Süddeutsche Zeitung

Doping im Fußball:Vom Windhund und vom Bullterrier

Lesezeit: 2 min

In Turin und Marseille wurde organisiertes Doping schon öffentlich. Auch in Deutschland geht es an der Realität vorbei, wenn Ärzte und Funktionäre den Fußball für dopingfrei erklären.

Ein Kommentar von Thomas Kistner

Doping im Fußball? Sportärzte, die sich ja gern als Experten in letztlich eigener Sache äußern, winken da eifrig ab: Ich bitte Sie! Bringt gar nichts! Gerade im Fußball sind doch ,,die komplexen leistungsbestimmenden Faktoren der beste Schutz'' vor dem Pharmabetrug, dozierte kürzlich stellvertretend der DFB-Internist Tim Meyer. Und fügte das zweite allgemeine Mantra der Kickermedizin an: ,,Es gibt keine Erkenntnisse, dass im Fußball Doping in systematischer Weise betrieben wird.''

Klar? Großes Indianerehrenwort!

Außer bei Juventus Turin, ein unmaßgeblicher Dorfverein, wo Zidane & Co. nachweislich jahrelang systematisch gedopt wurden; außer bei Olympique Marseille, wo Profis in Buchform über systematisches Doping berichteten; außer in vielen Spitzenklubs, bei denen Arsenal-Coach Arsene Wenger schon 2004 extensives Doping argwöhnte (,,einige Spieler, die zu uns wechselten, wiesen eine abnorm hohe Anzahl roter Blutkörperchen auf'') - weshalb er sicher ist, ,,dass manche Klubs Spieler ohne ihr Wissen dopen''.

Die paar Trainingstests heute sind wirkungslos

Und ausgenommen die deutschen Profiligen, wo Stimulanzien bis in die neunziger Jahre zur Grundversorgung zählten - stop! Nur bis dahin. Heute sind alle clean, obwohl ihr Geschäft viel athletischer geworden ist. So clean wie unsere Radhelden, die auch nur in einer Zeit dopten, als das Peloton 2,5 Kilometer pro Stunde langsamer fuhr.

Wenn der Fußball heute so kategorisch seine Reinheit beschwört, muss das stutzig machen. Hier hat wie überall sonst zu gelten, dass Ärzte und Athleten, die Illegales praktizieren, dies öffentlich abstreiten werden. Umgekehrt werden jene, die Doping bekämpfen, nie ins Zentrum betrügerischer Maßnahmen vorstoßen. Heißt: Die einen werden stets lügen, die anderen nie drin sein in der Materie.

Gerade der Fußball, der nie wie andere Sportarten um staatliche Fördermittel bangen musste, hat sich stets dem Zugriff externer Kontrollen verweigert. Die paar Trainingstests heute sind wirkungslos, wenn gutverdienende Profis zu modernen Fitmachern greifen. Deshalb sind die paar überführten Sünder auch kein Beleg für einen sauberen Sport.

Athletische Anforderung steigt rasant

Und just im Fußball steigt die athletische Anforderung weiter rasant. Eine dänische Studie zeigte Ende der neunziger Jahre, dass Kicker früher nur sieben, acht Prozent der 90-minütigen Spielzeit volles Tempo gehen mussten - heute sind es 15 Prozent. Dazu steigt die Zahl der Pflichtspiele, die Erholungszeit wird immer kürzer. Frankreichs Weltmeister Petit orakelte schon 1999: ,,Es kommt so weit, dass wir alle Doping brauchen. Einige Fußballer tun es schon jetzt. Namen nenne ich nicht.''

Gesichert ist, dass Anabolika in der Regeneration den Muskelaufbau fördern und Epo die Ausdauer verbessert. Michel D'Hooghe, Chefarzt der Fifa, war schon 2002 überzeugt, dass deutsche, englische, spanische und italienische Spieler Epo benutzen. Es geht stramm an der Realität vorbei, wenn Ärzte und Funktionäre den Fußball für dopingfrei erklären.

Bleibt die Frage: Wie nehmen die medizinischen Wächter ihren Sport wahr? Wer rennt wie ein Windhund und rackert wie ein Bullterrier, kassiert heute ebenso Millionen wie der talentierte Ballartist. Also muss ein Profi, der all die Prämien liegen lässt, die er im Bedarfsfall mit etwas mehr körperlicher Fitness abgreifen könnte, über enorme Charakterstärke verfügen. Es ist nicht beruhigend, wenn ausgerechnet Sportärzte ihren professionellen Pappenheimern diese Charakterstärke immerzu unterstellen wollen. Denn das ist gegen jede Realität, im Sport wie im Leben.

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Quelle:
SZ vom 14.6.2007
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