungemach von anderer Seite: Immer mehr Rennen klagen über den Mangel an Sponsoren. Artur Tabat, Organisator des Traditions-Rennens "Rund um Köln", muss nach eigenen Angaben heftiger denn je kämpfen, um Geldgeber zu finden. "Die Doping-Geschichte reißt uns den Boden unter den Füßen weg", sagte er. Obwohl die Finanzierung des kommenden Rennens am Ostermontag 2009 noch nicht komplett gesichert ist, sei es "nicht akut gefährdet", so Tabat.

Auch das Hamburger Radrennen Cyclassics wird 2009 stattfinden. Das erklärte Frank Bertling, Geschäftsführer der veranstaltenden Agentur Upsolut. Gesichert ist die Austragung der Jedermann-Rennen mit rund 22.000 Hobby-Radlern. Das Profi-Rennen steht je nach Ausmaß der neuen Doping-Enthüllungen auf dem Prüfstand. "Es läuft genau der Prozess, den wir vorhergesagt haben. Die Meldungen jetzt sind keine Überraschung", sagte Bertling. "Wir sind ganz ruhig und treffen keine voreiligen Entscheidungen. Wir müssen abwarten und die Situation später bewerten."

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