Doping im Sport:Bis zur letzten Kanüle

Die Razzia in der Uni-Klinik Freiburg und bei ihren früheren Ärzten kam vermutlich zu spät. Dennoch ist sie eine wertvolle Wegmarke im Kampf gegen den Sportbetrug.

Ein Kommentar von Andreas Burkert

Vermutlich haben die Beamten der Staatsanwaltschaft und des Bundeskriminalamtes viel zu spät die Sportmedizin der Albert-Ludwigs-Universität und die Wohnungen der Sportärzte Heinrich und Schmid aufgesucht, als dass am Ende wirklich erfolgreiche Ermittlungen stehen könnten. Denn womöglich haben die modernen Freiburger Frankensteine längst Beweise entsorgt wie einst die Tupfer nach dem Blutwechsel. Doch ungeachtet einer irgendwann vorliegenden Fahnderbilanz darf die bislang spektakulärste deutsche Dopingrazzia als wertvolle Wegmarke im Kampf gegen den chemischen Sportbetrug gedeutet werden. Denn die Aktion düpiert angemessen eine unselige Schweigeallianz aus Sport, Politik und Medizin.

Doping im Sport: Eine Geschichte aus dem Frankenstein-Land: Sport und Doping.

Eine Geschichte aus dem Frankenstein-Land: Sport und Doping.

(Foto: Foto: dpa)

In Freiburg schlug und schlägt ja vielleicht immer noch das Herz des deutschen Sports, seit Dekaden bringen ihn die südbadischen Gurus in Weiß prächtig in Form; den westdeutschen wohlgemerkt, der ja angeblich hilflos durch den Stacheldraht den Staatsdopern aus dem Osten zusehen musste beim betrügerischen Manipulieren. Was für ein Irrtum. Denn die Freiburger Bastion ist nun selbst besudelt durch den deutschen Olympiaarzt und renommierte Radbetreuer, die nur Naive in den Rang selbstherrlicher Einzeltäter katalogisieren werden. Doch an Freiburgs Elite-Uni folgten die internen Ermittler seit dem Frühjahr offenbar lieber dem Credo, das auch die zu Geständnissen gezwungenen Radfahrer pflegten: Bloß nicht mehr Konsequenz und Wahrheit als nötig. Nun interessiert sich das BKA für die Strippenzieher eines Dopingsystems, das bis zur letztmöglichen Kanüle Deutschlands größten Radrennstall in Schwung hielt.

Der Effekt ist nun ein umso tieferer Krater in der Glaubwürdigkeit des deutschen Sports, den Institutionen, Politik und Lobbyisten mit einem Mix aus Scheinheiligkeit, Passivität und Opportunismus stützen. Welche Konsequenzen haben Funktionäre oder Verbände gezogen aus den wegweisenden Aussagen des Radprofis Jörg Jaksche? Wird Patrik Sinkewitz' Geständnis ebenso wirkungslos bleiben, abgesehen vielleicht von Geldbußen und Berufsverboten für ein paar Ärzte?

Dass sich der Teamsponsor T-Mobile gerade wortkarg gibt bei der Verarbeitung der nächsten Enthüllungskatastrophe, könnte eigentlich darauf hindeuten. Doch diesmal, das scheint sicher, dürfte es anders kommen. Denn der Geldgeber hat nun genug von den ewigen Lippenbekenntnisse: Wir sind doch jetzt sauber! Wirklich! Die Teamleitung hat sich schließlich längst wieder in die andere Richtung verabschiedet, sie akquirierte wider besseres Wissen George Hincapie, den Chauffeur des Idols einer verseuchten Generation, Lance Armstrong. Und sie traut Michael Rogers, Sinkewitz' langjährigem Freund und Begleiter. Vorher hatte sie lange den Freiburger Frankensteinen geglaubt - womöglich glauben müssen. Aus alter Verbundenheit.

Damit wird es alsbald vorbei sein, der lange reichlich naive Gönner T-Mobile will sich nicht länger düpieren lassen. Denn mit dem BKA hat er äußerst ungern zu tun.

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