Neues von der Pharma-Front: Eine Langzeitstudie, in Auftrag gegeben vom europäischen Fußballverband Uefa, legt einen weit intensiveren Missbrauch anaboler Steroide im Spitzenfußball nahe als bisher offiziell bekannt. Wissenschaftler aus zwölf Anti-Doping-Laboren ermittelten in bemerkenswerten 7,7 Prozent von 4195 anonymisierten Urinproben aus den Jahren 2008 bis 2013 auffällige Testosteron-Werte, die auf Doping hinweisen und Folgeuntersuchungen nach sich ziehen müssten. Publiziert wurde die Studie von der ARD/WDR-Dopingredaktion.
Bisherigen Tests zufolge hätten nur 1,3 Prozent aller Dopingproben im Uefa-Bereich Auffälligkeiten gezeigt. Dass aber im Fußball besonders wenig verlässliche Werte kursieren, ist unter Experten kein Geheimnis. Die größte und reichste Sportart gestaltet ihr Kontrollsystem bis heute nicht wirklich unabhängig. Bei Großveranstaltungen wie der Fußball-WM, zuletzt in Brasilien 2014, hat die von anderen Sportarten akzeptierte Welt-Anti-Doping-Agentur nur Beobachterstatus. Und während die Wada Zaungast ist, wird das Testprozedere von Fifa-verlesenen Wissenschaftlern und Funktionären vollzogen.
Die Ergebnisse liefern Indizien
Die Proben der neuen Studie stammen von 879 Spitzenfußballern, die größtenteils in den großen europäischen Fußballwettbewerben spielten, vor allem in Champions- und Europa-League. Einen Nachweis für Doping liefern die Ergebnisse demnach nicht, wohl aber Indizien dafür, dass Steroide im europäischen Fußball weit verbreitet sind bzw. waren. Allerdings halten die Wissenschaftler fest, dass die Studie "Unsicherheitsfaktoren" bergen könne, etwa eine nicht ausreichende Standardisierung der Labore.
Das wirft die Frage auf, mit welcher Qualität Wada-akkreditierte Labore im Hinblick auf andere Sportarten arbeiten - in denen melden sie ja immer wieder Dopingbefunde. Gibt es unterschiedliche Gütestandards? Es sei "schwierig zu schlussfolgern, ob das Ganze biologisch zustande kommt oder durch externe Faktoren. Ich finde eine Quote von 7,7 Prozent etwas zu hoch gegriffen", sagt der Dopingexperte Perikles Simon.
7,7 Prozent - das wäre ungefähr ein Profi pro Team. Die Uefa betont, es sei "unmöglich, aus der einen Studie endgültige Schlüsse zu ziehen". Steroidforscher Julien Baker (University of West of Scotland) ist weniger zurückhaltend: "Wenn die Resultate korrekt sind, ist das sehr alarmierend. Es würde zeigen, dass in einigen der größten europäischen Wettbewerbe Steroidmissbrauch betrieben wird. Mir zeigen die Resultate, dass Fußball ein signifikantes Problem zu haben scheint." Im Kontext verglich Baker Fußball mit Radsport und Leichtathletik.