Doping im Radsport:Wer Geld hat, hängt die Ankläger ab

Doping im Radsport: Chris Froome (l.) hat einen Vorteil im Kampf gegen Doping-Anschuldigungen.

Chris Froome (l.) hat einen Vorteil im Kampf gegen Doping-Anschuldigungen.

(Foto: AFP)

In den Dopingverfahren des Tour-Favoriten Christopher Froome und des Helfers Andre Cardoso zeigt sich: Die Fahrer müssen es sich leisten können, ihr Recht einzufordern. Schuld trägt auch die Wada.

Kommentar von Johannes Knuth, La-Roche-sur-Yon

Die 105. Tour de France ist jetzt rund eine Woche alt, fünf Tage Vorbereitung, zwei Tage Rennen. Man muss sich das noch mal in Erinnerung rufen, um zu begreifen, wie viel Irrsinn in so eine Woche passt.

Am Sonntag sperrte Veranstalter Aso Christopher Froome von der Tour aus, wegen dessen ungeklärter Dopingaffäre. Einen Tag später sprach der Rad-Weltverband UCI den Briten frei. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) erklärte, Froomes Überdosis Salbutamol habe eine Ausnahme sein können, und ach ja, der Test habe so seine Macken. UCI-Präsident David Lappartient erklärte, Froomes Vermögen habe ihm eine bessere Verteidigung ermöglicht. Froomes Team Sky veröffentlichte PR-Videos, in denen es darum ging, wie sie die Weltmeere retten. Bei der Fahrerpräsentation wurde Froome niedergepfiffen. Nairo Quintana, ein Konkurrent im Gesamtklassement, sagte: "Manchmal erntet man, was man sät."

Die vergangenen Tage sind vielleicht ein guter Anlass, mal wieder über den vermeintlichen Anti-Doping-Kampf des Sports nachzudenken, die Tour fällt diesmal ja auch zusammen mit einem Jubiläum. Am 8. Juli 1998 filzten belgische Zöllner den Wagen eines gewissen Willy Voet, Betreuer der Festina-Equipe. Sie fanden 236 Ampullen des Blutbeschleunigers Epo, 82 Packungen Wachstumshormon, Testosteron, Amphetamine. 20 Jahre, viele Skandale und vermeintliche Neuanfänge später, geht es nicht mehr um Kofferräume voller Epo, sondern um ein Asthmamittel. Nur: Ist das wirklich besser? Zumal Froome einem von Affären umwehten Team dient, das Ausnahmegenehmigungen genutzt haben soll, um Fahrern verbotene Mittel zuzuführen, wie der britische Sportausschuss im März befand (was Sky vehement bestritt).

Schuld ist die Wada, die ihr Regelwerk nicht auslegen kann

Früher galt im Peloton die Formel der zwei Geschwindigkeiten, je nachdem, wer auf Stoff fuhr oder nicht. Heute gibt es offenbar auch eine Justiz der zwei Geschwindigkeiten, man sieht das an einem Fall, der kurz vor der Tour vor einem Jahr begann. Der Portugiese Andre Cardoso, einer von vielen anonymen Helfern im Peloton, wurde erwischt, die A-Probe war positiv auf Epo, die B-Probe nicht. Die UCI beruft sich nun offenbar auf eine Klausel, wonach eine A-Probe für eine Sperre ausreichen kann. Das Verfahren ist noch immer in der Schwebe, und Cardoso sagte jetzt dem Portal VeloNews, er habe fast kein Geld mehr, um seine Anwälte zu bezahlen.

Und Froome? Die Zweifel werden ihn weiter verfolgen wie das Peloton einen Ausreißer, wenn er in den kommenden Wochen seinem fünften Tour-Sieg entgegenstrebt. Vielleicht ersinnt Sky ja noch eine neue Kampagne, um die Volksseele zu beruhigen, "Rettet bedrohte Wasservögel an französischen Küsten". Es ist schwer zu ertragen, wie das Publikum seinen Frust bei einem Fahrer ablädt, der unschuldig ist oder vielleicht auch nicht. Aber das ist vor allem die Schuld einer Anti-Doping-Agentur, die ihr Regelwerk nicht ganz so genau auslegen kann oder mag, je prominenter und finanzkräftiger die Belangten sind. Nairo Quintana hatte schon recht: Man erntet, was man sät.

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