Doping im Pferdesport:Es war die Pflegerin

Das Springreiten verliert wieder an Glaubwürdigkeit: Ein weiteres deutsches Pferd war bei Olympia gedopt. Die Erklärungen dazu sind schwach.

Gabriele Pochhammer

Dem Schimmelhengst sei ein bisschen schlecht geworden, ihm hätten die Knie gewackelt, sagte Marco Kutscher, und es klingt ganz harmlos. Das war bei den olympischen Reitwettbewerben in Hongkong nach dem ersten Umlauf des Nationenpreises am 17. August 2008. Die Deutschen hatten enttäuscht und mussten sogar fürchten, den zweiten Umlauf zu verpassen. 13 Fehlerpunkte schlugen für Cornet Obolensky von Marco Kutscher zu Buche. Das unerfahrenste Pferd des deutschen Springteams wirkte gestresst und überfordert.

Doping im Pferdesport: Ein Pferd, "behandelt" mit Lactanase und Arnika: Nach den Enthüllungen um Cornet Obolensky droht seinem Reiter Marco Kutscher Ungemach.

Ein Pferd, "behandelt" mit Lactanase und Arnika: Nach den Enthüllungen um Cornet Obolensky droht seinem Reiter Marco Kutscher Ungemach.

(Foto: Foto: ddp)

Geschwankt und kollabiert

Neun Monate später werden vermutlich einige Funktionäre des deutschen Reitsports weiche Knie bekommen. Denn was jetzt ans Licht kam, ist nichts weniger als ein neuer Doping-Skandal in einem Sport, dessen Glaubwürdigkeit seit Hongkong durch mehrere Dopingfälle ohnehin schwer erschüttert ist.

Es wurde beschlossen, Cornet Obolensky nach dem ersten Umlauf mit "Lactanase und Arnika zwecks optimaler Regeneration der Muskulatur zu versorgen", erklärt der damalige Mannschaftstierarzt Dr. Björn Nolting. Doch bevor er die Genehmigung für eine Injektion habe einholen können, so Nolting, habe die Pflegerin die Medikamente schon verabreicht. Man erinnere sich: Die Schwedin Marie Johnson des Stalles Ludger Beerbaum hatte bereits die Cortisongabe bei Beerbaums Pferd in Athen 2004 vorgenommen, angeblich durch eine Salbe. Diese verbotene Medikation kostete die Deutschen Gold. Auch damals war Nolting Mannschaftstierarzt, auch damals wurde keine Genehmigung eingeholt.

Nun also Arnika und Lactanase. Zwei Wirkstoffe, ungenehmigt verabreicht, erfüllen automatisch den Tatbestand des Dopings, Lactanase enthält darüber hinaus den Wirkstoff Dichlor-Essigsäure. "Lactanase ist kein zugelassenes Medikament", so Manfred Kietzmann von der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Es ist auch nicht ganz ungefährlich, Nebenwirkungen wie Schwindel können auftreten. Und obwohl das passierte, obwohl Cornet Obolensky kollabierte und schwankte, wurde er im zweiten Umlauf eingesetzt und unterbot mit 19 Fehlern seine schlechte Leistung vom Vortag.

Die deutsche Mannschaftsführung hat von diesen Vorkommnissen bereits in den Wochen nach Hongkong erfahren. Die Öffentlichkeit wurde nicht informiert, man habe alle Kräfte auf die Aufklärung der Fakten aufgewendet, heißt es in einer Verbandspressemeldung. Doch bald war klar, dass sich die Sache nicht unter den Teppich kehren ließ. "Ankündigungen von Enthüllungen verschiedenster Art haben die FN in den letzten Wochen erreicht" heißt es in dem Schreiben weiter. "Interne Untersuchungen" hätten nun Erkenntnisse über "mögliche Regelverstöße" zu Tage gebracht.

Die "Internen Untersuchungen" wurden durch einen Brief des Tierarztes Peter Cronau vom 1. März beschleunigt. Cronau, vormals Chefveterinär der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI), war im Doping-Fall Christian Ahlmann Gutachter vor dem Cas. Der deutsche Springreiter war angeklagt, sein Pferd mit der hypersensibilisierenden Salbe Capsaicin behandelt zu haben. Er plädierte lediglich auf - minderschwere - verbotene Medikation. Der Cas folgte aber dem deutschen Verband, der für Ahlmann eine härtere Strafe als die von der FEI verhängte viermonatige Sperre forderte. Ahlmann wurde acht Monate gesperrt, doppelt so lange wie die anderen in Hongkong erwischten Springreiter.

Zuträger in der Szene

Das Urteil musste FEI-Mann Cronau frustrieren, doch der sagt, sein Brief habe mit der Entscheidung, die ja viel später feststand, nichts zu tun. Er habe lediglich an FN-Sportchef Reinhardt Wendt, Missionschef in Hongkong, und an Verbandspräsident Breido Graf zu Rantzau geschrieben, was ihm aus der Szene "zugetragen" worden sei. Wer der Zuträger war, sagt er nicht. Zitiert wurde aber in den Tagen zuvor Ahlmanns Vater Georg mit Drohungen, er werde "auspacken". Weder Kutscher, sein Chef Beerbaum noch Nolting, streiten die Behandlung von Cornet Obolensky ab. Nolting ist inzwischen als Mannschaftstierarzt zurückgetreten. Ob es ein Verfahren gegen Kutscher geben wird, lässt der deutsche Verband derzeit von einem Sportrechtler prüfen; die FEI wurde bereits informiert. Die Probleme für den Verband fangen wohl erst an.

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